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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 70.1932

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Hardenberg, Kuno von: Der gedeckte Tisch: Ausstellung der deutschen Werkstätten in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7201#0114

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DEUTSCHE WERKSTÄTTEN-MÜNCHEN »TEETISCH MIT WEISSEM PORZELLAN«

polierte Mahagonitischplatte als Untergrund
und Träger des Speisegeräts. Nur Teller, Gläser
und Bestecke jedes einzelnen Gedecks sind
mit zierlich durchbrochenen Deckchen unter-
legt, während sich Karaffen, Blumengläser und
Fruchtschalen in dem dunklen Glanz der Politur
spiegeln dürfen. Das hat einen großen Zauber!
Ein solcher Frühstückstisch erscheint gewisser-
maßen in einem koketten Neglige, das der
Tageszeit und dem Tageslicht gerecht wird
und ihn nicht über seine Bedeutung als Träger
einer sekundären Mahlzeit hinaus steigert. Er
ist gewissermaßen nur Komperativ des mor-
gendlichen Frühstückstisches und gestattet dem
abendlichen Diner der Superlativ zu sein. Natür-
lich fehlt auch nicht der gedeckte Tisch für
das deutsche Abendessen. Er ist in einem an-
genehm beschaulichen Stil gehalten und lädt
freundlich zu einfachen Genüssen, sachlich,
oder wie man vielleicht besser sagt, technisch
in sich vollkommen.

Der Nachmittagsteetisch, den werktätigen
Herren der Schöpfung ein meist nicht realisier-
bares Tages - Intermezzo, dafür aber bei der
Frauenwelt um so beliebter, ist selbstverständ-
lich auch am Platze. Er zeichnet sich durch

leichte Duftigkeit aus, den blumigen Teegeistern
so recht angepaßt. Mit ihm vereint erscheint
natürlich auch sein unerläßlicher Adjutant, der
fahrbare Teetisch, der nun schon so lange treu
bewährte.

Im großen Ganzen wird die Ausstellung der
Deutschen Werkstätten München dem ausge-
sprochenen Hang unserer Zeit nach Einfach-
heit und Schlichtheit in bewunderungswürdiger
Weise gerecht. Aller einst so beliebte Aufwand
an figürlichen Tafelaufsätzen in Metall und Por-
zellan, an gestickten Decken und Deckchen,
alle Überladenheit von Ornamenten und Zier-
raten auf Bestecken und Geräten, alle uner-
freuliche Überfülle von nutzlosen Kleinigkeiten
jeder Art — ist verschwunden, es gibt keine
bedeckten Tische mehr, es gibt endlich
wirklich gedeckte Tische, und das ist sicher-
lich ein wundervolles Ergebnis der Münchener
Ausstellung.

Schade nur, daß unsere Künstler und Möbel-
techniker noch kein Tischlein-deck-dich er-
finden konnten, ein Tischlein-deck-dich für
unsere arme Zeit. Dann wäre die Ausstellung
bei Gott das größte Ereignis des Jahrhunderts
geworden.........GRAF KUNO v. HARDENBERG.
 
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