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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 70.1932

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Pfister, Kurt: Die Bildhauerin Ruth Schaumann
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https://doi.org/10.11588/diglit.7201#0146

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Die Künstlerin kam schon in jungen Jahren
nach München und hier hat Josef Wackerle
die Anfänge und Entfaltung ihrer zeichnerischen
und plastischen Begabung mit behutsamer Hand
gefördert. Nach vielen zeichnerischen Ver-
suchen hat sie sich der Bildnerei zugewandt
und im abgelaufenen Jahrzehnt zahlreiche pla-
stische Arbeiten in Holz, Bronze, Kunststein,
Terrakotta und Porzellan geschaffen.

Die Thematik dieser Arbeiten ist dem
religiösen Vorstellungskreis ent-
nommen: Heilige und Engel, die Maria der Ver-
kündigung und die Madonna, die den toten
Christus birgt, der Nährvater Josef, Grabmäler,
die in Erinnerung an die Symbolik der früh-
christlichen Katakomben die sanfte Musik der
seligen Sphären aufklingen lassen. Man kann
gewiß, wenn die Gestaltung christlicher Themen
in der zeitgenössischen Kunst zur Frage steht,
den zurückhaltenden Vincent van Gogh
verstehen, der einen schon geschaffenen Chri-
stus am Ölberg vernichtete, weil er ihm nicht
genügte, und einen Versuch Gauguins in dieser
Richtung nachdrücklich ablehnte. „Ich bewun-
dere durchaus nicht den „Christus im Oliven-
garten" von Gauguin, von dem er mir eine

Zeichnung schickte . . . ich fürchte nur, daß ich
von biblischen Kompositionen anderes ver-
lange. . . Nein, in ihre biblischen Deutungen
habe ich mich nie gemischt. Ich sagte, Rem-
brandt, Delacroix hätten dies wundervoll ge-
macht und ich liebte das mehr als die Primi-
tiven; aber damit Schluß. Wenn ich hier bleibe,
werde ich nicht versuchen, Christus im Oliven-
garten zu malen, vielmehr die Olivenernte, so
wie man sie noch sieht, und wenn ich darin die
wahren Verhältnisse der menschlichen Gestalt
auffinde, so kann ich dabei an jenes denken. Ehe
ich nicht ernstere Studien als bisher mache, bin
ich nicht berechtigt, mich darein zu mischen..."

Man kann aber auch, wie diese Künstlerin
es tut, die entgegengesetzte Wegrichtung ein-
schlagen: die Visionen der christlichen Offen-
barung und eines metaphysischen Jenseits-
glaubens in die sichtbaren Formen des Bild-
werkes zu gießen. Eine so aus tiefen Urgrün-
den emporgewachsene religiöse Kunst wird
nicht nur den Gläubigen der Kirche Andacht
und Erbauung schenken, sie wird auch darüber
hinaus dank des ihr innewohnenden Lebens-
gefühls der anima naturaliter christiana ein
Gleichnis und Bild des Ewigen bedeuten können.
 
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