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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 2) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19017#0204
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Seitdem die^ Musterbildung sich unab?
hängig vom Orient vollzieht, kommen darin
die gleichzeitigen Stilwandlungen der euro?
päischen Kunstentwicklung deutlicher zum
Ausdruck, als während des Mittelalters. Doch
behält das Weberornament noch immer sein
besonderes Gepräge. Aus den allgemein?
gültigen Zierformen des Zeitstils hat es nur
sehr wenig übernommen; die Grottesken
der italienischen Renaissance oder des fran?
zösischen Barock, das Muschelwerk des
Rokoko sucht man in den Seidenstoffen
vergebens. Solchen Entlehnungen steht eben
immer der Wesensunterschied zwischen
plastisch ?tektonischen Formen und rappor?
tierenden Flachmustern im Wege. Erst im
späten 18. Jahrhundert, als der fortschrei?
tende Naturalismus bei plastisch gedachten
Mustern anlangte, wurden die Grenzen der
beiden Kunstgebiete soweit verwischt, daß
die Dekorationsmotive des Stils Louis XVI
ohne erhebliche Veränderungen in die Seiden?
weberei übergehen konnten (vgl. T. 305 a, e,
307a, b, Abb. 598).

A. Italienische und spanische
Seidenstoffe der Renaissance
und des Barockstils.

Im 16. Jahrhundert blieb Italien noch
unbestritten das erste Seidenland Europas.
Der Seidenbau wuchs und gedieh, nament?
lieh in Venetien, Piemont und der Lom?
bardei; im Besitz ausreichenden heimischen
Rohstoffs breitete die Weberei sich aus und
kam nun auch in einer Menge kleinerer
Städte zur Blüte, die mit den schlichten und
billigen Stoffen ihr Auskommen fanden,
welche der zunehmende Massenbedarf des
Mittelstandes verlangte. Den Kunstbetrieb
hielten die alten Seidenstädte mit bewährter
Tradition fest; Venedig, Florenz, Mailand,
Genua, Lucca und Bologna werden immer
wieder als die Heimat der Goldstoffe, Samte,
Damaste und sonstigen kostbaren Gattungen
genannt. Welche Stoffe den einzelnen Städten
zukommen, ist nicht herauszufinden; nur
lassen sich ein paar Mustergruppen mit spät
nachwirkender Gotik für Venedig, andere

Abb. 556. Spanischer Renaissancestoff mit osmanischen Blumen.
S. Kensington Museum.

als Ausläufer der Frührenaissancestoffe für

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