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34 Die Le

bekannten Schenke zu. Mein Vater war gerade kein Bücher-
Liebhaber, der Dichter aber wußte gleich den rechten Ton zu
treffen, indem er der lustigen Weingesellschaft das Lied vor-
deklamirte: „Frau Schnipsen hatte Korn im Stroh". Als er
unter allgemeinen Beifall geendet hatte, rief er: „Wer gibt
6 Batzen für das lustige Buch?" Der Stadtmusikus wollte
es darum behalten, mein Vater aber bot 30 kr.; zur großen
Freude des Schulmeisters ward der liebe Bürger auf 1 fl. 12 kr.
gesteigert, für welche er meinem Vater zugeschlagen ward. So
kam der Dichter in unser Haus, und mit ihm der Grund zu
mancher ehelichen Fehde.

II.

Mein Vater war bald ganz vernarrt in das Buch
oder eigentlich nicht in das Buch, sondern in die „Leonore."
Mit richtigem Takte hatte er bald diese Ballade als das Beste
des ganzen Inhaltes herausgefunden, das allein die 18 Batzen
werth sei, die das ganze Buch gekostet habe. Er hatte selbige
auch so oft gelesen, und zwar immer laut gelesen, bis er alle
32 „Verse" der Reihe nach auswendig hersagen konnte, was
bei einem Bäckermeister und Rathsherrn gewiß viel heißen will.
Aber mit bloßem Wiffen und Hersagen war's bei ihm nicht
abgethan, sondern die Leonore ward für ihn zu einem Kriterien
der Wahrheit, das für alle Fälle Rath und Auskunft enthielt
unv das er überall herbeizog, wie Sancha Pansa seine Sprüch-
Wörter.

Der poetische Schulmeister, ermuntert durch den guten
Erfolg der ersten Versteigerung, kam bald mit einem andern
Buche, „Hagedorns poetischen Werken», um es gleichfalls an
den Mann zu bringe». Der Hagedorn, meinte er, sei fast
noch über den Bürger, aber mein Vater wußte es bester.
„Was Hagedorn?" sagte er, „der muß nichts gewesen sein,
als so ein Luftibus und Windbeutel, auf den der Bürger gar
nichts gehalten hat; denn sagt er nicht ganz deutlich:

„Den Hagedorn durchsauft der Wind?"

Gegen dies Argument konnte der Antiquar nicht auf-
kommen.

Wurde ich Morgens geweckt, so geschah es immer mit
den Worten:

„Holla, holla, thu' auf mein Kind, schläfst, Liebchen, oder

wachst Du?"

onore.

und kam Nachts der Polizeidiener zum Abbieten der Gäste, so
ward er regelmäßig mit den Worten empfangen:

„Und horch, es brummt die Glocke noch,

Die Eilf schon angeschlagen!"

„Sechs Bretter und zwei Brettchen" war immer das
erste Wort, wenn Papa an die Backmulde trat. Zu seinem
Leidwesen bestand dieselbe zwar nur aus 3 Brettern und 2
Brettchen; als aber ein neuer Deckel darauf nöthig ward, er-
hielt Meister Hobel die bestimmteste Weisung, denselben aus
3 Brettstücken zusammenzusetzen, so daß dann wirklich das
Ideal: „6 Bretter und 2 Brettchen" erreicht war.

Die unserm Hause schräg gegenüberliegende Post gab
täglich zweimal Gelegenheit, das

„Hurre. hurre, hopp, hopp, hopp!

Ging's fort in sausendem Galopp"

anzubringen, wiewohl bei dem schlechten Pflaster bloß von hopp
hopp, hopp, entfernt aber nicht von Galopp die Rede sein konnte.

Wurde unser Haus, wie das manchmal der Fall war,
überlaufen von „fremden Bäckern, die um Arbeit ansprachen"
oder andern Reisenden, die in „Zehrpfennigen" machten, so
brach der Unmuth meines Vaters gewöhnlich in die Worte aus:
„Doch keiner war, der Kundschaft gab,

Von allen, so da kamen."

Mit Politik, insofern sie sich über die Brodtaxe hinaus
erstreckte, gab mein Vater sich nie ab. Wenn aber von seinen
Stammgästen der Polenkrieg, die orientalische Frage oder sonst
etwas verhandelt wurde, das ihm nicht ganz gefiel, konnte er
sich nicht enthalten, wenigstens halblaut vor sich hin zu murmeln:
„Geheul, Geheul aus hoher Luft!"

III.

Wie mein Vater bei seiner prosaischen Handthicrung auf
einmal zu solch' poetischer Weltanschauung sich erheben konnte,
ist mir nicht ganz klar. „Wer den Vater kennt, der weiß,
er Hilst den Kindern", sagte er oft, sich selbst entschuldigend,
und meinte damit seinen Vater. Mein Großpapa hätte näm-
lich dereinst auch de» Parnaß erstiegen (was noch heutigen
Tages aktenmäßig nachgewiesen werden kann), war aber von
seinem Zeitalter total mißkannt worden; denn er wurde wegen
eines aus den ersten Bürgermeister verfertigten Pasquills zu
25 Reichsthalern Strafe nebst Ausschließung ans dem Colle-
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Leonore"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Reiter <Motiv>
Nacht <Motiv>
Karikatur
Landschaft <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 21.1855, Nr. 485, S. 34

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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