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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 70.1932

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Zimmermann, Hermann K.: Stil und Qualität
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https://doi.org/10.11588/diglit.7201#0302

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wieviel von diesen Elementen ihm angeboren
oder zu eigen geworden ist; seine künstlerische,
wieviel davon er seinen Gestaltungen mitgibt.
Wo künstlerische Qualität entsteht, bildet sich
deshalb zugleich — und ungewollt — ein Stil,
nämlich ein Ausdruck einer zeitlichen und
räumlichen Entstehungssphäre, und damit etwas
allgemein Symbolisches, Vorbildhaftes.

Der Sinn eines Vorbildes kann jedoch nicht
darin bestehen, daß es nach gebildet werden
soll, sondern nur darin, daß es w e i t e r gebildet
wird. Es will kein Schema sein, sondern ein
Wegweiser. Ein Zeichen, das die Wege zeigt,
auf denen Qualität entstehen kann. Was man
„Stil" nennt, kann daher niemals die Stabilität
eines Zustandes sein, sondern immer nur
die Richtung einer Bewegung. Die Richtung,
in der das Weiterbilden sich vollzieht.

Die Mitläufer und Nachahmer sind es, die
einen Stil wollen, nämlich als Zustand. Und
die ihn folglich verfehlen müssen. Was sie her-
vorbringen, ist die Mode. Mode ist das Er-
zeugnis einer Gesinnung, die einen von der
Bemühung um Qualität geschaffenen Stil ohne
diese Bemühung „auswerten" möchte, durch

halbverstehende Nachahmung oder sinnlose
Verallgemeinerung; oder auch Erzeugnis des
geistigen Unvermögens, in einem Stil nur den
Schritt zu erkennen, dem weitere Schritte in
immer weiterer Bemühung folgen müssen, wenn
wieder Qualität und Stil entstehen sollen.

Aus der Einmaligkeit der Qualität folgt, daß
ihre Erscheinungsform jedesmal neu wirkt. Es
folgt aber nicht umgekehrt, daß das Neu-Wir-
kende immer Qualität besitzt. Modernität der
äußeren Formen kann über das Wesen eines
Werkes täuschen. Es kommt auf seine „innere
Form" an, auf den Geist, der in dem Ganzen
lebt. Aber dieser Geist, also der Charakter
einer Entstehungsspbäre, kann nicht von ihm
selbst, nicht in ihr selbst erkannt und gedeutet
werden, sondern nur aus einer genügend großen
Entfernung des Raumes oder der Zeit. Nur erst
in zwanzig oder vielleicht fünfzig Jahren wird
der „Stil" unserer Zeit sich definieren lassen.
Die Gegenwart, wenn sie entscheiden will, ob
ein Kunstwerk zeitgemäß ist oder nicht, oder
ob es etwa als Erzeugnis einer Mode nur modern
scheint, ist allein auf ihr Urteil über seine
Qualität angewiesen.....H.K.ZIMMERMANN

ERWIN VON KREIB1G - MÜNCHEN. TEMPERA-GEMÄLDE »MADCHEN IM PARK«
 
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