58
Schreibebrief von Itzig Wertheim an seinen Freind Moses Löwenstein re. ;c.
inich haben; ich möchte Se merklich lassen das Diskontchen
noch ü Bertelchen billiger vor nächstes Jahr," sagt er, nn
ich sage gleich: „Herr Amschel Meyer un Companie " sag
ich, „lassen Se runter s'Vertelchen, scheniren Se sich nich"
— aber da sagt er: „Lassen Se mich erst ansreden," sagt
er, „ich habe gesagt, ich möchte Se lassen das Diskontchen
noch ä Bertelchen billiger — wenn Se's nich s ch on, s o
sehre billig hatten," Un dann hat er gleich gebringt
nnsern Diskorsch af eine andere Angeliegenheit aus das ge-
wehnliche Geschäftsleben, Dann bin ich gegangen un hat er
mir noch emal gesagt: „Wertheimleben," hat er gesagt, „sein
Se hibsch pinktlich um Uhre Dreie af meiner Filla vor das Thor
draußen, daß mer nich brauchen ßn warten." Sag ich: „Herr
Amschel Meyer un Companie, aß Se sich nich sollen können beklagen
über meine Pinktlichkeit, ich tverde sein da mit de Minute, was
sag ich mit de Minute, mit's Sekind'chen Iverd' ich sein da,"
Dann Hab ich mehr gekäst ä Paar gelbe Glasirhand-
schnh, Ivas haben gekostet 1 fl, 24 kr. Was ä Luxus!
werft'e sagen Mosesleben, aber muß ich nich aftreten mit
Glanz, ivenn ich will representiren die Firma: Wertheim
seelige Wittwe un Söhne? Racher bin ich gegangen ßn
laufen de Szeile runter ßwanßig Mal un de Szeile rauf
nach ßwanßig Mal, denn weist'e Moses, de Bewiegung in
de freie Natur macht nich nur Hunger, sondern nach Apitit!
Dann bin ich gegangen in mei Hotel, Hab angeßogen meinen
ncien Frack mit das seidne Unterfutter in de Ärmel, ä
Luxus! sag ich Dir, Mosesleben; dann Hab ich angeßogen
meine Glasirhandschuh vor 1 fl, 24 kr, un dann bin ich ge-
gangen hinaus vor's Thor zu de Filla von Amschel Meyer
un Companie, Wie ich hinaus kimine, Gott's Wunder,
haste gesehn! Eklibasch an Eklibasch mit Kutschern un Be-
dientern un mit ßtoeispennige Pferde nn mit vierspennige
Pferde, Hab ich mer doch geschämt, daß ich nich Hab nach
gennmmen ä Droschkenkutscher un bin gekntschirt, wo ich itzt
bin gekimmen ßn gehn ßn Fuße. Aß ich mich aber habe
endlich getröstet un bin gans stols 'neingetreten in de Filla,
wo's hat gewimmelt von Bedienters un Lakeiers, Nehmen
die inich also itzt in de Mitte un bringen mich in den granßen
Salun, so haben se's gehaißen, bei uns heißen iner's Vor-
saal, aber s'is auch nich so schöne, Ilu is Einer gekimmen
ßn gaihn af mich los nn hat gefragen: „Derft ich Sc bitten
um Ihren verehrtesten Rainen, daß ich Se kann anmelden?"
— „Mit Vergingen," sag ich, „mei Name is: Wertheini
seelige Wittive un Söhne," sag ich, Darnf geht der lange
Mensch in seine vergoldigte Uniform an die Saalthire, reißt
se auf un schreit: „Ich habe de Ehre anßnmelden Herrn
Wertheim's seelige Wittwe nn Söhne" un dann hat er mir
geivinkt nn ich bin getreten in den prachtvollen Saal mit de
große, feine Versammlung, Wie die haben gehört mein
Namen nn haben mich gesehen an, dann haben se gelacht.
