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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 2) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19017#0092
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arabische Inschrift in den Rosetten zwischen den Löwen verdunkelt worden. Die erste
Veröffentlichung des Stoffes durch Fischbach1) brachte eine Übersetzung von Karabacek:
„Verfertigt hat der Meister Abdul Aziz dieses Feierkleid in seiner Fabrik für Wilhelm II".
Gemeint war der Normannenkönig Wilhelm II von Sizilien (f 1189). Wie man sieht,
eine sehr genaue Auskunft, nur etwas viel für die wenigen Worte des Originals. Diese
Lesung hat unendliche Verwirrung angestiftet und ist mit Anlaß gewesen, daß man die von
China beeinflußten oberitalienischen Seidenstoffe des 14. und 15. Jahrhunderts nach Pa*
lermo und ins hohe Mittelalter versetzte. Als Besitzer nach dem König Wilhelm sollte der
Erbe Siziliens Kaiser Heinrich VI die Gewänder nach Regensburg gestiftet haben. So
wandelten sich die vier Kasein und Dalmatiken mählich in einen „Kaisermantel" oder in
die ,,Heinrichsgewänder". Der letztere Ausdruck ist wieder Anlaß gewesen, daß die Stoffe
gelegentlich sogar auf den Gönner Regensburgs, Kaiser Heinrich II (i~ 1024) zurückgeführt
worden sind. Seither haben jedoch zuverlässige Orientalisten die Übersetzung nachge?
prüft2) und festgestellt, daß überhaupt nur die Worte „Gemacht hat es Meister Abdul
Aziz" eingewebt sind; alles Weitere war, milde gesagt, freie Erfindung.

Die aus Gold* und Silberriemen gewebten Muster Tafel 111b, c (Abb. 337) sind einem
quer über die Brust der vorgenannten Dalmatik (Abb. 335) laufenden Streifen entnommen.
Die viereckigen Felder enthalten Abschnitte ornamentaler Inschriften großen Maßstabs,
Scheiben mit kleinen Fischen, Rautennetze, Rosetten und in den Einfassungen jene lockeren
Bandknoten (Tschang), die gleich den Fischen zu den acht buddhistischen Glückszeichen ge*
hören.3) An mehreren Stellen sind arabische Inschriften angebracht, von denen nur einige
Floskeln „dauernder Ruhm und Stärke" lesbar scheinen. Im Übrigen sind sie so entstellt
und verstümmelt, daß ein der arabischen Schrift unkundiger Weber vorauszusetzen ist.
Die Vermutung, daß in den Quadraten von Tafel 111c „aus Bagdad" stünde, läßt sich nicht
aufrecht erhalten.

Klar und deutlich gezeichnet sind dagegen die arabischen Aufschriften einer anderen
Gruppe der Regensburger Gewänder, welche die Dalmatik Abb. 338 veranschaulicht. Auf
hellblauem, blaßrotem, schwarzem und hellgrünem Grund füllen hier Rosetten, Lotus*
blüten, geometrische Netzmuster, Schildkröten, Rehe und Löwen die Abschnitte der Breit*
streifen, durch die regelmäßig wiederkehrende Inschrift „Ruhm und Sieg und Stärke"
unterbrochen (Abb. 339, 340, 341). Von ganz gleicher Arbeit, Riemengold und schwarzer
Seidenschuß, hellblauer und ziegelroter Atlasgrund, nur einfacher in den geometrischen
Mustern der Schmalstreifen ist die Kasel des Braunschweiger Museums Abb. 342; ihr ara*
bischer Spruch besagt: Ruhm unserm Herrn dem Sultan, lang währe seine Herrschaft.4)
Auch das Baseler Fragment Tafel 112 b trägt in Textur und der geometrischen Streifen*
musterung alle Kennzeichen dieser chinesischen Ausfuhrstoffe des 14. Jahrhunderts, und
bloß das Nachwirken der falschen Wilhelmsinschrift hat in der Tafelbeschreibung die Da*
tierung auf das 12. Jahrhundert veranlaßt. Die Bestimmung des Fonghoangstoffes Tafel
112a hat noch unter demselben Irrtum gelitten; es ist eine italienische Nachbildung der
eben besprochenen chinesischen Gattung und führt uns bereits nach dem Westen hinüber.

C. Islamische Seidenstoffe.

Die Tatsache, daß in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts Ostasien und zugleich
das unter mongolischer Herrschaft stehende ostmuslimische Gebiet, Iran im weitesten Sinn

') Fischbach, Ornamente der Gewebe 1874, T. 144 und Textband: Geschichte der Textilkunst 1883, S. 71.

2) Auch J. Braun, Liturg. Gewandung S. 188, Anm. 2.

!) Bushell, Chinese art II S. 55.

') Die Lesung der Inschrift „Izz l'mülänä as^sultän Khalada mulkuh" verdanke ich Herrn Dr. Kühnel.

1' a 1 k e , Seidenweberei. C*7 11 8
 
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