Oberon v
hintendrein sitzen zu lasien in Schimpf und Schande und feier-
lich mußte mir die Marie geloben, sich den Oberon aus dem
Sinne zu schlagen.
Nach der Zeit war ich als Geselle auf die Wanderschaft
gegangen und hatte in Arnstadt bei einem Meister Arbeit ge-
funden, als ich einmal plötzlich einen Brief von meinem Vater
erhielt, in welchem mir dieser schrieb, ich sollte in sehr wichtigen
Familienangelegenheiten sogleich nach Hause kommen. Was
war da zu thun? Ich machte mich fremd in Arnstadt, schnürte
mein Ränzl und wanderte meinem Heimathsorte spornreichs
zu, mir unterwegs fast den Kopf darüber zerbrechend, was für
wichtige Familienangelegenheiten es eigentlich sein mochten, die
meiner Wanderschaft so schnell ei» Ziel steckten. Das Räthsel
löste sich in lauter Trauer und Herzeleid auf, als ich über
die väterliche Schwelle trat, denn ich fand des Jammers gerade
genug. Meine alten Eltern klagend und händeringend, die
Marie aber aus dem Dienst gejagt und in Kindesnöthen. Das
arme, arme Mädchen mußte ihre Liebschaft mit dem leichtsinni-
gen Herrn Oberon bitter genug bereuen, sie hatte eine Wiege
kaufen müssen, nock ehe das Brautbett fertig war, der schöne
Herr Oberon aber war spurlos verschwunden.
„Gottfried," sagte mein alter Vater zu mir, „du bist
ein pfiffiger Kerl und hast mehr Courage, als sich für einen
Schneider so eigentlich geziemt; geh' Du nach Weimar, suche
den Herrn Oberon auf und wenn Du ihn gefunden hast, so
stelle ihm sein Unrecht vor. Sage ihm, daß er die Marie
heirathen muß, um sie wieder zu Ehren zu bringen und wenn
er das nicht will, so sage ihm, daß er als rechtschaffener Vater
wenigstens für den armen unschuldigen Wurm, das Kind, sor-
gen soll."
Ich war zu allem bereit, dachte aber in meinen Gedanken,
zu was soll man die großen Trümpfe zuerst ausspielen, klein
Trumpf sticht vielleicht auch und macht ihn Schneider. Die
großen Trümpfe behielt ich also bis zuletzt und schrieb dem
Oberon vorläufig nur einen wilden, wilden Brief, in welchem
ich ihm den Kopf ganz gehörig wusch und zuletzt das ver-
langte, was zu verlangen mir aufgetragen war. Als ich aber
mit dem Briefe fertig war, siel mir erst ein, daß mir
eine Hauptsache fehlte, nämlich die Adresse des Herrn Oberon.
Da war nun freilich guter Rath theuer, denn auf dem Edel-
hofe nach der Adresse zu fragen, schämte ich mich zu sehr, der
armen Marie wegen und endlich wandte ich mich an den Schul-
meister mit der Frage, ob er mir nicht sagen könne, wo ich
des Oberon von Wieland könne habhaft werden. „Da ist,"
entgegegnete dieser, „leicht zu helfen, ich habe mir es aus der
Zeitung abgeschrieben." Er schlug seine Brieftafel auf, setzte
seine Brille auf die Nase und sagte nach einigem Hin- und
Herblättern: „Hier steht es geschrieben, Oberon von Wieland,
zu finden in Weimar in allen Buchhandlungen."
Ich muß gestehen, daß diese Adreffe mir etwas sonderbar
vorkam, jedoch ich dachte in meinen dummen Gedanken, der
Oberon ist vielleicht ein großer Freund von Büchern und einer
von den Herren, die man Tag für Tag aus einer Buchhand-
lung in die andere laufen sieht und so schrieb ich denn zuerst
on Wieland. 155
auf meinen Brief: „An Sr. Hochwohlgeboren den Herrn
Oberon von Wieland in Weimar, zu finden in allen Buch-
handlungen." Nach einigen Tagen aber kam der Brief zurück,
ich mußte das doppelte Porto und noch ein Ertra-Botenlohn
für denselben bezahlen, weil keine von den Buchhandlungen
in Weimar ihn hatte annehmen wollen.