Ich habe schon Ivollen fragen: „Ru, was giebt's ßn Lachen?"
aber da is gekimmen der Herr Amschel Meyer un Companie,
hat mer gedrickt de Hand nn hat mer genennt seinen guten
Freind un hat mer geheißen niederßusetzen an seine Seite,
da hat Keiner nich mehr gelacht nn nich mehr geflistert,
sondern se haben mer ängesehn mit Achtsamkeit un Respekt, j
Hat nn der Herr Amschel Meyer nn Companie gesagt: „Was !
meine Se, Wertheimleben, wo dermit ich mer habe verdient
hier die Filla mit Park, Bedienters, Pferde nn Alles?"
Ich sage: „Wo soll ich ivissen, Ivie sich thut un ivas j
eine Sache is." sag ich; „haben Se vielleicht gemacht in
Oel un Getreide?"
„Bleiben Sie mer von Halse mit so faule Sachens,"
sagt Amschel Meyer un Cvnipanic, „ich were Se's sagen mit
tvas ich se Hab verdient de Filla — mit de Ludwigs- !
ha fen-Bexbacher» Hab ich se verdient. Die Hab ich ge-
kafft, Ivie se noch sin gestanden pari un wie stehn sie jetzt? ,
Haben Se gelesen den Korsch von de heintige Börsche? Se
haben 'n noch nich gelesen? Dann haben Se gar nix gelesen. Ich
sage Se so viel, der heintige Korschzettel is ä wahres Gemälde
von meine Glückseeligkeit, Denken Se sich, seindeLudwigshafen-
Bexbacher heint zu meinen Gebortstag wieder gekimmen um
27/s Proßent besser. Was sagen Sc daßn? Wertheimleben, >
machen Se in de Bexbacher, Se werden sehn, s'is Ihr Glick,"
Un dann haben mer noch viel geschmust über de Ge- '
schäftlichkeit, daß mer is geworden merklich gans schwindlig, i
Wie das hat gemerken der Herr Amschel Meyer nn Companie,
hat er gesagt: „Mer wollen sprechen en ander Mal mehr von
de Geschäftche, itzt will ich Se vorstellen meine Verwandtschaft-
lichkeit, Sehn Se, Herr Wertheimleben, das is hier der Herr
BörschenmaklerAron Meyer, dort is Herr Barnch Meyer,
der Banquier aus Mannheim, das da is Herr Getreidehändler
Chon Meyer ans Darmstadt, das da is Herr Kaufmann
Daniel Meyer ans Mainz, dort is Herr Wechselniakler
Enoch Meyer aus Köln, das is Herr Feibel Meyer,
Banquier aus Nernberg, dort Herr Gerson Meyer aus !
Berlin, da is Herr Hey man n Me y er, großer Macher aus
Hamborg, das is Herr Banquier Jonas Meyer ans Cassel,
dort Herr Cvmmerßienrath Kusel Mey er ans Berlin, das is '
Herr Rentier Levy Meyer von Hier, da is Herr Kaufmann :
Moses Meyer ans Magdeborg, dort Herr Rittergutsbesitzer
Nathan Meyer ans Stettin, das da is Herr Oppenheim
Meyer, Bankagent aus Minchen, dort is Herr Peisach
Meyer, großer Holzhändler ans Königsberg, das is Herr —"
Da unterbrach ich aber den Herrn Amschel Meyer un :
Companie un fragte: „Entscholdgen Se," frage ich, „da sin
wohl Heint lauter Herren Meyer bei Ihnen nn ich bin viel-
leicht der Einzige, was en andern Namen hat?"
„Gott soll hüten," sagt Herr Amschel Meyer nn Com-
panie, „dort haben Se ßum Beisbiel noch acht Wölfe von Hier
un ans Mainz; dort sin auch ßwei Strauße aus Fürth; da
sin sechs Löwen aus Berlin, Stettin, un Leipßig; dort stehn j
vier Bärn von Hier nn aus de Umgegend, dort sin auch noch
Fichse — mit einem Wort, Wertheimleben, mer könnte jetzt
sagen: meine Filla is wie de Arche Noahs, von jeder Sorte
was. Un sehn Se, dort hinten in der Ecke, das sein de
Kinstler, wo ich habe eingeladen ßnr Verherrlichkeit von mein
Familichenfest. Erst laden mer se ein un traktiren se, bis se
Schreibebrief von Itzig Wertheim an seinen Freind Moses Löwenstein re. ;c.
