114 Kuno von Raben
Liebe zu einem Jüngling zieht ein Heer39) von Zweifeln,
Aengstlichkciten und Wünschen in ihr Herz ein, da bleibt kein
Raum für die Liebe eines Zweiten. Daher Wehe mir und dir
und Wehe uns Beiden, wenn einst eine verspätet nachhinkende
Reue Deinen Schwur nachheulen füllte36)! Tu warst ein Kind
der Trunkenheit, als Tu schwurest, wehe uns, wenn Du jemals
wieder nüchtern werden follteft37)!
Und sie zog einen mit Rubinen, Saphyren, Smaragden
und Amethysten übcrsäcten Ring sachte aus ihrem Busen, und
steckte ihn dem automatischwilligen Ritter mit sanfter Gewalt an
den erstarrten Ringfinger seiner Rechten, Kuno, seines Bewußt-
seins nunmehr wieder vollkommen mächtig, ließ, was er nun
einmal nicht mehr ändern konnte, willig über sich ergehen,
und begann:
„Schöne Heidin, so ehrenvoll mir Ihr Antrag einer ehe-
lichen Verbindung ist, und so hoch ich Sie von jeher geachtet
habe, so schmerzlich ist es mir, Ihnen Dero obengenannte schmei-
chelhafte Proposition desavouiren zu müssen, da in Europa, wo
ich etablirt bin. und eine höchst ehrenvolle Stellung als Ritter
bekleide, — eine geliebte und edle Gattin, geborne Freiin von
Bogelstein, und drei in genannter Ehe bereits erzielte Sprossen,
— ein Junker und zwei Fräuleins, — in mir ihren Gatten und
Vater sehnsuchtsvollst zu erwarten, die gesetzliche Berechtigung
haben! Mit dieser Versicherung und mit der Bitte, mir recht
bald die erwünschte Gelegenheit zu geben, Ihnen auf eine andere
beliebige Art gefällig sein zu können, empfehle ich mich und die
Meinigen Ihrer ferneren Geiv ogenheit und gütigcmWohlwollen!"
Und abermals fiel Fatimc ihm in die Rede: „O, wenn es
sonst nichts ist3S), was Dich ängstigt, holder Ungläubiger, so
sei guten Muthes. Mein Vater hat bereits siebenundzwanzig
Frauen39) und kauft sich vielleicht am nächsten Markttage noch
ein Dutzend dazu, wenn es ihm Vergnügen macht; um wie viel
weniger darf Ich alsdann Anstand nehmen'9), von Deinem
Heldenarm beschützt'"), meinem Vater zu entfliehen, der, unter
uns gesagt, ein grimmiger Tyrann ist, — und in Deinem
Baterlande Europa Deine zweite Gattin zu werden''9)! Willst
Tu aber nicht, bleicher Feigling, ha, so erzittere vor meiner
fürchterlichen Rache, die ich an Dir alsdann zu nehmen ge-
zwungen^3 *) bin! Meinem Vater entdecke ich dann Alles, und
Er, wie schon oben gesagt wurde, — ein Tyrann des teuflischsten
Kalibers, wenn sich günstige Gelegenheit dazu beut, — wird
meine edle Schwäche, Dich verkannt zu haben, in Deinem
giaurischen Blute") haarsträubend zu ahnden, zu rächen, zu
sühnen wissen. Jetzt wähle'9)!"
35) Ueber Aufbebung der stehenden Heere" von Pr.F.Wohlmann. S. 25.
36) Götze's „Vierstimmige Männergesänge." Pag. 14.
37) „Hymens Paradies" von Gauß. „S- 340.
38) „Lehrbuch der Gynäkologie " II. Bd. S. 19.
39) lieber gemischte Ehen, undderenRückwirkungaiifStaatundWelt."
S. 3.
40) I)o Grenaillis „L’honeste mariage.“ P. 27—28.
