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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 70.1932

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M., W.: Stilgefühle
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https://doi.org/10.11588/diglit.7201#0093

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MAXIM KOPF —PRAG. TEIL EINES GEMÄLDES »NACH DEM BADE«

STILGEFÜHLE. Kunststile vergehen, aber
die Grundgefühle, von denen sie lebten,
existieren fort und kommen immer wieder ein-
mal zum Vorschein. Wer dürfte behaupten, daß
es Rokoko nur in jener Epoche der französi-
schen und europäischen Kunst gebe, die im
engeren Sinn die Rokokozeit heißt? Ist es nicht
schon reinstes Rokoko, was der alte Homer
aufbaut, wenn er durch den Mund des Sängers
Demodokos die pikante Historie von Ares und
Aphrodite erzählt? Verwandte Züge gibt es
in hellenistischer Kunst, im Mittelalter, und
schließlich sieht man in neuer und neuester
Kunst das Lächeln, die hüpfenden Rhythmen

des Rokoko immer wieder auftauchen. So kommt
das Barocke nicht nur in der Barockzeit vor,
sondern schon am Ausgang des Mittelalters,
das Gotische nicht nur in der Gotik, sondern
auch weit außerhalb des europäischen Raumes,
das Klassische nicht nur in der Blütezeit der
Antike oder in der Renaissance oder in „klassi-
zistischen" Stilperioden, sondern oft als ver-
sprengter Einzelfall.—Denn „Stile" leben jedes-
mal von einer bestimmten menschlichen Grund-
haltung, und was sich durch die Stilgeschichte
hin bewegt, ist nichts andres als der Mensch,
der sich in den zahlreichen Möglichkeiten seines
Fühlens und Weltverstehens entfaltet. . . w. w.

XXXV. Mai 1932. 4.
 
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