WALLGEBIET
Seit dem beginnenden 13. Jh. war die Stadt
Braunschweig mit ihren fünf städtischen
Weichbilden, dem herzoglichen Burgbereich
und der Klosterfreiheit St. Aegidien von ei-
nem geschlossenen Mauerring und einem
Wassergraben umgeben. Dieser Befesti-
gungsgürtel ist der sich weiter entwickelnden
Belagerungs- und Angriffstechnik folgend
ständig verstärkt und erweitert worden, bis
nach Einnahme der Stadt durch die vereinig-
ten welfischen Truppen 1671 der neue Stadt-
herr Herzog Rudolf August den Umbau des
alten Verteidigungsringes in eine moderne
Festungsanlage nach französischem Vorbild
in Angriff nahm. Zwischen 1692 und 1740
wurde diese Neuanlage nach dem Vauban’-
schen System als ein die Stadt umgebender
Stern von 16 spitz zulaufenden Bollwerken
errichtet, die von einem breiten Wassergra-
ben umflossen waren, in dem zwischen den
Bollwerken ebenfalls spitz nach außen wei-
sende befestigte Inseln (Ravelins) lagen, die
abgetreppt aufgeschüttet und zum Teil mit
Mauerwerk verfestigt waren. Diese Stern-
schanzenform, die in später leicht abgeän-
derter, aber immer noch markanter Zick-
Zack-Linie bis heute von den beiden die
Stadt umfließenden Okerarmen nachge-
zeichnet wird, ist ein auffälliges Charakteristi-
kum des Braunschweiger Stadtgrundrisses
und als verbliebener Rest der ehemaligen ba-
rocken Festungsanlage Baudenkmal.
Das aufwendige und ständig reparaturbe-
dürftige System aus Bollwerken und Rave-
lins sowie die wegen ihrer geringen Tiefe und
Fließgeschwindigkeit oft verschlickten und
trocken fallenden Wasserflächen wurden für
die Stadt zu einer ständig drückender wer-
denden finanziellen Belastung. Die großen
Reichweiten der neuen Feuerwaffen, gegen
die das Verteidigungssystem schon bald kei-
nen hinreichenden Schutz mehr bot, die um-
ständliche Verkehrslenkung durch enge Tore
und über lange hölzerne Zugbrücken beim
Betreten und Verlassen der Stadt sowie die
Einschnürung der wachsenden und in das
Umland expandierenden Stadt, führten nach
nur dreißigjähriger Nutzung dieser unter der
Leitung des Festungsbaumeisters Johann
Kaspar Völcker entstandenen Bastionärsbe-
festigung schon 1769 zu ihrer Aufgabe. In der
Folge verfielen die Bollwerke und Uferbefesti-
gungen schnell und wurden als Garten- und
Weideland genutzt, so daß es noch vor 1800
zu den ersten Überlegungen kam, die Ge-
samtanlage zu schleifen und eine Neugestal-
tung des gesamten Wallgürtels nach moder-
nen städtebaulichen Gesichtspunkten in An-
griff zu nehmen.
PROMENADENRING
Im November 1801 berief Herzog Carl Wil-
helm Ferdinand eine „Wall-Demolierungs-
Kommission“, von der die Abbrucharbeiten
überwacht und der Verkauf der neu gewon-
nenen Grundstücke betrieben wurden, mit
dessen Erlös wiederum die kostspieligen Ab-
brucharbeiten finanziert werden konnten. Die
Ausführung lag zunächst in den Händen des
Ingenieur-Hauptmannes Culemann, der im
Nordwesten, im Bereich des Inselwalles und
im Süden am Bruch- und Kalenwall mit der
Schleifung der Bastionen begann. Von Cule-
mann stammt die Gestaltung des Wallstük-
kes zwischen dem Gaußberg im Norden und
der längsrechteckigen Platzfläche im Nord-
westen, auf der ehemals das Petritor stand
und an dem die von Nordwesten heranfüh-
rende Celler Straße die Stadt erreichte. Die
gewundene, auf Culemann zurückgehende
Straßenführung des im 19.Jh. Petritor-Pro-
menade und heute Inselwall genannten Ab-
schnittes zeigt im Vergleich mit den geradlini-
gen, auf eingeebneten Flächen die Stadt um-
ziehenden übrigen Wallstraßen ein abwei-
chendes, sich mehr den Geländegegeben-
heiten unterwerfendes Gestaltungsprinzip.