41) „Allgemeiner Codex der Gendarmerie." Pag. 51.
42) Pr. Gleich's „Naturheilverfahren." S. 64.
43) M- Pflaum s Entwurf einer neuen peinlichen Gesetzgebung." S. 240.
44) Hufeland's „Kunst, das menschliche Leben zu verlängern." II. Th-
45) „Offenes Sendschreiben an unsere Urwähler." S. 48.
ck, der Verfehmte.
„Ha, nun erkenne ich Dich erst ganz, Du edle Seele, die >
Du mehr für mich thust, als ich jemals zu hoffen berechtigt
war!" stöhnte Kuno im taumelnden Gefühle übersprudelnder
Seligkeit; „ja, Fatime Ayxa la Hora! nicht umsonst lehrte mich
der alte Benno, der ehrwürdige Greis, daheim auf der Burg
meiner Väter, von zwei liebeln stets das kleinere zu wählen'9),
— ja, Tu sollst die Meine sein, — ich kann ja nicht anders")!"
In halber Ohnmacht verschwimmend, starrte Fatimens Auge ihn
an. Unauflöslich schlangen sich ihre Arme um seinen Nacken,
— ihre edlen Seelen schmolzen in Eins zusammen.
„Meine Gattin!" — seufzte Kuno, — „gegen den
Strom kann man nicht schwimmen!"
„Mein Gemahl, mein Sultan'9)! Auf nach Europa!"
lispelte Fatime, hoch erröthend, das Auge in Thräuen der
Wonne gebadet'9).
Drittes Kapitel.
„Die bretterne Kammer
Der Todren erbebt,
Wenn zwölf Mal den Hammer
Die Mitternacht hebt.
Rasch tanzen um Gräber
lind morsches Gebein
Wir luftigen Schwober
Den sausenden Reihn."
„Höre nur, Emma, wie arg heute unser Burggeist wie-
derum rumort')", sprach die schöne Bertha von Rabeneck, gc-
borne Freyin von Vogelstein, zu ihrer Kammerjungfer; „wenn
es nur kein Unheil bedeutet für meinen edlen Herrn in Pa-
lästina. Er hat mir schon seit letzten Lichtmessen nicht mehr
geschrieben -')."
Alles war still in dem, vom flackernden Scheine eines
Lämpchens matt erhellten, einfach, aber geschmackvoll meublirten
Gemache. Man konnte den Holzwurm im alten eichenen
Getäfel picken hören.
Draußen aber brauste ein ungestümer Nord durch die
Klüfte des Burgfelsens, daß die alte Eulcubrut, jählings auf-
geschreckt, ihr gewohntes Klagelied3) mit dem des Uhus und
Käuzleins vereinigte, die ihr Nest droben in den Lucken des
Wartthurmes gebaut hatten'). Ter Mond goß in gcbrochnen
Strahlen sein fahles Licht5) auf die blanken Fensterscheiben des
Schloßes. Im Thurme schlug cs Eilf Uhr, das schreckliche Sig-
nal für die Erdenbewohner, wo die Geister ihre Grüfte ver-
lassen9), um auf ihren ehemaligen Tummelplätzen klagend her-
46) E. Lessing's „Briefe, antiquarischen Inhalts." S. 68.
47) „Der Mann von Gefühl, mit Kupfern." S. 4.
48) I. Döllinger's „Muhameds Religion." S. 787.
49) Mayer's „Hausbad ohne Badwanne." S. 16.
1) Nork's „Existenz der Geister." S. 288.
2) „Freundschaftliche Briefe", S. 51 und L. Magalotti’s „Lettere
familiari.“ P. 88.
3) „Deutschlands Singvögel." 3ter Bd. S. 13.
4) Ewald's „Kunst, ein gutes Mädchen rc. zu werden." S. 33.
5) F. I. M. Biergans „Minnegedichte." S. 1—146.
6) Saal's „Wanderbuch für junge Handwerker." S. 46.
