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form in beispielhafter Weise erhalten. Über
einem tonnengewölbten Keller erhebt sich der
siebenachsige stockwerkweise abgezimmerte
Fachwerkbau mit mittigem Zwerchhaus. Alle
Vorkragungen des um 1650 errichteten Baues
sind nicht weit ausladend. Wie das angren-
zende Nachbargebäude Nr. 4 ist die Fassade,
die bis um die Mitte des 19. Jh. vollständig ver-
putzt war, durch symmetrisch angeordnete
kurze Fußbänder, durch wandhohe K-Verstre-
bungen in den Eckgefachen sowie durch Hän-
gezapfenmotive, die jeweils in die Brustriegel
unterhalb der Fenster eingezapft sind, geglie-
dert. Aus den Eckständern herausgearbeitete
plastische Halbsäulen auf Postamenten gren-
zen den Bau ab.
Ein für Münden einzigartiges Dokument stellte
der Fachwerkbau Lange Straße 82 dar, nach-
dem man seine Fassade 1978 von Putz und
Tünche befreite. Zum Vorschein kam eine mar-
morisierende Fassadenmalerei, eine Art Illu-
sionsarchitektur, wie sie fast ausschließlich in
Süddeutschland während der Renaissance-
und Barockzeit sehr beliebt war. Sie unter-
streicht die Bedeutung und Wertigkeit des sog.
„Marmorhauses”, das seitdem zu den vielbe-
achteten Beispielen Mündener Fachwerkbau-
kunst zählt. Die eine Marmorarchitektur vortäu-
schende Fassade ist auf Holz- und Lehmstei-
nen gemalt und überzieht die gesamten Gefa-
che einschließlich der Gebälke. Der in die ge-
schlossene Zeilenbebauung der Lange Straße
eingebundene fünfachsige, traufenständige
Bau ist stockwerkweise abgebunden mit nur
gering auskragenden Oberstöcken. Im letzten
Drittel des 19. Jh. wurde das Zwerchhaus zu
einem dritten Vollgeschoß erweitert. Wie die
Inschrift auf der Stockschwelle des 1. Oberge-
schosses, die als lateinisches Distichon abge-
faßt ist, verrät, wurde das prächtige Haus 1685
erbaut. Bei Freilegung der Fassade stieß man
auf Reste ehemaliger Ecksäulen, die nach zeit-
genössischen Mündener Vorlagen nachgear-
beitet wurden. Leider wird der Gesamteindruck
der Repräsentationsfassade durch die großfor-
matigen Schaufenstereinbauten im Erdge-
schoß erheblich beeinträchtigt.
Der dreigeschossige, stockwerkweise abge-
zimmerte und mit fünfachsigem Zwerchhaus
versehene Fachwerkbau Vorder Burg 19/Syde-
kumstraße knüpft weitgehend an die Fassa-
dengestaltungen der Bauten Ziegelstraße 4, 6
an. Kurze, paarweise angeordnete Fußbänder
in den Brüstungsgefachen werden von wand-
hohen K-Verstrebungen im Eckbereich einge-
faßt, die sich zu einem symmetrischen Fassa-
denaufbau verbinden. Die rückwärtige Trauf-
seite des exponiert gelegenen, wohl um 1720
errichteten Baues ist durch Behang verdeckt.
Die 1734 von der Stadt Münden erbauten und
Berchtesgadener Emigranten auf Erbzins über-
lassenen Bauten Ägidienkirchplatz 4, 6, 8 im
südöstlichen Teil des Stadtkerns sind charakte-
ristisch für die Fassadengestaltung der 1. Hälfte
des 18. Jh. Über niedrigem Sandsteinquader-
sockel erhebt sich der zweigeschossige,
stockwerkweise abgebundene Fachwerkbau
mit außermittigem Zwerchhaus. Eine kaum ak-
zentuierte leichte Vorkragung, die kurzen Fuß-
bänder sowie die fast wandhohen Eckstreben
gliedern die schlichten Fassaden.




Kiesau 17, Ansicht, EG-Grundriß, Detail, Stadtarchiv Münden (Bauaufnahme O. Budde, um 1920)


Lange Straße 82, sog. „Marmorhaus”, 1685, Ansicht

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