Ausstellung »Neue Kunst« Darmsladl 192J
THEODOR
GEBÜRSCH
»DAMEN-
BILDNISc
leisen bewegen, werden durch eine Vorstadt-
landschaft desselben Künstlers an Kraft und
Frische der Anschauung übertroffen. Von
Schul ein gibt es einige ungemein geistreiche
und feine Landschaften, von Lauterburg ein
Blumenstück mit starkblickendem Rot und
Grün, von Carla Pohle eine Kinderwiege von
auffallend dichter Materialität der Farbe, von
Alois Seidl einen „Bahnkörper" in ruhiger,
angenehmer Faktur. Adolf Schinnerer hält
sich mit seinen sieben figürlichen Arbeiten auf
der Höhe seiner bisherigen Sicherheit; es ist
ungefähr gemalter Gerhart Hauptmann: Sen-
timent, Mitleid, Weichheit, dazu Können und
Technik, aber wenig geschöpfliche Lebensfülle.
Fritz Koelles plastische Arbeiten sind wie
immer von vorzüglichem Niveau; besonders
überzeugend sein „Bildnis eines Arbeiters",
glänzend in der Charakteristik, ruhige, schöne
Form, hervorragend im Materialgefühl (Bronze).
— Nun zu den Hessen. Sie halten sich zwischen
den Vertretungen der beiden deutschen Kunst-
metropolen recht gut. Ich glaube sogar, daß
man in ihren Sälen einem der wenigen „Ereig-
nisse" der Ausstellung begegnet. Das sind die
beiden „Aktkompositionen" des jungen Gottfried
Richter (Offenbach). Freilich ist vieles an die-
sen Bildern noch Versprechen, Ansatz, Zukunft.
Man bemerkt gelegentlich Unbeholfenheiten der
Zeichnung, Ungleichheiten, Improvisationen in
der Mache. Aber was will das heißen bei einem
blutjungen Menschen, der kaum eine Schule
genossen hat und aus dessen ungeberdiger
Jugendkraft gleichwohl eine Malerei so reiner
und starker Rasse herausblüht, daß man vor ihr
wie vor einem Naturereignis steht? Wie Gott-
fried Richter ein Weiß malerisch ausdeutet, wie
er bei schmalen Ton-Intervallen doch kraft- und
phantasievoll vorgeht, wie er schimmernde
Fleischtöne neben samtiges Schwarz und Braun
stellt, das ist aller Achtung und Aufmerksamkeit
wert. Es ist eine Malerei, die unmittelbar aus
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THEODOR
GEBÜRSCH
»DAMEN-
BILDNISc
leisen bewegen, werden durch eine Vorstadt-
landschaft desselben Künstlers an Kraft und
Frische der Anschauung übertroffen. Von
Schul ein gibt es einige ungemein geistreiche
und feine Landschaften, von Lauterburg ein
Blumenstück mit starkblickendem Rot und
Grün, von Carla Pohle eine Kinderwiege von
auffallend dichter Materialität der Farbe, von
Alois Seidl einen „Bahnkörper" in ruhiger,
angenehmer Faktur. Adolf Schinnerer hält
sich mit seinen sieben figürlichen Arbeiten auf
der Höhe seiner bisherigen Sicherheit; es ist
ungefähr gemalter Gerhart Hauptmann: Sen-
timent, Mitleid, Weichheit, dazu Können und
Technik, aber wenig geschöpfliche Lebensfülle.
Fritz Koelles plastische Arbeiten sind wie
immer von vorzüglichem Niveau; besonders
überzeugend sein „Bildnis eines Arbeiters",
glänzend in der Charakteristik, ruhige, schöne
Form, hervorragend im Materialgefühl (Bronze).
— Nun zu den Hessen. Sie halten sich zwischen
den Vertretungen der beiden deutschen Kunst-
metropolen recht gut. Ich glaube sogar, daß
man in ihren Sälen einem der wenigen „Ereig-
nisse" der Ausstellung begegnet. Das sind die
beiden „Aktkompositionen" des jungen Gottfried
Richter (Offenbach). Freilich ist vieles an die-
sen Bildern noch Versprechen, Ansatz, Zukunft.
Man bemerkt gelegentlich Unbeholfenheiten der
Zeichnung, Ungleichheiten, Improvisationen in
der Mache. Aber was will das heißen bei einem
blutjungen Menschen, der kaum eine Schule
genossen hat und aus dessen ungeberdiger
Jugendkraft gleichwohl eine Malerei so reiner
und starker Rasse herausblüht, daß man vor ihr
wie vor einem Naturereignis steht? Wie Gott-
fried Richter ein Weiß malerisch ausdeutet, wie
er bei schmalen Ton-Intervallen doch kraft- und
phantasievoll vorgeht, wie er schimmernde
Fleischtöne neben samtiges Schwarz und Braun
stellt, das ist aller Achtung und Aufmerksamkeit
wert. Es ist eine Malerei, die unmittelbar aus
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