Dr. Karl Mayr—München:
\V. V. BECKERATH—MÜNCHEN.
'"V,,
Aktstudie.
träge gegeben. Gewiss.
Wir besitzen auch eine
Publikation über solche
sogenannte moderne Wand-
malerei. Proh pudor! Das
krankt immer noch an den
Übeln der Kartonperiode;
die Nachahmung hat nur
die Vorbilder gewechselt.
Statt Raphael steht Tiepolo
Pathe. Von Eigentümlich-
keit der Anschauung keine
Spur und die Hauptsache,
die dekorative Wirkung,
welche doch noch etwas
anderes ist als die blosse
Bedeckung der Wände mit
Farbe, ist gleich Null. Man
denke nur etwa an die
Kuppeldekoration des Düs-
seldorfer Kunstpalastes im
Jahre 1902 und an die
mythologischen Malereien
im Palazzo Caffarelli der
deutschen Botschaft in Rom.
weil ihr die einzig entsprechende Nahrung fehlt: die
Öffentlichkeit. Jahr für Jahr rufen die grossen
Bilder von den Ausstellungswänden: Hier sind
wir, holt uns, wir kommen; wir können es
machen. Aber der Staat, der doch das Bei-
spiel geben sollte, geht vorüber; noch immer
erscheint ihm das Ausserordentliche als das
Unordentliche. Die Städte achten gleichfalls
nicht darauf und auch nicht — mit geringen
Ausnahmen — die grossen Korporationen, die
so stolz sind auf ihre Häuser und Säle. Wir
haben zu viele Basalte. Hartherzig, ohne Ver-
trauen und Verständnis sieht man zu, wie sich
die grössten Talente in Belanglosigkeiten ver-
zehren. Es ist ein trauriges und beschämendes
Schauspiel. Diese Zeitschrift hat einen weiten
Leserkreis. Mancher Maßgebende und Würden-
bepanzerte ist darunter. Mag sich der eine und
andere an die Brust klopfen und sein Ge-
wissen fragen, ob es verantwortlich ist, die
ganze Generation, die heute zwischen dreissig
und vierzig Jahre alt ist, in »unbefriedigter Sehn-
sucht nach Anwendung« verschmachten zu
lassen. Man wendet ein: es werden doch Auf-
W. V. BECKERATH. Studie.
7H
\V. V. BECKERATH—MÜNCHEN.
'"V,,
Aktstudie.
träge gegeben. Gewiss.
Wir besitzen auch eine
Publikation über solche
sogenannte moderne Wand-
malerei. Proh pudor! Das
krankt immer noch an den
Übeln der Kartonperiode;
die Nachahmung hat nur
die Vorbilder gewechselt.
Statt Raphael steht Tiepolo
Pathe. Von Eigentümlich-
keit der Anschauung keine
Spur und die Hauptsache,
die dekorative Wirkung,
welche doch noch etwas
anderes ist als die blosse
Bedeckung der Wände mit
Farbe, ist gleich Null. Man
denke nur etwa an die
Kuppeldekoration des Düs-
seldorfer Kunstpalastes im
Jahre 1902 und an die
mythologischen Malereien
im Palazzo Caffarelli der
deutschen Botschaft in Rom.
weil ihr die einzig entsprechende Nahrung fehlt: die
Öffentlichkeit. Jahr für Jahr rufen die grossen
Bilder von den Ausstellungswänden: Hier sind
wir, holt uns, wir kommen; wir können es
machen. Aber der Staat, der doch das Bei-
spiel geben sollte, geht vorüber; noch immer
erscheint ihm das Ausserordentliche als das
Unordentliche. Die Städte achten gleichfalls
nicht darauf und auch nicht — mit geringen
Ausnahmen — die grossen Korporationen, die
so stolz sind auf ihre Häuser und Säle. Wir
haben zu viele Basalte. Hartherzig, ohne Ver-
trauen und Verständnis sieht man zu, wie sich
die grössten Talente in Belanglosigkeiten ver-
zehren. Es ist ein trauriges und beschämendes
Schauspiel. Diese Zeitschrift hat einen weiten
Leserkreis. Mancher Maßgebende und Würden-
bepanzerte ist darunter. Mag sich der eine und
andere an die Brust klopfen und sein Ge-
wissen fragen, ob es verantwortlich ist, die
ganze Generation, die heute zwischen dreissig
und vierzig Jahre alt ist, in »unbefriedigter Sehn-
sucht nach Anwendung« verschmachten zu
lassen. Man wendet ein: es werden doch Auf-
W. V. BECKERATH. Studie.
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