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Geschichten, wie man sie s

Müller. „Ne, Herr Bohnickel, so müssen Sie nich
glauben, daß ich en regelmäßiges Geschäft damit gemacht hätte,
versteh'» Sie mich — seh'n Sie das war nur einmal, wo
ich den Handel versuchte, aber — entschuldigen Sie mich —
ich habe Sie en Haar d'rin gefunden — Hab' ich."

Bohnickel. „Nee, 's is die Möglichkeit, Herr Müller.
Das war Sie Wohl im letzten mexikanischen Krieg?"

Müller. „Ne, Herr Bohnickel, Sie sin noch immer
nich uff'n rechten Weg — ich hatte mein Geschäft nich nach
der Kwandided, sondern nach der Quallided beabsichtigt —
aber mein weiches Herze ruinirte mich."

Bohnickel. „Sie konnten Se nich ersetz'n, nich wahr?
— ja, mir wärsch auch schwummerig dabei geworden."

Müller. „Ne, Herr Meier, Sie haben ene eigene Fer-
tigkeit, Alles falsch zu verstehen, haben Sie. Aber ich will
Sie ohkondang setzen, und Sie die ganze Geschichte erzählen,
aber — reinen Mund halten — das versprechen Sie mir."

Bohnickel. „Uff Ehre! ne wirklich, da können Sie
sich d'ruf verlassen."

Müller. „Nu, seh'n Sie also, Herr Bohnickel, die
Sache war Sie äso: Ich wohnte Sie im Staat Missouri drü-
ben, in einer Gegend, wo's Deutsche wie Wasser gab — viel,
zu viel Deutsche, denn wo die sind, da ist eigentlich auch nich
viel zu verdienen. Wie ich's denn da nu satt hatte, weil
ich's eben auch satt kriegen konnte, zog ich Sie wieder nach
Kentucky nüber, was Sie auch ein Sklavenstaat is — das
heißt nich, wo die Sklaven Staat machen, sondern wo sie
wie das liebe Marktvieh Stück vor Stück verkauft werden."

Bohnickel. „S'is Sie erstaunlich."

Müller. „Ru, seh'n Sie, da settelte ich mich also mit-
ten in die Amerikaner nein, und fing Sie so en klein' Handel
an mit lauter Läppereien; mit en Bischen von dieß un en
Bischen von das, un verdiente Sie en scheues Geld derbei.
Nu geschah es Sie, daß in der Gegend rum en nichtswirdiger
Hallunke leben daht, der die Menschen blos aus Plaisihr dodt
machte, un ihnen abnahm, was se bei sich hatten. Erst hieß
es, es wäre Sie ene ganze Bande, un schwarze Negers und
Indianer mit mank. Wie's aber raus kam und wie se ihn
derwischten, Marsch nur en Einziger und zwar en Weißer."

Bohnickel. „Ein Weißer, ne was Sie sagen, Herr
Müller."

Müller. „Ja nu seh'n Se, ganz weiß war er nu
eigentlich auch nich, denn er hatte Sie eine höllische rothe
Nase und bei's Einfangen mochten se ihm wohl das eine Auge
blitzblau geschlagen haben, aber das that Sie nichts. Kurzen
Prozeß machten Sie mit dem Kerl, steckten ihn nicht einmal
in's Loch, verhörten ihn gleich unter dem ersten besten Baum
und — schlugen ihm den Kopf herunter."

Bohnickel. „Nu, Heren Sie aber, Herr Müller, das
ging schnell."

Müller. „Ja, Herr Bohnickel, das glaub' ich, das
war auch amerikanische Rechtspflege und da geht Alles mit
Dampf. Aber nu war die Sach noch nich aus. Wie ich Sie den
Kopp sah, fing ich an zu speculiren und dachte äso. Die Leute

ich in Thüringen erzählt.

nämlich aus der Nachbarschaft kamen Sie mordmäßig ange-
rennt und wollten alle den Mörder sehen, der Sie das Land
so lange unsicher gemacht hatte, un da's sehre heiß war, muß-
ten se ihn doch bald begraben. Da ging ich Sie zu dem
Scheriff, der Sie das Koppabhauen zu besorgen hat und bot
ihm zwanzig Dollar, wenn er mir den Kopp ablassen wollte."