inich haben; ich möchte Se merklich lassen das Diskontchen
noch ü Bertelchen billiger vor nächstes Jahr," sagt er, nn
ich sage gleich: „Herr Amschel Meyer un Companie " sag
ich, „lassen Se runter s'Vertelchen, scheniren Se sich nich"
— aber da sagt er: „Lassen Se mich erst ansreden," sagt
er, „ich habe gesagt, ich möchte Se lassen das Diskontchen
noch ä Bertelchen billiger — wenn Se's nich s ch on, s o
sehre billig hatten," Un dann hat er gleich gebringt
nnsern Diskorsch af eine andere Angeliegenheit aus das ge-
wehnliche Geschäftsleben, Dann bin ich gegangen un hat er
mir noch emal gesagt: „Wertheimleben," hat er gesagt, „sein
Se hibsch pinktlich um Uhre Dreie af meiner Filla vor das Thor
draußen, daß mer nich brauchen ßn warten." Sag ich: „Herr
Amschel Meyer un Companie, aß Se sich nich sollen können beklagen
über meine Pinktlichkeit, ich tverde sein da mit de Minute, was
sag ich mit de Minute, mit's Sekind'chen Iverd' ich sein da,"
Dann Hab ich mehr gekäst ä Paar gelbe Glasirhand-
schnh, Ivas haben gekostet 1 fl, 24 kr. Was ä Luxus!
werft'e sagen Mosesleben, aber muß ich nich aftreten mit
Glanz, ivenn ich will representiren die Firma: Wertheim
seelige Wittwe un Söhne? Racher bin ich gegangen ßn
laufen de Szeile runter ßwanßig Mal un de Szeile rauf
nach ßwanßig Mal, denn weist'e Moses, de Bewiegung in
de freie Natur macht nich nur Hunger, sondern nach Apitit!
Dann bin ich gegangen in mei Hotel, Hab angeßogen meinen
ncien Frack mit das seidne Unterfutter in de Ärmel, ä
Luxus! sag ich Dir, Mosesleben; dann Hab ich angeßogen
meine Glasirhandschuh vor 1 fl, 24 kr, un dann bin ich ge-
gangen hinaus vor's Thor zu de Filla von Amschel Meyer
un Companie, Wie ich hinaus kimine, Gott's Wunder,
haste gesehn! Eklibasch an Eklibasch mit Kutschern un Be-
dientern un mit ßtoeispennige Pferde nn mit vierspennige
Pferde, Hab ich mer doch geschämt, daß ich nich Hab nach
gennmmen ä Droschkenkutscher un bin gekntschirt, wo ich itzt
bin gekimmen ßn gehn ßn Fuße. Aß ich mich aber habe
endlich getröstet un bin gans stols 'neingetreten in de Filla,
wo's hat gewimmelt von Bedienters un Lakeiers, Nehmen
die inich also itzt in de Mitte un bringen mich in den granßen
Salun, so haben se's gehaißen, bei uns heißen iner's Vor-
saal, aber s'is auch nich so schöne, Ilu is Einer gekimmen
ßn gaihn af mich los nn hat gefragen: „Derft ich Sc bitten
um Ihren verehrtesten Rainen, daß ich Se kann anmelden?"
— „Mit Vergingen," sag ich, „mei Name is: Wertheini
seelige Wittive un Söhne," sag ich, Darnf geht der lange
Mensch in seine vergoldigte Uniform an die Saalthire, reißt
se auf un schreit: „Ich habe de Ehre anßnmelden Herrn
Wertheim's seelige Wittwe nn Söhne" un dann hat er mir
geivinkt nn ich bin getreten in den prachtvollen Saal mit de
große, feine Versammlung, Wie die haben gehört mein
Namen nn haben mich gesehen an, dann haben se gelacht.
