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H. ERFURTH
- DRESDEN
»MÄDCHEN
-KOPF«
INTENSITÄT UND WIRKUNG
Es war immer so: die Wirkung eines Kunst-
werks ermißt sich am aktuellsten daraus,
wieviel darüber geschrieben oder gesprochen
wird. Das mag alle jene verstimmen, die des
Glaubens sind, daß man Bilder nicht bereden,
sondern nur schauen dürfe. Ein nicht ungefähr-
licher Glaube, denn allzuleicht schleicht sich in
ihn die Überzeugung ein, daß ein Maler dumm
sein müsse, um gut malen zu können. Denn
dieses müssen doch wohl auch die ärgstenFeinde
des „Bilder-Beredens" zugeben, daß es nicht die
„Geistlosigkeit" einer Malerei ist, die zum Dar-
über - Schreiben lockt. Tatsächlich stößt das
echte Kunstwerk eben über seine ureigenste
Sphäre hinaus und zwingt dadurch auch andere
Sphären des Geistes, also z. B. die begriffliche
zur Stellungnahme. Gerade dieses Oszillieren
zwischen den Erkenntnissphären, in diesem Fall
also zwischen der rein anschaulichen und der
begrifflichen Sphäre des Erkennens, macht ja
den höheren Genuß geistiger Aneignung der
Welt aus. Nehmen wir also die übervielen Aus-
lassungen über Kunst geduldig in Kauf und be-
greifen sie als eine der möglichen Wirkungen
des künstlerischen Schaffens. Die andern Wir-
kungsmöglichkeiten wollen wir dabei wahr-
haftig nicht übersehen. Sie alle zusammen be-
stärken unsere Überzeugung von der faszinie-
renden Macht, welche die künstlerische Per-
sönlichkeit auf ihre Zeit ausüben kann.
Dies Faszinierende einer Künstlerpersönlich-
keit gründet nun aber meist in einem existen-
tiellen Zug des Schaffens. Es läßt sich nicht mit
Worten beweisen. Es ist eine Sache des In-
stinkts, ihn zu spüren. Im Fall der Kunst sogar
Sache eines doppelten Instinkts: eines künst-
lerischen und eines rein lebensmäßigen. Ich
meine die Intensität eines Schaffens.
Unglückselige Zeiten, da man ursprünglichste
Ausdrücke erst wieder reinigen muß von der
giftigen Zeitpatina, um mit ihnen sich wesent-
lich erklären zu können. Intensität: dank des
H. ERFURTH
- DRESDEN
»MÄDCHEN
-KOPF«
INTENSITÄT UND WIRKUNG
Es war immer so: die Wirkung eines Kunst-
werks ermißt sich am aktuellsten daraus,
wieviel darüber geschrieben oder gesprochen
wird. Das mag alle jene verstimmen, die des
Glaubens sind, daß man Bilder nicht bereden,
sondern nur schauen dürfe. Ein nicht ungefähr-
licher Glaube, denn allzuleicht schleicht sich in
ihn die Überzeugung ein, daß ein Maler dumm
sein müsse, um gut malen zu können. Denn
dieses müssen doch wohl auch die ärgstenFeinde
des „Bilder-Beredens" zugeben, daß es nicht die
„Geistlosigkeit" einer Malerei ist, die zum Dar-
über - Schreiben lockt. Tatsächlich stößt das
echte Kunstwerk eben über seine ureigenste
Sphäre hinaus und zwingt dadurch auch andere
Sphären des Geistes, also z. B. die begriffliche
zur Stellungnahme. Gerade dieses Oszillieren
zwischen den Erkenntnissphären, in diesem Fall
also zwischen der rein anschaulichen und der
begrifflichen Sphäre des Erkennens, macht ja
den höheren Genuß geistiger Aneignung der
Welt aus. Nehmen wir also die übervielen Aus-
lassungen über Kunst geduldig in Kauf und be-
greifen sie als eine der möglichen Wirkungen
des künstlerischen Schaffens. Die andern Wir-
kungsmöglichkeiten wollen wir dabei wahr-
haftig nicht übersehen. Sie alle zusammen be-
stärken unsere Überzeugung von der faszinie-
renden Macht, welche die künstlerische Per-
sönlichkeit auf ihre Zeit ausüben kann.
Dies Faszinierende einer Künstlerpersönlich-
keit gründet nun aber meist in einem existen-
tiellen Zug des Schaffens. Es läßt sich nicht mit
Worten beweisen. Es ist eine Sache des In-
stinkts, ihn zu spüren. Im Fall der Kunst sogar
Sache eines doppelten Instinkts: eines künst-
lerischen und eines rein lebensmäßigen. Ich
meine die Intensität eines Schaffens.
Unglückselige Zeiten, da man ursprünglichste
Ausdrücke erst wieder reinigen muß von der
giftigen Zeitpatina, um mit ihnen sich wesent-
lich erklären zu können. Intensität: dank des