Willy von Beckerath—München.
Haruspices erklärten, das sei nur eine Ge-
schmacksverirrung von Künstlern, die natür-
lich nicht wüssten, um was für Probleme es
sich eigentlich handle. Ach nein, geliebte
Nachtwächter! Was auf Wände will, muss
sich für Wände üben und das geschieht
nicht im »Duodezformat«. Mehr Unruhe
flösste es schon ein, dass diese Bilder zwar
vom Naturalismus ausgingen, aber mit vollem
Bewusstsein seinen Zielen widerstrebten, dass
sie einen Kompromiss zwischen räumlicher
W. VON BECKERATH—MÜNCHEN.
Tiefenwirkung und Flächendekoration an-
strebten, dass ihr koloristischer Gedanke sich
in einer gewissen Architektur der Farbe aus-
drückte. Die Sache wurde um so seltsamer,
als bald zu Tage trat, dass der Führer dieser
Handvoll Leute, Fritz Erler, nicht aus blosser
Laune jede Ausstellung mit einem seiner
grossen Werke von unvergesslicher Silhouette
erschreckte, sondern, ganz folgerichtig vor-
gehend, auch das Porträt in diesem Sinne als
Wandwirkung umbildete und so die Sackgasse
des Naturalismus durch-
schlug. Die Tagebücher
über Böcklin waren der
jungen Generation eine
still, aber sicher wirkende
Bestätigung, dass sie auf
dem rechten Wege war.
Denn hier sah man trotz
mancher Unbegreiflich-
keiten ein Genie, das sich
auf der Höhe seines Na-
turstudiums mit bewusster
Absicht vom bloss Male-
rischen, von der Paletten-
schwelgerei an sich ab-
wandte und dem Gross-
dekorativen zustrebte —
der Benutzung der farbi-
gen Errungenschaften des
Jahrhunderts für physio-
logisch-ästhetische und ar-
chitektonische Wirkungen.
Diese Strömung hielt
strenge an. Erler stand
bald nicht mehr allein.
Von allen Seiten kam Suk-
kurs. Manche, wie der-
jenige, dem dies Heft ge-
widmet ist, hatte selbstän-
dig und unbeeinflusst eine
ähnliche Entwicklung ge-
nommen. Ein neuer Neben-
fluss kam aus der kunst-
gewerblichen Bewegung,
die sich mit Notwendigkeit
von der Dekoration der
kleinen Fläche zu der der
grossen wenden musste
Aktstudie. Lund heute beginnen selbst
706
Haruspices erklärten, das sei nur eine Ge-
schmacksverirrung von Künstlern, die natür-
lich nicht wüssten, um was für Probleme es
sich eigentlich handle. Ach nein, geliebte
Nachtwächter! Was auf Wände will, muss
sich für Wände üben und das geschieht
nicht im »Duodezformat«. Mehr Unruhe
flösste es schon ein, dass diese Bilder zwar
vom Naturalismus ausgingen, aber mit vollem
Bewusstsein seinen Zielen widerstrebten, dass
sie einen Kompromiss zwischen räumlicher
W. VON BECKERATH—MÜNCHEN.
Tiefenwirkung und Flächendekoration an-
strebten, dass ihr koloristischer Gedanke sich
in einer gewissen Architektur der Farbe aus-
drückte. Die Sache wurde um so seltsamer,
als bald zu Tage trat, dass der Führer dieser
Handvoll Leute, Fritz Erler, nicht aus blosser
Laune jede Ausstellung mit einem seiner
grossen Werke von unvergesslicher Silhouette
erschreckte, sondern, ganz folgerichtig vor-
gehend, auch das Porträt in diesem Sinne als
Wandwirkung umbildete und so die Sackgasse
des Naturalismus durch-
schlug. Die Tagebücher
über Böcklin waren der
jungen Generation eine
still, aber sicher wirkende
Bestätigung, dass sie auf
dem rechten Wege war.
Denn hier sah man trotz
mancher Unbegreiflich-
keiten ein Genie, das sich
auf der Höhe seines Na-
turstudiums mit bewusster
Absicht vom bloss Male-
rischen, von der Paletten-
schwelgerei an sich ab-
wandte und dem Gross-
dekorativen zustrebte —
der Benutzung der farbi-
gen Errungenschaften des
Jahrhunderts für physio-
logisch-ästhetische und ar-
chitektonische Wirkungen.
Diese Strömung hielt
strenge an. Erler stand
bald nicht mehr allein.
Von allen Seiten kam Suk-
kurs. Manche, wie der-
jenige, dem dies Heft ge-
widmet ist, hatte selbstän-
dig und unbeeinflusst eine
ähnliche Entwicklung ge-
nommen. Ein neuer Neben-
fluss kam aus der kunst-
gewerblichen Bewegung,
die sich mit Notwendigkeit
von der Dekoration der
kleinen Fläche zu der der
grossen wenden musste
Aktstudie. Lund heute beginnen selbst
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