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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 2) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19017#0185
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Abb. 525. Bildausschnitt, Meister von Flemalle 1. Hälfte 15. Jahrh.

Galerie Frankfurt M.

zu einer symmetrischen Einheit
verbunden werden.

Bei dem großen Maßstab der
Samtbrokatmuster fällt ihre auf?
steigende Richtung so stark ins
Auge, daß sie vornehmlich als
Wand* oder Behangstoffe entwor?
fen zu sein scheinen. Von den alte?
sten Stücken abgesehen, füllt immer
ein Rapport allein die Gewebebahn
in der ganzen Breite und in der
Senkrechten erreicht er manchmal
eine Höhe von zwei Metern. Daher
wirkt jede Bahn für sich wie ein
Pilaster. Man sieht, wie sich sofort
eine architektonische Empfindung
einstellt, wo die abendländische
Musterzeichnerei selbständig vor?
geht. Nach den Bildern der Zeit
und der Menge der erhaltenen Meß*
gewänder haben die riesigen Ab?
messungen der Muster und die

starre Textur dennoch die ausgedehnteste Verwendung in der geistlichen und weltlichen
Tracht keineswegs unterbunden; sogar eng anliegende Frauenkleider sind daraus gefertigt
worden. Die allerschwerste und üppigste Bindung, dazu ein Muster größten Maßstabes,
über zwei Meter hoch, weist eine Kasel des Brandenburger Doms auf, die aus einem weit?
liehen Gewand des brandenburgischen Schwanenordens verschnitten ist (Abb. 523). Ob?
wohl die Masse des verwebten Edelmetalls in späterer Zeit einen großen Teil der Gold?
stoffe in den Schmelztiegel trieb, ist doch noch ein sehr reicher Bestand in Stoffsammlungen
(z. B. Carrand und Franchetti im Bargello, Brüssel, Berlin) und Kirchen vorhanden. In
Deutschland sind die Kirchenschätze von Brandenburg, Danzig, Halberstadt und Xanten
am besten versehen. Das Museum in Bern besitzt Prachtstücke ersten Ranges, die übrigens
weniger aus der Burgunderbeute von Granson und Murten, als vielmehr aus dem Lausanner
Domschatz herstammen.

Die Entwicklung dieser Stoffgattung läßt sich in großen Zügen von den zahllosen
und oft täuschend genauen Darstellungen auf Bildern des 15. und 16. Jahrhunderts ablesen.
Die Stoffmalerei ist auch für die vorausgehende Zeit ein nützliches Hilfsmittel der Textil?
künde. Aber auf absolute Treue darf man bei den Malern von Trecentomustern in der
Regel nicht rechnen. Sie haben manches Beiwerk unterdrückt und sich vornehmlich an die
Hauptmotive gehalten. Es gibt dafür ein ganz lehrreiches Beispiel. Die Wiener Stoffsamm?
lung besitzt ein Stück des Originalstoffes (Abb. 524), den der Meister von Flemalle für den
Hintergrund seines Frankfurter Marienbildes benutzt hat (Abb. 525). Die Löwen und
Bandrollen sind getreu wiederholt, die losen Ranken jedoch zu einem geschlossenen Netz
versteift. Diese Änderung muß wohl von dem Maler herrühren, da die Seidenstoffe selbst
für eine solche Felderteilung keine Analogie enthalten.

Das erste datierte Beispiel eines Goldsamtes mit Schrägranken großen Maßstabes ist
der Mantel des singenden Engels auf dem Genter Altar der Brüder van Eyck. Seine Zeich?
nung steht dem venezianischen Brokat Abb. 512 am nächsten, in der Ausführung gleicht
er den ebenfalls stilverwandten Goldsamten Tafel 225 und Abb. 519. Spielarten des letzteren

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