Fliegende Blätter (21.1855 (Nr. 481-504))

Veränderlich, oder: Der Barometerstand. 45

I.

DerGastwirthDünnbier fiefit an einem Sonn-
tage früh um 6 Uhr auf das Wetterglas.

„Wie? Veränderlich? Ei' seh mir doch Einer das
dumme Ding an. Veränderlich! Und kein Wölkchen am
Himmel — 'List wirklich lächerlich, was so ein Glas lügen
kann. Ach die herrliche Luft, das gibt einen prächtig schönen
Tag. Zu dem Extraconcert wird heute Nachmittag mein
Garten gar nicht groß genug, um die Gäste alle zu fassen.

Ah! Mau läutet schon zur Kirche. Ei wie gern ging
ich heute, um Gott für das schöne Wetter zn danken, aber
ich habe noch zu viel zu thun: Cichorien unter den Kaffee zu
mischen, das Bier zu verdünnen, den Zucker zum Kaffee in
recht kleine Stückchen zu schlagen, damit er weiter reicht. Aber
ich werde dennoch ein sonntägliches Werk verrichten. — He!
Karl! Karl! Trage vor Allem einige Eimer Wasser in den
Keller zn den Biertonnen und dann bringe hier diesen Thalcr
in die Armenkaffe. Wenn sie fragen, von wem er sei, so
sagst Du: von einem frommeu Gastwirth als Dankschcrsiein
für das schöne Wetter, das uns der liebe Gott Heut' bc-
scheert hat.

Kein Wölkchen! Kein Lüftchen! Herrlich! Prächtig! Und
das dumme Wetterglas will veränderliche Witterung andeuten?
Ich bin so vergnügt, daß ich das Ding gleich iu den Hof
hinabwerfcn muß. Juchhe! Heisa! Pautz! Bumms! da licgt's!

(Er wirft das Wetterglas in den Hof, wo cs in tausend
Stücke auseinanderbricht.)

(Mittags 12 Uhr. Bewölkter Himmel.)

Sich! sich! Einige Wölkchen! Aber das hat noch keine
Gefahr, das Wetter wird dennoch aushalten und die Wolken
dienen nur dazu, die Hitze etwas zu vermindern. Frau, laß
noch einige Dutzend große Kuchen backen; ich fürchte, wir reichen
nicht mit unserm Borrathc.

(Nachmittags 2 Uhr. Einzelne Regentropfen.)

Ei, ei! Ich glaube gar, es regnet schon. S'ist aber
unbedeutend, das löscht nur den Staub, dann wird es um so

angenehmer sein. LH weh! Jetzt geht der Wind nach Westen i
herum. Frau! Hast Du schon Anstalten gemacht, die zweite
Lavung Kuchen zu backen? Wo nicht, so laß cs sein, denn cs |
könnte doch ein wenig trübes Wetter geben.

(Abends 6 Uhr. Allgemeiner Landregen.)

Mordsbomben und saure Gurkcnschwcrenoih! Da regnet
cs nun schon seit 4 Stunden ärger als zur Zeit der Sünk-
fluth. Ich bin ein geschlagener Mann, ich bin ruinirt. Da
drinnen sitzen 20 Mann Musikanten, die ich umsonst füttern
und bezahlen muß, ohne daß sie einen Ton von sick zu geben
brauchen. Und daneben sitzt ein einziger Gast; noch dazu einer, j
den das Wetter hcreingetricben hat, weil er keinen Regenschirm
mit sich führte. Und dieser Mann blickt immer gen Himmel !
und sagt: „Ach wie wvhlthuend für die Felder! Welcher
Segen!" — Dabei trinkt der Spötter — ein Glas Zuckcr-
waffer. Hängen möchte ich den Kerl! — Wer soll jetzt den
Kuchen essen, die Massen von Kaffee und Bier trinken, die
sämmtlich.schon mit Wasser präparirt waren? Soll da nickt
der Teufel sei» Spiel dabei haben? Hängen möcht' ich mich!
Frau, komm mir nicht zu nahe, ich kenne mich in meiner
Wuth nicht mehr.

Ach! Hätte ich doch wenigstens den Thaler ans der Ar-
mcnkaffe wieder! Und dann mein prächtiges Wetterglas, 's hat
baare zwölf Thaler gekostet. Es hatte doch Recht mit seinem
„Veränderlich!" Ach cs gab keinen richtigeren Barometer!
Friede seinen Scherben!"

Der Thcaterdirekt or Klingel sieht an dem- .
selben S onntage früh um6 Uhr au das Wetterglas.

Veränderlich deutest Du an? Lächerliches Gebäude
menschlichen Vorwitzes! Veränderlich? Ha ha ha! Wo kein
Hauch den blauen Himmel trübt. Heute wollen wir „Hinko