Jetzt konnte nun kein Doktor mehr helfen; ich mußte
mich selbst aufmachen nach Weimar und glücklich gelangte ich
dort auch an. Nun hatte es aber seine Tücken den Oberon
zu erfragen, denn vergebens blieb ich bei Dem und Jenem ans
der Straße stehen und erkundigte mich nach ihm; die Leute
kannten ihn jedoch entweder gar nicht, oder sie lachten mich
geradezu aus und schon wollte ich daran verzweifeln, den säubern
Vogel ausfindig zu machen, als ich auf den glücklichen Ge-
danken kam, geradezu in's herzogliche Schloß zu gehen und
dort nach ihm zu fragen. Ist der Mann, berechnete ich mir,
wirklich bei Hofe so bekannt, wie die Marie den Gerichts-
halter hat sagen hören, so muß es doch wenigstens einer von
den herzoglichen Bedienten wiffen, wo er wohnt; und so nahm
ich denn meinen Weg geradezu !nach dem Schlöffe. Zwei
stattliche vornehme Herren traten gerade, im lebhaftesten Ge-
spräche begriffen, heraus, als ich vor dem Portier bescheiden
meine Mütze abzog und ihn fragte, ob er mir nicht sagen
könne, wo der Herr Oberon von Wieland wohne. Der Portier
hatte für meine Fragen nur taube Ohren und grüßte durch
ein Zeichen mit seinem großen Stocke die beiden vornehmen
Herren gravitätisch; einer der beiden Herren jedoch, ein hübscher
rundlicher Mann, hatte meine Frage gehört, trat zu mir heran
und sagte freundlich, was ich mit dem Oberon beabsichtigte.
Ich wollte anfänglich nicht recht mit der Sprache heraus, son-
dern sagte nur, daß ich eine unangenehme Sache mit ihm
habe und ihm eine große Leichtsinnigkeit vorwerfen wolle. Als
mir aber beide auf das Freundlichste zuredeten, konnte ich
wenigstens einige Andeutungen über mein Geschäft mit dem
Oberon nickt ganz unterdrücken. Ueber meine Eröffnungen
kracken die beiden in ein so schallendes Gelächter auS, daß
ich mich fast geärgert hätte; sie machten es aber wieder wenig-
stens insoserne gut, als der Eine erklärte, wenn er mir auch
das Haus des Oberon nicht zeigen könne, so wüßte er doch
seinen Vater wohnen, der ein guter Freund von ihm sei und
der Hofrath Wieland wäre; zu ihm wolle er mich führen,
damit ich meine Beschwerde anbringen könne. Für den Erfolg
wolle er einstehen. Dieß geschah denn auch und wir gingen
zu dem Herrn Hofrath Wieland.
Als wir bei ihm eintraten, saß der Herr Hofrath gerade
an seinem Studirtische und schrieb, bei dem Anblick meines
Begleiters jedoch erhob er sich und eilte ihm unter vielen
Verbeugungen entgegen, indem er ihn befragte, was ihm das
hohe Glück verschaffe, Seine Hoheit in seinem Hause begrüßen
zu dürfen. Jetzt erst erfuhr ich, wer mein Begleiter war; es
war der Herzog von Weimar selbst.
(Fortsetzung folgt.)
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hintendrein sitzen zu lasien in Schimpf und Schande und feier-
lich mußte mir die Marie geloben, sich den Oberon aus dem
Sinne zu schlagen.
Nach der Zeit war ich als Geselle auf die Wanderschaft
gegangen und hatte in Arnstadt bei einem Meister Arbeit ge-
funden, als ich einmal plötzlich einen Brief von meinem Vater
erhielt, in welchem mir dieser schrieb, ich sollte in sehr wichtigen
Familienangelegenheiten sogleich nach Hause kommen. Was
war da zu thun? Ich machte mich fremd in Arnstadt, schnürte
mein Ränzl und wanderte meinem Heimathsorte spornreichs
zu, mir unterwegs fast den Kopf darüber zerbrechend, was für
wichtige Familienangelegenheiten es eigentlich sein mochten, die
meiner Wanderschaft so schnell ei» Ziel steckten. Das Räthsel
löste sich in lauter Trauer und Herzeleid auf, als ich über
die väterliche Schwelle trat, denn ich fand des Jammers gerade
genug. Meine alten Eltern klagend und händeringend, die
Marie aber aus dem Dienst gejagt und in Kindesnöthen. Das
arme, arme Mädchen mußte ihre Liebschaft mit dem leichtsinni-
gen Herrn Oberon bitter genug bereuen, sie hatte eine Wiege
kaufen müssen, nock ehe das Brautbett fertig war, der schöne
Herr Oberon aber war spurlos verschwunden.
„Gottfried," sagte mein alter Vater zu mir, „du bist
ein pfiffiger Kerl und hast mehr Courage, als sich für einen
Schneider so eigentlich geziemt; geh' Du nach Weimar, suche
den Herrn Oberon auf und wenn Du ihn gefunden hast, so
stelle ihm sein Unrecht vor. Sage ihm, daß er die Marie
heirathen muß, um sie wieder zu Ehren zu bringen und wenn
er das nicht will, so sage ihm, daß er als rechtschaffener Vater
wenigstens für den armen unschuldigen Wurm, das Kind, sor-
gen soll."
Ich war zu allem bereit, dachte aber in meinen Gedanken,
zu was soll man die großen Trümpfe zuerst ausspielen, klein
Trumpf sticht vielleicht auch und macht ihn Schneider. Die
großen Trümpfe behielt ich also bis zuletzt und schrieb dem
Oberon vorläufig nur einen wilden, wilden Brief, in welchem
ich ihm den Kopf ganz gehörig wusch und zuletzt das ver-
langte, was zu verlangen mir aufgetragen war. Als ich aber
mit dem Briefe fertig war, siel mir erst ein, daß mir
eine Hauptsache fehlte, nämlich die Adresse des Herrn Oberon.