Liebe zu einem Jüngling zieht ein Heer39) von Zweifeln,
Aengstlichkciten und Wünschen in ihr Herz ein, da bleibt kein
Raum für die Liebe eines Zweiten. Daher Wehe mir und dir
und Wehe uns Beiden, wenn einst eine verspätet nachhinkende
Reue Deinen Schwur nachheulen füllte36)! Tu warst ein Kind
der Trunkenheit, als Tu schwurest, wehe uns, wenn Du jemals
wieder nüchtern werden follteft37)!
Und sie zog einen mit Rubinen, Saphyren, Smaragden
und Amethysten übcrsäcten Ring sachte aus ihrem Busen, und
steckte ihn dem automatischwilligen Ritter mit sanfter Gewalt an
den erstarrten Ringfinger seiner Rechten, Kuno, seines Bewußt-
seins nunmehr wieder vollkommen mächtig, ließ, was er nun
einmal nicht mehr ändern konnte, willig über sich ergehen,
und begann:
„Schöne Heidin, so ehrenvoll mir Ihr Antrag einer ehe-
lichen Verbindung ist, und so hoch ich Sie von jeher geachtet
habe, so schmerzlich ist es mir, Ihnen Dero obengenannte schmei-
chelhafte Proposition desavouiren zu müssen, da in Europa, wo
ich etablirt bin. und eine höchst ehrenvolle Stellung als Ritter
bekleide, — eine geliebte und edle Gattin, geborne Freiin von
Bogelstein, und drei in genannter Ehe bereits erzielte Sprossen,
— ein Junker und zwei Fräuleins, — in mir ihren Gatten und
Vater sehnsuchtsvollst zu erwarten, die gesetzliche Berechtigung
haben! Mit dieser Versicherung und mit der Bitte, mir recht
bald die erwünschte Gelegenheit zu geben, Ihnen auf eine andere
beliebige Art gefällig sein zu können, empfehle ich mich und die
Meinigen Ihrer ferneren Geiv ogenheit und gütigcmWohlwollen!"
Und abermals fiel Fatimc ihm in die Rede: „O, wenn es
sonst nichts ist3S), was Dich ängstigt, holder Ungläubiger, so
sei guten Muthes. Mein Vater hat bereits siebenundzwanzig
Frauen39) und kauft sich vielleicht am nächsten Markttage noch
ein Dutzend dazu, wenn es ihm Vergnügen macht; um wie viel
weniger darf Ich alsdann Anstand nehmen'9), von Deinem
Heldenarm beschützt'"), meinem Vater zu entfliehen, der, unter
uns gesagt, ein grimmiger Tyrann ist, — und in Deinem
Baterlande Europa Deine zweite Gattin zu werden''9)! Willst
Tu aber nicht, bleicher Feigling, ha, so erzittere vor meiner
fürchterlichen Rache, die ich an Dir alsdann zu nehmen ge-
zwungen^3 *) bin! Meinem Vater entdecke ich dann Alles, und
Er, wie schon oben gesagt wurde, — ein Tyrann des teuflischsten
Kalibers, wenn sich günstige Gelegenheit dazu beut, — wird
meine edle Schwäche, Dich verkannt zu haben, in Deinem
giaurischen Blute") haarsträubend zu ahnden, zu rächen, zu
sühnen wissen. Jetzt wähle'9)!"
35) Ueber Aufbebung der stehenden Heere" von Pr.F.Wohlmann. S. 25.
36) Götze's „Vierstimmige Männergesänge." Pag. 14.
37) „Hymens Paradies" von Gauß. „S- 340.
38) „Lehrbuch der Gynäkologie " II. Bd. S. 19.
39) lieber gemischte Ehen, undderenRückwirkungaiifStaatundWelt."
S. 3.
40) I)o Grenaillis „L’honeste mariage.“ P. 27—28.
41) „Allgemeiner Codex der Gendarmerie." Pag. 51.
