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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 2) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19017#0104
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sischen Seidenstoffe mit den längsgespaltenen Lotusranken (vgl. Abb. 331 bis 333) zeigt ein
blauer Damast aus El Azam (Abb. 366), dessen arabische Inschriften wieder eine sichere
Datierung auf die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts enthalten. In den Lotusblüten der
oberen Reihe steht „Sieg unserm Herrn dem Sultan dem König dem Sieger", in der unteren
der Name des Sohnes Sultan Kalauns: Muhammed ibn Kalaun Nasir ed dunja wa eddin
(Beschützer der Welt und der Religion).

Nach dem Tode dieses prachtliebenden Sultans (~j~ 1340) werden die Seidenstoffe aus
Ägypten oder Syrien seltener. Man braucht daraus nicht notwendig auf einen Verfall der
Seidenweberei unter den tscherkessischen Mamluken zu schließen; die günstigere Lage und
Zunahme des italienischen Gewerbes genügten allein, die orientalischen Erzeugnisse vom
europäischen Markt allmählich abzudrängen. Auch mochten die westsarazenischen Stoffe
um 1400 und späterhin, als Europa sich an den bilderreichen Mustern der Gotik erfreute,
dem Abendland weniger begehrenswert erscheinen, weil sie damals auf das belebende
Element der Tiermotive verzichteten. Während in Persien unter den unmittelbar fort?
wirkenden Eindrücken aus Ostasien der Naturalismus je näher der Sefidenzeit desto freier
sich entfaltet, um schließlich mit den landschaftlichen Darstellungen des Tierlebens in der
Buchmalerei und den erzählenden Figurenstofien aus der Zeit Abbas des Großen nach
1600 seinen Höhepunkt zu erreichen, pflegt die syrisch ? ägyptische Kunst des 15. Jahr?
hunderts, vielleicht in bewußtem Gegensatz zum schiitischen Osten, eine rein ornamentale
Richtung. Daher hat dieser Kunstkreis von Geweben des 15. Jahrhunderts nur Seiden?
damaste hinterlassen, deren Muster sich ausschließlich aus Lotuspalmetten und Arabesken?
ranken zusammensetzen, womit sich zuweilen arabische Inschriften verbinden. Hierher ge?
hört der blaue Damast mit großen Lotusblüten in Spitzovalen Tafel 122 a und ein Danziger
Altarbehang aus grünem Damast, dessen Lotusblüten als Herzstück Moscheelampen ent?
halten (Abb. 367). Die ansehnlichsten Denkmäler der Gattung sind ein gelber Chormantel
im Dom zu Brandenburg und zwei Chormäntel, einer grün, einer gelb in Halberstadt. Den
letzteren im Muster nächstverwandt ist ein Atlasstoff des S. Kens. Museums, von dessen
Inschriften das übliche „Ruhm unserm Herrn dem Sultan" und der Name des Sultans
Kaitbai (1468—1496) gelesen wurden (Abb. 368). Bald danach findet die mittelalterliche
Entwicklung der westislamischen Kunst mit der Eroberung von Syrien und Ägypten (1517)
durch die Osmanen ihren Abschluß.

D. Spanische Seidenstoffe.

Die Seidenweberei Spaniens ist vom 13. Jahrhundert ab nicht mehr so uneingeschränkt
dem westislamischen Kunstkreis zuzurechnen, wie das für das hohe Mittelalter zutraf. Der
größte Teil der Halbinsel war wieder in christlichen Händen und nur im Königreich Gra?
nada hatte der Islam sich unabhängig erhalten können. Eine erhebliche Schädigung scheint
der Rückgang der Maurenherrschaft für das Seidengewerbe nicht mit sich gebracht zu haben.
Die Ausfuhr der Gewebe war noch im 15. Jahrhundert, wie die Bestände der Danziger
Marienkirche zeigen, sehr beträchtlich und dem spanischen Rohstoff blieb der alte Ruf ge?
treu; bei der Ausführung der Rafaelteppiche in Brüssel wurde die Verwendung von Seide
aus Granada ausbedungen. Einen schroffen Bruch mit der Sarazenenkunst bedeutete die
Rückeroberung des Landes keineswegs; im Mudejarstil lebte das arabische Ornament wäh?
rend des späten Mittelalters fort und grade in der Seidenweberei sind sicherlich maurische
Untertanen der christlichen Könige in größter Zahl noch tätig gewesen. Vielleicht sind sie
sogar die Hauptträger des Gewerbes geblieben.

Dennoch bringen sich schon im 13. Jahrhundert die besonderen Wünsche der christ?
liehen Spanier in heraldischen Mustern zur Geltung. Der päpstliche Schatz besaß nach dem

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