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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 2) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19017#0067
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kirche, der um 1340 beginnt, unter hundert
italienischen Gewändern nicht ein einziger
romanischer Stoff vorhanden ist. Sie müssen
also damals auch im Norden bereits aus dem
Handel verschwunden gewesen sein,

F. Romanische Seidenstoffe aus
Paris und Regensburg.

VonVersuchen, die Seidenweberei in den
Ländern diesseits der Alpen anzusiedeln, wird
ausdemhohenMittelaltersehrwenigberichtet.

NurfürPansistderBestandeinerSeidenweber?
zunft während des 13. Jahrhunderts durch ein
unzweideutiges Statut, die Ordenance du me?
stier des ouvriers de drap de soye de Paris
vom Jahr 1260 urkundlich erwiesen.1)

Aber es fehlt fast jeglicher Anhalt, um
unter den erhaltenen Geweben französische
Arbeiten herauszufinden; werden doch
selbst die Lilienmuster, bei denen man zu*
erst an Paris denken möchte, auch in fran?
zösischen Quellen als luccanisch anerkannt.2)

Es gibt zwar in verschiedenen Sammlungen, auch in Berlin, einen verblichenen Seiden?
damast, der das offenbar unitalienische Ornament einer französischen schon von Willemin3)
veröffentlichten, aber nicht unbedenklichen Kupferschmelzplatte ganz getreu wiedergibt
(Abb. 297). Der Stoff erweist sich jedoch, ganz abgesehen von der hohen Unwahrscheinlichkeit
einer absolut genauen Musterübertragung vom Schmelzwerk in die Weberei oder umgekehrt,
durch die überfeine, ganz unmittelalterliche Textur als eine merkwürdige Fälschung des
19. Jahrhunderts. Damit ist als pariser Drap de soie also kein Staat zu machen. Dennoch
gibt es eine Stoffgattung, die mit großer Wahrscheinlichkeit für Paris zu beanspruchen ist. Das
Stift Klosterneuburg bei Wien bewahrt einige ansehnliche Stücke von grünen Goldbrokaten,
die dort als Reste der Gewänder des Babenberger Markgrafen Leopold des Heiligen 1136)
verehrt werden. Sie zeigen auf sehr dicht gewebtem Seidengrund in Darmgoldfaden drei
verschiedene Muster: das reichste besteht aus etwa handgroßen Papageien und langstieligen
Weinblättern, dazwischen kleineren Hähnen, Hasen und unbestimmbaren Vögeln (Abb. 298);
das andere aus ähnlich gezackten dreilappigen Blättern zwischen ebenso langgestielten Lilien,
dazu Vögel und Sterne; auf dem dritten sind in besterntem Grund überreich befloßte Fische
ins Kreuz gestellt (Abb. 299 und 300). Auch in der Berliner Stoffsammlung ist die Gattung
mit drei Mustern vertreten, davon sind zwei mit handgroßen Greifen, Lilien, Weinblättern
und Sternchen wieder in Gold auf blaßgrün (Abb. 301),4) eins mit Greifen in Silber auf
blau gewebt. Weitere Fragmente sind im Textilmuseum von Lyon und im Cluny5) vor?
handen. Textur, Einzelmotive und Stil sind mit den Klosterneuburger Stücken so voll?

l) Gay, Glossaire S. 582; Franc. Michel I S. 95.

-') Gay, Glossaire S. 573, Compte roy. vom Jahre 1317: Draps de Lucques sur champ adzure ouvrez
ä fleurs de Iis d'or.

3) Monuments inedits I, T. 108.

l) Cox T. 17, I; Katalog Miquel y Badia T. 17, fig. 33.

') Venturi V, fig. 815.

Abb. 297. Gefälschter Seidendamast mit frühgotischem Muster.
19. Jahrh. Kgm. Berlin.

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