Bohnickel. „Aber, Herr Müller, was wollten Sie mit
dem Kopp machen?"

Müller. „Geh'n Se man sachte, ich komme gleich nach
— sollens uf'n Ogenblick Heren. Der Scheriff der sagte also,
ne, Herr Müller, kennen Se nich verlangen, das Geschäft geht
gut, Neugierige kommen immer mehr in de Stadt un unter
en Viertel-Dollar de Perschon kommt mir keiner 'rin — wenn
Se fünfzig Dollar geben, sollen Sie'n aber haben, weil Sie's
sin, Herr Müller, sagte der Scheriff — ich haben reinen Scha-
den derbei. Nu seh'n Sie, Herr Bohnickel, ich calculihre mir
die Sache. Für einen Dollar Whisky kriegt ich en ganzen
Topp voll, eine große weiße Glasflasche, wo ich Sie einge-
machte Flaumen d'rin aus Deutschland gekriegt hatte, stand bei
mir im Laden. Wenn ich den Kopp in Schnaps that, könnt'
ich en ein paar Monat halten, un in drei Tagen schlug ich
Sie meine fünfzig Dollar. 'raus, daran hatte Sie das dumme
Luder der Scheriff nicht gedacht. Ich zahle Sic also die
fünfzig Dollar richtig blank uffn Disch, wickle meinen Kopp in
enen großen Bogen blaues Znckerpapier, den ich mer schon dazu
mitgebracht hattte, und trug en heim. Dorten hatt'ich mir
die Geschichte auch bald arrangschirt, rückte en kleinen runden
Tisch mitten in de Stube, deckt' ein reines Tischtuch d'rauf,
damit es en Bischen appetitlicher aussah, steckte meinen Kopp
in das Glas, goß meinen Whisky vor einen Dollar druff, so
daß auch die ganze Geschichte mit Glas, Kopp und Alles etwa
51 Dollar 75 Cent kostete, schrieb dann einen großen Zettel,
was so eine Art von Einladung zu ein Abendvergnügen auf
Räuberkopp war, setzte nachher meinen Jungen vor die Thür
mit kleinen gesiegelten Karten und eine verschlossene Blech-
büchse un wartete nu auf die Kunden.

Nich fünf Minuten hatt' ich Sie so gesessen, Herr Boh-
nickel, als ich's schon draußen in de Blechbüchse klimpern höre.
Ein Viertel-Dollar, dacht' ich, nu noch 51 Dollar 50 Cent
man blos, und mit dem geht die Thür uf un en alter Mann
mit schneeweiße Haare tritt Sie ein. „Hür, mein Herr!"
sag' ich und stehe Sie von meinem Stuhl auf, dem Mann die
Sache zu erklären. „Hür haben Sie den grausamen erschreck-
lichen Raubmörder Joseph Willem Brettschah aus Müssüssüppü,
welcher in einer Reihe von Jahren — denk' ich der Schlag
rührt mich — stößt der alte Mann einen Schrei aus, fällt
um, faßt mich bei die Knie und stöhnt uf einmal, daß es
hätte einen Stein erbarmen können: „Mein Sohn — mein
Sohn — o Du lieber Gott, mein Sohn!"

Da saß ich Sie mit meiner Ausstellung, un wußte nich,
was ich gleich sagen sollte, denn in meiner Erklärung war ich
mitten d'rin stecken geblieben. Aber der Alte ließ nich locker
und jammerte un lermte, daß es enen Stein hätte erweichen
können, ich sollt' ihm seinen Sohn sein Kopp 'rausgeben. Nu
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