Da war nun freilich guter Rath theuer, denn auf dem Edel-
hofe nach der Adresse zu fragen, schämte ich mich zu sehr, der
armen Marie wegen und endlich wandte ich mich an den Schul-
meister mit der Frage, ob er mir nicht sagen könne, wo ich
des Oberon von Wieland könne habhaft werden. „Da ist,"
entgegegnete dieser, „leicht zu helfen, ich habe mir es aus der
Zeitung abgeschrieben." Er schlug seine Brieftafel auf, setzte
seine Brille auf die Nase und sagte nach einigem Hin- und
Herblättern: „Hier steht es geschrieben, Oberon von Wieland,
zu finden in Weimar in allen Buchhandlungen."
Ich muß gestehen, daß diese Adreffe mir etwas sonderbar
vorkam, jedoch ich dachte in meinen dummen Gedanken, der
Oberon ist vielleicht ein großer Freund von Büchern und einer
von den Herren, die man Tag für Tag aus einer Buchhand-
lung in die andere laufen sieht und so schrieb ich denn zuerst
on Wieland. 155
auf meinen Brief: „An Sr. Hochwohlgeboren den Herrn
Oberon von Wieland in Weimar, zu finden in allen Buch-
handlungen." Nach einigen Tagen aber kam der Brief zurück,
ich mußte das doppelte Porto und noch ein Ertra-Botenlohn
für denselben bezahlen, weil keine von den Buchhandlungen
in Weimar ihn hatte annehmen wollen.
Jetzt konnte nun kein Doktor mehr helfen; ich mußte
mich selbst aufmachen nach Weimar und glücklich gelangte ich
dort auch an. Nun hatte es aber seine Tücken den Oberon
zu erfragen, denn vergebens blieb ich bei Dem und Jenem ans
der Straße stehen und erkundigte mich nach ihm; die Leute
kannten ihn jedoch entweder gar nicht, oder sie lachten mich
geradezu aus und schon wollte ich daran verzweifeln, den säubern
Vogel ausfindig zu machen, als ich auf den glücklichen Ge-
danken kam, geradezu in's herzogliche Schloß zu gehen und
dort nach ihm zu fragen. Ist der Mann, berechnete ich mir,
wirklich bei Hofe so bekannt, wie die Marie den Gerichts-
halter hat sagen hören, so muß es doch wenigstens einer von
den herzoglichen Bedienten wiffen, wo er wohnt; und so nahm
ich denn meinen Weg geradezu !nach dem Schlöffe. Zwei
stattliche vornehme Herren traten gerade, im lebhaftesten Ge-
spräche begriffen, heraus, als ich vor dem Portier bescheiden
meine Mütze abzog und ihn fragte, ob er mir nicht sagen
könne, wo der Herr Oberon von Wieland wohne. Der Portier
hatte für meine Fragen nur taube Ohren und grüßte durch
ein Zeichen mit seinem großen Stocke die beiden vornehmen
Herren gravitätisch; einer der beiden Herren jedoch, ein hübscher
rundlicher Mann, hatte meine Frage gehört, trat zu mir heran
und sagte freundlich, was ich mit dem Oberon beabsichtigte.
Ich wollte anfänglich nicht recht mit der Sprache heraus, son-
dern sagte nur, daß ich eine unangenehme Sache mit ihm
habe und ihm eine große Leichtsinnigkeit vorwerfen wolle. Als
mir aber beide auf das Freundlichste zuredeten, konnte ich
wenigstens einige Andeutungen über mein Geschäft mit dem
Oberon nickt ganz unterdrücken. Ueber meine Eröffnungen
kracken die beiden in ein so schallendes Gelächter auS, daß
ich mich fast geärgert hätte; sie machten es aber wieder wenig-
stens insoserne gut, als der Eine erklärte, wenn er mir auch
das Haus des Oberon nicht zeigen könne, so wüßte er doch
seinen Vater wohnen, der ein guter Freund von ihm sei und
der Hofrath Wieland wäre; zu ihm wolle er mich führen,
damit ich meine Beschwerde anbringen könne. Für den Erfolg
wolle er einstehen. Dieß geschah denn auch und wir gingen
zu dem Herrn Hofrath Wieland.
Als wir bei ihm eintraten, saß der Herr Hofrath gerade
an seinem Studirtische und schrieb, bei dem Anblick meines
Begleiters jedoch erhob er sich und eilte ihm unter vielen
Verbeugungen entgegen, indem er ihn befragte, was ihm das
hohe Glück verschaffe, Seine Hoheit in seinem Hause begrüßen
zu dürfen. Jetzt erst erfuhr ich, wer mein Begleiter war; es
war der Herzog von Weimar selbst.
(Fortsetzung folgt.)
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