Ich habe schon Ivollen fragen: „Ru, was giebt's ßn Lachen?"
aber da is gekimmen der Herr Amschel Meyer un Companie,
hat mer gedrickt de Hand nn hat mer genennt seinen guten
Freind un hat mer geheißen niederßusetzen an seine Seite,
da hat Keiner nich mehr gelacht nn nich mehr geflistert,
sondern se haben mer ängesehn mit Achtsamkeit un Respekt, j
Hat nn der Herr Amschel Meyer nn Companie gesagt: „Was !
meine Se, Wertheimleben, wo dermit ich mer habe verdient
hier die Filla mit Park, Bedienters, Pferde nn Alles?"
Ich sage: „Wo soll ich ivissen, Ivie sich thut un ivas j
eine Sache is." sag ich; „haben Se vielleicht gemacht in
Oel un Getreide?"
„Bleiben Sie mer von Halse mit so faule Sachens,"
sagt Amschel Meyer un Cvnipanic, „ich were Se's sagen mit
tvas ich se Hab verdient de Filla — mit de Ludwigs- !
ha fen-Bexbacher» Hab ich se verdient. Die Hab ich ge-
kafft, Ivie se noch sin gestanden pari un wie stehn sie jetzt? ,
Haben Se gelesen den Korsch von de heintige Börsche? Se
haben 'n noch nich gelesen? Dann haben Se gar nix gelesen. Ich
sage Se so viel, der heintige Korschzettel is ä wahres Gemälde
von meine Glückseeligkeit, Denken Se sich, seindeLudwigshafen-
Bexbacher heint zu meinen Gebortstag wieder gekimmen um
27/s Proßent besser. Was sagen Sc daßn? Wertheimleben, >
machen Se in de Bexbacher, Se werden sehn, s'is Ihr Glick,"
Un dann haben mer noch viel geschmust über de Ge- '
schäftlichkeit, daß mer is geworden merklich gans schwindlig, i
Wie das hat gemerken der Herr Amschel Meyer nn Companie,
hat er gesagt: „Mer wollen sprechen en ander Mal mehr von
de Geschäftche, itzt will ich Se vorstellen meine Verwandtschaft-
lichkeit, Sehn Se, Herr Wertheimleben, das is hier der Herr
BörschenmaklerAron Meyer, dort is Herr Barnch Meyer,
der Banquier aus Mannheim, das da is Herr Getreidehändler
Chon Meyer ans Darmstadt, das da is Herr Kaufmann
Daniel Meyer ans Mainz, dort is Herr Wechselniakler
Enoch Meyer aus Köln, das is Herr Feibel Meyer,
Banquier aus Nernberg, dort Herr Gerson Meyer aus !
Berlin, da is Herr Hey man n Me y er, großer Macher aus
Hamborg, das is Herr Banquier Jonas Meyer ans Cassel,
dort Herr Cvmmerßienrath Kusel Mey er ans Berlin, das is '
Herr Rentier Levy Meyer von Hier, da is Herr Kaufmann :
Moses Meyer ans Magdeborg, dort Herr Rittergutsbesitzer
Nathan Meyer ans Stettin, das da is Herr Oppenheim
Meyer, Bankagent aus Minchen, dort is Herr Peisach
Meyer, großer Holzhändler ans Königsberg, das is Herr —"
Da unterbrach ich aber den Herrn Amschel Meyer un :
Companie un fragte: „Entscholdgen Se," frage ich, „da sin
wohl Heint lauter Herren Meyer bei Ihnen nn ich bin viel-
leicht der Einzige, was en andern Namen hat?"
„Gott soll hüten," sagt Herr Amschel Meyer nn Com-
panie, „dort haben Se ßum Beisbiel noch acht Wölfe von Hier
un ans Mainz; dort sin auch ßwei Strauße aus Fürth; da
sin sechs Löwen aus Berlin, Stettin, un Leipßig; dort stehn j
vier Bärn von Hier nn aus de Umgegend, dort sin auch noch
Fichse — mit einem Wort, Wertheimleben, mer könnte jetzt
sagen: meine Filla is wie de Arche Noahs, von jeder Sorte
was. Un sehn Se, dort hinten in der Ecke, das sein de
Kinstler, wo ich habe eingeladen ßnr Verherrlichkeit von mein
Familichenfest. Erst laden mer se ein un traktiren se, bis se