Der auch als Organisationsleistung sehr um-
fassenden und komplizierten Aufgabe des
Umbaues der Wallgebiete scheint Culemann
Ansicht der Stadt Braunschweig von Osten, um 1770, Kupferstich von A. A. Beck
199
Seit dem beginnenden 13. Jh. war die Stadt
Braunschweig mit ihren fünf städtischen
Weichbilden, dem herzoglichen Burgbereich
und der Klosterfreiheit St. Aegidien von ei-
nem geschlossenen Mauerring und einem
Wassergraben umgeben. Dieser Befesti-
gungsgürtel ist der sich weiter entwickelnden
Belagerungs- und Angriffstechnik folgend
ständig verstärkt und erweitert worden, bis
nach Einnahme der Stadt durch die vereinig-
ten welfischen Truppen 1671 der neue Stadt-
herr Herzog Rudolf August den Umbau des
alten Verteidigungsringes in eine moderne
Festungsanlage nach französischem Vorbild
in Angriff nahm. Zwischen 1692 und 1740
wurde diese Neuanlage nach dem Vauban’-
schen System als ein die Stadt umgebender
Stern von 16 spitz zulaufenden Bollwerken
errichtet, die von einem breiten Wassergra-
ben umflossen waren, in dem zwischen den
Bollwerken ebenfalls spitz nach außen wei-
sende befestigte Inseln (Ravelins) lagen, die
abgetreppt aufgeschüttet und zum Teil mit
Mauerwerk verfestigt waren. Diese Stern-
schanzenform, die in später leicht abgeän-
derter, aber immer noch markanter Zick-
Zack-Linie bis heute von den beiden die
Stadt umfließenden Okerarmen nachge-
zeichnet wird, ist ein auffälliges Charakteristi-
kum des Braunschweiger Stadtgrundrisses
und als verbliebener Rest der ehemaligen ba-
rocken Festungsanlage Baudenkmal.
Das aufwendige und ständig reparaturbe-
dürftige System aus Bollwerken und Rave-
lins sowie die wegen ihrer geringen Tiefe und
Fließgeschwindigkeit oft verschlickten und
trocken fallenden Wasserflächen wurden für
die Stadt zu einer ständig drückender wer-
denden finanziellen Belastung. Die großen
Reichweiten der neuen Feuerwaffen, gegen
die das Verteidigungssystem schon bald kei-
nen hinreichenden Schutz mehr bot, die um-
ständliche Verkehrslenkung durch enge Tore
und über lange hölzerne Zugbrücken beim
Betreten und Verlassen der Stadt sowie die
Einschnürung der wachsenden und in das
Umland expandierenden Stadt, führten nach
nur dreißigjähriger Nutzung dieser unter der
Leitung des Festungsbaumeisters Johann
Kaspar Völcker entstandenen Bastionärsbe-
festigung schon 1769 zu ihrer Aufgabe. In der
Folge verfielen die Bollwerke und Uferbefesti-
gungen schnell und wurden als Garten- und
Weideland genutzt, so daß es noch vor 1800
zu den ersten Überlegungen kam, die Ge-
samtanlage zu schleifen und eine Neugestal-
tung des gesamten Wallgürtels nach moder-
nen städtebaulichen Gesichtspunkten in An-
griff zu nehmen.
PROMENADENRING
Im November 1801 berief Herzog Carl Wil-
helm Ferdinand eine „Wall-Demolierungs-
Kommission“, von der die Abbrucharbeiten
überwacht und der Verkauf der neu gewon-
nenen Grundstücke betrieben wurden, mit
dessen Erlös wiederum die kostspieligen Ab-
brucharbeiten finanziert werden konnten. Die
Ausführung lag zunächst in den Händen des
Ingenieur-Hauptmannes Culemann, der im
Nordwesten, im Bereich des Inselwalles und
im Süden am Bruch- und Kalenwall mit der
Schleifung der Bastionen begann. Von Cule-
mann stammt die Gestaltung des Wallstük-
kes zwischen dem Gaußberg im Norden und
der längsrechteckigen Platzfläche im Nord-
westen, auf der ehemals das Petritor stand
und an dem die von Nordwesten heranfüh-
rende Celler Straße die Stadt erreichte. Die
gewundene, auf Culemann zurückgehende
Straßenführung des im 19.Jh. Petritor-Pro-
menade und heute Inselwall genannten Ab-
schnittes zeigt im Vergleich mit den geradlini-
gen, auf eingeebneten Flächen die Stadt um-
ziehenden übrigen Wallstraßen ein abwei-
chendes, sich mehr den Geländegegeben-
heiten unterwerfendes Gestaltungsprinzip.
Der auch als Organisationsleistung sehr um-
fassenden und komplizierten Aufgabe des
Umbaues der Wallgebiete scheint Culemann
Ansicht der Stadt Braunschweig von Osten, um 1770, Kupferstich von A. A. Beck
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