42) Pr. Gleich's „Naturheilverfahren." S. 64.
43) M- Pflaum s Entwurf einer neuen peinlichen Gesetzgebung." S. 240.
44) Hufeland's „Kunst, das menschliche Leben zu verlängern." II. Th-
45) „Offenes Sendschreiben an unsere Urwähler." S. 48.
ck, der Verfehmte.
„Ha, nun erkenne ich Dich erst ganz, Du edle Seele, die >
Du mehr für mich thust, als ich jemals zu hoffen berechtigt
war!" stöhnte Kuno im taumelnden Gefühle übersprudelnder
Seligkeit; „ja, Fatime Ayxa la Hora! nicht umsonst lehrte mich
der alte Benno, der ehrwürdige Greis, daheim auf der Burg
meiner Väter, von zwei liebeln stets das kleinere zu wählen'9),
— ja, Tu sollst die Meine sein, — ich kann ja nicht anders")!"
In halber Ohnmacht verschwimmend, starrte Fatimens Auge ihn
an. Unauflöslich schlangen sich ihre Arme um seinen Nacken,
— ihre edlen Seelen schmolzen in Eins zusammen.
„Meine Gattin!" — seufzte Kuno, — „gegen den
Strom kann man nicht schwimmen!"
„Mein Gemahl, mein Sultan'9)! Auf nach Europa!"
lispelte Fatime, hoch erröthend, das Auge in Thräuen der
Wonne gebadet'9).
Drittes Kapitel.
„Die bretterne Kammer
Der Todren erbebt,
Wenn zwölf Mal den Hammer
Die Mitternacht hebt.
Rasch tanzen um Gräber
lind morsches Gebein
Wir luftigen Schwober
Den sausenden Reihn."
„Höre nur, Emma, wie arg heute unser Burggeist wie-
derum rumort')", sprach die schöne Bertha von Rabeneck, gc-
borne Freyin von Vogelstein, zu ihrer Kammerjungfer; „wenn
es nur kein Unheil bedeutet für meinen edlen Herrn in Pa-
lästina. Er hat mir schon seit letzten Lichtmessen nicht mehr
geschrieben -')."
Alles war still in dem, vom flackernden Scheine eines
Lämpchens matt erhellten, einfach, aber geschmackvoll meublirten
Gemache. Man konnte den Holzwurm im alten eichenen
Getäfel picken hören.
Draußen aber brauste ein ungestümer Nord durch die
Klüfte des Burgfelsens, daß die alte Eulcubrut, jählings auf-
geschreckt, ihr gewohntes Klagelied3) mit dem des Uhus und
Käuzleins vereinigte, die ihr Nest droben in den Lucken des
Wartthurmes gebaut hatten'). Ter Mond goß in gcbrochnen
Strahlen sein fahles Licht5) auf die blanken Fensterscheiben des
Schloßes. Im Thurme schlug cs Eilf Uhr, das schreckliche Sig-
nal für die Erdenbewohner, wo die Geister ihre Grüfte ver-
lassen9), um auf ihren ehemaligen Tummelplätzen klagend her-
46) E. Lessing's „Briefe, antiquarischen Inhalts." S. 68.
47) „Der Mann von Gefühl, mit Kupfern." S. 4.
48) I. Döllinger's „Muhameds Religion." S. 787.
49) Mayer's „Hausbad ohne Badwanne." S. 16.
1) Nork's „Existenz der Geister." S. 288.
2) „Freundschaftliche Briefe", S. 51 und L. Magalotti’s „Lettere
familiari.“ P. 88.
3) „Deutschlands Singvögel." 3ter Bd. S. 13.
4) Ewald's „Kunst, ein gutes Mädchen rc. zu werden." S. 33.
5) F. I. M. Biergans „Minnegedichte." S. 1—146.
6) Saal's „Wanderbuch für junge Handwerker." S. 46.