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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 70.1932

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Born, Wolfgang: Das "wachsende" Haus: Arbeiten des Ateliers Oberbaurat Josef Hoffmann - Prof. Oswald Haerdtl und des Architekten Erich Boltenstern, Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.7201#0159

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rung) festgesetzt. — Das Haus von Ober-
baurat Hoffmann und Professor
H a e r d t 1 präsentiert sich als streng ge-
schlossene Masse, die nur nach der Garten-
seite zu durch eine Fensterwand mit vor-
gelagerter überdachter Terrasse aufgelockert
wird. Die Straßenfront ist durch einen Anbau
verlängert, der als Schutz für ein Sonnenbad
gedacht ist. Mit Rücksicht auf die Tatsache,
daß die Parzellen der Kleinsiedler in der Regel
sehr schmal sind, ist das Haus auf spätere Auf-
stockung berechnet. An der Straßenfront liegen
nebeneinander Vorraum, Toilette, Kellerab-
gang, Küche und Bad. Die Gartenfront wird
von einem großen Raum eingenommen, der
gleichzeitig zum Wohnen wie zum Schlafen
dient und an der einen Querwand mit Klapp-
betten ausgestattet ist. Tagsüber sind die Bett-
stellen unter einer Schrankwand verborgen. Im
zweiten Bauabschnitt ist das Haus bereits
fertig. Das Erdgeschoß dient dann ausschließ-
lich Wohnzwecken, während der Oberstock
drei Schlafräume enthält. Das Bad wird eben-
falls nach oben verlegt. Anstatt der Bettstellen
wird der Wandschrank des Wohnraumes den
inzwischen angewachsenen Hausrat der Fa-
milie enthalten. Das von Säulen getragene Vor-
dach der Terrasse ist bei Durchführung des
Aufbaues als begehbarer Balkon ausgestattet.

Die Ausführung war an die Bedingung ge-
bunden, daß die einzelnen Teile als Werk-
stätten-Arbeit herzustellen seien, so daß auf
dem Bauplatz nur die Montierung vorgenommen
zu werden braucht. Die Mauern bestehen aus
einem Holzskelett mit beiderseitiger Heraklith-
Verkleidung. Außen- und Innenwände sind ver-
putzt. Der Wohnraum ist weiß (mit leichtgrün-
lichem Ton) gestrichen. Die Sitzmöbel sind rot
lackiert, Kästen und Tische in naturfarbig be-
lassenem Okume-Holz ausgeführt. Baderaum,
Küche und Toilette sind mit geschliffenen Eter-
nitplatten ausgelegt. Die Heizung wird durch
einen Kamin mit Einsatzofen bestritten.

Der künstlerische Charakter der Gesamt-
lösung ist heiter und leicht. Die schlanken Pro-
portionen der Veranda bereiten schon auf die
Vertikaltendenz des ausgebauten Zustandes
vor. Die bescheidenen Ausmaße des Ganzen
(die Grundfläche beträgt 39 m'J) werden nirgends
fühlbar. Das Bauwerk atmet eine Freiheit, die
sich dem Bewohner wohltuend mitteilt.

Das Haus des Architekten B o 1 t e n-
stern ist im Gegensatz zu dem im Vorstehen-
den beschriebenen Gebäude auf einen Ausbau
in die Breite berechnet. Das Kernhaus enthält
einen Hauptraum von 4 X 6 m, welcher durch
einen Vorhang in einen Schlaf- und Wohnteil
gegliedert wird. Bad und Küche sind in Nischen
untergebracht. Die Küche, deren Entwurf von

einer Mitarbeiterin des Architekten Bolten-
stern, Frau Ada Gomperz, stammt, ist nach
dem Prinzip eingerichtet, daß alle zur Speisen-
bereitung notwendigen Arbeiten mit einem
Mindestmaß von Gehbewegungen und Hand-
griffen geleistet werden können. Unter der Ar-
beitsplatte befindet sich ein fahrbarer Küchen-
tisch mit ausziehbarer Gemüseputzlade, welcher,
herausgerollt und zwischen Herd und Arbeits-
platte gestellt, eine vergrößerte und ringsum
geschlossene Arbeitsfläche schafft. Ein Dreh-
stuhl gibt der mit den Küchenarbeiten beschäf-
tigten Person die Möglichkeit, die notwendigsten
Geräte und Behältnisse zu erreichen, ohne auf-
zustehen. Als Badegelegenheit dient eine Sitz-
wanne moderner Konstruktion.

Die Zusammenfassung aller Wohnbedürfnisse
in einen Raum setzt eine durchdachte Ordnung
voraus. Der Grundriß zeigt in richtiger Er-
kenntnis des Wesens der Aufgabe eine strenge
Dreiteilung in Wohnen, Schlafen (An- und Aus-
kleiden, Waschen) und Wirtschaft. Bei der Be-
schränktheit der zur Verfügung stehenden
Bodenfläche bot die Unterbringung der Möbel
eine nicht zu unterschätzende Schwierigkeit.
Der Architekt hat infolgedessen für geräumige
Stellflächen Vorsorge getroffen. Insbesondere
hat er durch eine verhältnismäßig hohe Anlage
der Fenster den darunter liegenden Platz für
die Unterbringung von Schreibgelegenheit und
Bibliothek gewonnen. Aus dieser Anordnung
ergab sich zwanglos die Reihung der Fenster
— ein Motiv, das dem ganzen Bau sein Ge-
präge verleiht. Die äußere Erscheinung des
Hauses erhält infolge der breiten Fensteran-
lage einen horizontalen Zug, der von vorn-
herein den Baugedanken der künftigen Bau-
phasen ausdrückt. Für die Wirkung des Innen-
raums war die Breite der Lichtquelle eben-
falls von Bedeutung. Eine ganz bestimmte
Note, eine Abkehr von dem Wesen des Stadt-
zimmers, läßt sich unschwer herausfühlen. Das
kleine Häuschen gibt sich mit einer gewissen
Betonung als Landhaus. Dem entspricht auch
die Behandlung der Decke, die nicht ge-
strichen, sondern mit Holz ausgelegt ist. Erich
Boltenstern verwendet dazu sogenannte Paneel-
platten (besonders dicke Sperrholzplatten], und
die Wärme dieses Materials ist ihm ein will-
kommener Faktor, um ein trotz aller Schlicht-
heit und Strenge der Formen anheimelndes
Milieu zu schaffen. Auch die Möbel sind teil-
weise aus dem gleichen Werkstoff angefertigt.

Für die Planung des Hauses war die Über-
legung entscheidend, daß es sich der jeweiligen
Lage leicht anpassen müsse. Rücksicht auf
Sonne und Windrichtung, auf Ausblick und
Bodengestalt spielen bei dem Bau von Klein-
häusern eine besonders große Rolle. Zweifel-
 
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