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M. K1SL1NG
GEMÄLDE
»KNABEN-
BILDNIS«
DER MALER M. KISLING
VON ALBERT DREYFUS
Erst jetzt läßt sich rückblickend, vergleichend
feststellen, daß die französische Malerei
um die Jahrhundertwende mit Namen wie
Cezanne, Renoir, Toulouse-Lautrec,
Gauguin, Degas eine Gipfelfülle er-
reichte, wie kaum zuvor, jedenfalls nicht seit-
her. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts
ist eine Abnahme an Kraft, an überragenden
Talenten zu spüren, Zersetzungserscheinungen
werden überall sichtbar, Erneuerungsversuche
haben keinen nachhaltigen Erfolg, lösen aber
oft scharfe Reaktion aus. Kein Meister mehr,
der seine Epoche in der Hand hätte!
Gerade in dieser Vorkriegszeit war es für
fremde Künstler verlockend, sich in Paris
anzusiedeln. Sie fanden eine Musterkarte
von Formeln vor, die es ihnen nicht schwer
machte, sich pariserisch zu gebärden, sich in
der Dämmerung, die in der Kunst herrschte,
mitleuchten zu fühlen. Wie viele aber unter
ihnen haben nur die Brosamen aufgelesen, die
die Großen des vergangenen Jahrhunderts übrig
gelassen hatten, haben das bißchen Eigenart,
das sie von Hause mitbrachten, verschwen-
derisch in Liebedienerei und Routine verloren!
— Nicht alle aber sind von Paris behext und
XXXV. August 1932. 1.
M. K1SL1NG
GEMÄLDE
»KNABEN-
BILDNIS«
DER MALER M. KISLING
VON ALBERT DREYFUS
Erst jetzt läßt sich rückblickend, vergleichend
feststellen, daß die französische Malerei
um die Jahrhundertwende mit Namen wie
Cezanne, Renoir, Toulouse-Lautrec,
Gauguin, Degas eine Gipfelfülle er-
reichte, wie kaum zuvor, jedenfalls nicht seit-
her. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts
ist eine Abnahme an Kraft, an überragenden
Talenten zu spüren, Zersetzungserscheinungen
werden überall sichtbar, Erneuerungsversuche
haben keinen nachhaltigen Erfolg, lösen aber
oft scharfe Reaktion aus. Kein Meister mehr,
der seine Epoche in der Hand hätte!
Gerade in dieser Vorkriegszeit war es für
fremde Künstler verlockend, sich in Paris
anzusiedeln. Sie fanden eine Musterkarte
von Formeln vor, die es ihnen nicht schwer
machte, sich pariserisch zu gebärden, sich in
der Dämmerung, die in der Kunst herrschte,
mitleuchten zu fühlen. Wie viele aber unter
ihnen haben nur die Brosamen aufgelesen, die
die Großen des vergangenen Jahrhunderts übrig
gelassen hatten, haben das bißchen Eigenart,
das sie von Hause mitbrachten, verschwen-
derisch in Liebedienerei und Routine verloren!
— Nicht alle aber sind von Paris behext und
XXXV. August 1932. 1.