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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 70.1932

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Frank, Josef: Die Werkbundsiedlung - internationale Ausstellung Wien 1932
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https://doi.org/10.11588/diglit.7201#0238

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Beispiel für eine planmäßig angelegte Siedlung
sein kann, bei der man mit viel weniger Typen,
die auch wenigstens in ihren Bau - Elementen
viel weitgehender typisiert sein müßten, aus-
kommen würde. Der unregelmäßige Bauplatz
und die sehr verschiedenen Häuser bedingen
ein individuelles Eingehen auf ein jedes und des-
halb macht die Siedlung viel eher den Eindruck
eines gewachsenen Städtchens als den einer
planmäßigen Anlage.

Aber durch diese fast zufällige Zusammen-
stellung von einander unabhängig entworfener
Häuser kann der Beschauer eines deutlich er-
kennen: wir haben bereits einen
neuen Stil. Das übliche Durcheinander un-
serer Villenstädte ist verschwunden. Der ge-
suchte Individualismus jedes einzelnen Häus-
chens besteht nicht mehr. Der gemeinsame
Wille, etwas Einheitliches zu schaffen, genügt,
um hier ein harmonisches Bild zu ergeben, wie
wir es an älteren Städten immer wieder schät-
zen und bewundern. Die Entwicklungszeit eines
halben Jahrhunderts hat also das erreicht, was
damals zielbewußt angestrebt worden ist.

Das Programm des Einfamilienhauses
hat sich seit längster Zeit nicht verändert. Es
sind heute noch dieselben Forderungen da, wie
zur Zeit seiner Entstehung, und was neu hinzu-
gekommen ist, wurde lediglich durch neue tech-
nische Einrichtungen bedingt, die im einzelnen
verschiedene Kleinigkeiten umgeändert haben.
Auch neue Baustoffe und die moderne Technik
konnten zu seiner Entwicklung nur wenig bei-
tragen. Die alten Typen haben sich bewährt;
womit aber nicht gesagt sein soll, daß nun eine
Normierung des Hausbaus die notwendige Folge
ist: denn die Variationsmöglichkeit innerhalb
des bestehenden Programms ist eine ungeheure.
Es liegt dies im Wesen eines als richtig aner-
kannten Typus, daß sich der Wert oder der
Unwert eines jeden Einzelfalls immer wieder
nur in Kleinigkeiten ausdrückt. Diese werden
in der Regel durch die örtlichen Umstände, die
Lebensgewohnheiten und schließlich auch durch
die beiden entgegengesetzten Gründe: das Be-
harren am Gewohnten und der Freude an der
Abwechslung bestimmt. Vieles, was früher ein-
mal durch heimatliche Bauweisen bedingt war,
ist heute unnötig geworden, und es ist viel
leichter als ehedem aus bestimmten Gegenden
in andere zu verpflanzen.

Unsere Zeit mit ihrem großen Pathos neigt
leider wieder oft dazu, das Kleinhaus zum
Kunstwerk zu „erheben". Dies ist selbstver-
ständlich seiner Brauchbarkeit sehr schädlich
und die vielen Versuche, die in diesem Sinn ge-
macht worden sind, haben wohl manches Mal
sehr reizvolle Erfolge gehabt, stehen aber außer-
halb der Entwicklung. Denn bei keiner anderen

Hausart muß in gleichem Maß von jedem Vor-
urteil abgesehen werden. Auch was die Ein-
richtung des Kleinhauses anbelangt, so hat
sich diese prinzipiell nicht geändert. Es hat sich
hier auch der Grundsatz durchgesetzt, daß alle
Kastenmöbel eingebaut werden. Das, was frei-
steht, ist aber in keiner Weise einheitlich oder
bildet ein harmonisches Ganzes. Immer wieder
können neue Stücke dazukommen oder weg-
genommen werden, ohne daß damit der Cha-
rakter eines Hauses geändert wird. Einheit-
liches Material und einheitliche Farben würden
diesem Grundsatz widersprechen. Es sind dies
Grundsätze, die immer bestanden haben und
immer bestehen werden. Aber —: „Alles Ver-
nünftige" — sagt Goethe — „ist schon einmal
gedacht worden. Man muß nur versuchen, es

noch einmal zu denken."......JOSEF FRANK.



In der Werkbundsiedlung sind sämtliche Grös-
senordnungen vertreten, vom Kleinhaus bis
zum geräumigen Familienwohnhaus. Die Wohn-
einheiten sind in der Regel zwanglos zu grös-
seren oder kleineren Gruppen zusammengefaßt,
um die bau- und wärmewirtschaftlichen Vor-
teile der geschlossenen Bebauung nach Mög-
lichkeit auszunützen; doch ist auch eine Anzahl
freistehender Häuser vorhanden, die sich aus
der Eigenart von Planung und Geländegestal-
tung ergeben. Bei mannigfaltigster Grundriß-
lösung ist die vom Standpunkte des Gesamt-
bildes wesentliche Einheit der Anlage durch
das allen Gebäuden gemeinsame Merkmal des
flachen Daches gewahrt.

Als Baumaterial wurden erstklassige Klein-
formatziegel verwendet, wobei die 32 cm star-
ken Umfassungsmauern eine 7 cm breite Luft-
isolierung erhalten, so daß sie wärmetechnisch
einer 45 cm starken Vollwand entsprechen; da-
gegen sind die gemeinsamen Feuermauern an-
einandergebauter Objekte 25 cm starke Voll-
wände. Die Fundamente wurden aus Beton her-
gestellt, ebenso die Kellerdecken und begeh-
baren Dachterrassen. Sämtliche Keller sind wag-
recht und senkrecht gegen eindringende Nässe
verläßlich abgedichtet. Zwischen den einzelnen
Stockwerken befinden sich Einschubdecken mit
Schlackenbeschüttung bzw. Betondecken.

Die begehbaren Dachterrassen wurden nach
dem besten derzeit bekannten Verfahren aus-
geführt, so daß sie höchste Wettersicherheit
und Widerstandsfähigkeit besitzen. Die nicht
begehbaren Dachflächen sind ebenfalls unbe-
dingt wasserdicht und haltbar.

Der Grob- und Feinverputz wurde einheit-
lich aus bestem Material dauerhaft und wasser-
abweisend hergestellt; die Färbung der ein-
zelnen Objekte erfolgte auf Angabe des Werk-
bundes nach künstlerischen Gesichtspunkten.
 
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