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Auf Helgoland.
i
überwacht sind; die Polizei hat bemerkt, daß Sie gestern Abend
auf meinem Zimmer waren, und deßhalb, nichts Gutes ahnend,
wendet sie heute doppelte Vorsicht an, um Sie an der Ent-
weichung zu hindern."
„Nun, so bleibt mir nichts übrig, als. mir den Tod zu
geben," rief Sir William, indem er leichter athmete, als ich
die verfänglichen Fragen übergangen hatte. Zugleich nahm er
eine auf dem Tische liegende Pistole in die Hand.
Mir fiel ein, was mir der Wirth hierüber gesagt hatte,
und es kostete mich Mühe, das Lachen zu unterdrücken. Ich
sagte: „Thu'n Sie, was Ihnen beliebt, mein Herr, doch wür-
den Sie mir einen Gefallen erzeigen, wenn Sie dieses bis nach
meiner Abreise verschieben wollten. Um jedoch ernstlich von
Ihrer fatalen Angelegenheit zu sprechen, und weil ich Ihnen
meine Hülfe zugesagt hatte, — nehmen Sie statt thätlichen
Beistandes meinen wohlgemeinten Rath an. Sie haben, um
den gelindesten Ausdruck zu wählen, sehr leichtsinnig und ge-
wissenlos gehandelt, und als Mann von Ehre haben Sie etwas
anderes 'zu thun, als Ihre Braut und Ihr Kind zu verlas-
sen. Sie können Ihr großes Vergehen nur allein dadurch
wieder gut machen, daß Sie die unglückliche Mutter Ihres
Kindes heirathen, und Ihre Schuldigkeit ist es, Ihrem Sohne
das Erbtheil eines ehrlichen Namens zu sichern. Ihr Vater
wird gewiß nichts gegen diese Verbindung haben, da sein
Stand als „Lohnkutschcr" wenigstens nicht höher ist, als der
des Vaters und Großvaters Ihrer Braut, welche tüchtige, red-
liche „Schiffer" waren. Besinnen Sie sich nicht lange, das
zu thun, denn nur nach Ihrer Hochzeit
werden sich die Pforten Ihres Gefängnisses
öffnen; diese feste Versicherung kann ich
Ihnen nach Allem, was ich gehört habe,
mit voller Bestimmtheit geben. Leben Sic
wohl!"
Damit verließ ich den Engländer, der
sich ganz vernichtet aus das Sopha geworfen
hatte, ohne daß er nur im Stande gewesen
wäre, mir etwas zu erwidern.
Eine Stunde später war ich auf dem
Dampfschiffe.
fertig, nur eilen Sie, wenn ich bitten darf, ich möchte gerne
diese fatale Geschichte beendigt sehen —"
„Sie irren, mein Herr," erwiderte der Geistliche, „wenn
Sie glauben, ich würde meine amtliche Stellung mißbrauchen,
um ein gezwungenes Ehebündniß einzusegnen. Das werde ich
nun und nimmermehr thun."
„Sie müssen das nicht so nehmen," entgegneie der Eng-
länder, „die Verhältnisse zwingen mich, so zu handeln,
und da —"
„Nun," unterbrach ihn Jener, „wenn es das ist, so freut
es mich, daß Sie endlich zur bessern Einsicht gekommen sind,
nur begreife ich nicht, wie Sie auf einmal solche Elle haben
können, da es so lange währte, bis Sie zur Ueberzeugung kamen."
(Schluß folgt.)
Der steinerne Hundsstall.
Ein durchtriebener Schelm, Zachäüs Nadelhuber, von See-
burg, kam eines Tages, als ihm das Geld ausgegangen war,
zu einem wohlhabenden Bauer auf der Alp, welcher einen
schönen großen Fanghund besaß, und bot ihm im Gespräche
einen steinernen Hundsstall an. Sie wurden Handels eins auf
vier Kronenthaler, unter Vorbehalt der Besichtigung, und der
Bauer zahlte dem Zachäus einen Kronenthaler Handgeld. Der
Bauer spannte ein und sie fuhren die Steige ins Uracher Thal
hinunter. Hier ließ Nadelhuber halten, stieg ab, deutete auf
eine viereckige Oeffnung im neben der Straße sich erhebenden
Felsen und sagte: „Hier ist der Hundsstall, das Abbrechen will
ich Dir überlassen", und verschwand im Gebüsche.
Als ich im folgenden Jahre wieder
hieher kam, war natürlich meine erste Frage
nach Sir William, und da erfuhr ich Fol-
gendes: Rach ineiner Abreise hatte er vier
Wochen lang allen Umgang gemieden, dann
war er eines Tages zu dem Geistlichen ge-
gangen und hatte demselben erklärt:
„Man will mich zwingen, die Enkelin !
des Jan Feesen zu heirathen, ich muß der
Gewalt weichen, und erkläre mich deßhalb
dazu bereit. Treffen Sie Ihre Vorberei-
tungen, Herr Pfarrer, oder da es wohl
keiner Vorbereitungen bedarf, so lassen Sic
das Mädchen rufen, und machen die Sache
Auf Helgoland.
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überwacht sind; die Polizei hat bemerkt, daß Sie gestern Abend
auf meinem Zimmer waren, und deßhalb, nichts Gutes ahnend,
wendet sie heute doppelte Vorsicht an, um Sie an der Ent-
weichung zu hindern."
„Nun, so bleibt mir nichts übrig, als. mir den Tod zu
geben," rief Sir William, indem er leichter athmete, als ich
die verfänglichen Fragen übergangen hatte. Zugleich nahm er
eine auf dem Tische liegende Pistole in die Hand.
Mir fiel ein, was mir der Wirth hierüber gesagt hatte,
und es kostete mich Mühe, das Lachen zu unterdrücken. Ich
sagte: „Thu'n Sie, was Ihnen beliebt, mein Herr, doch wür-
den Sie mir einen Gefallen erzeigen, wenn Sie dieses bis nach
meiner Abreise verschieben wollten. Um jedoch ernstlich von
Ihrer fatalen Angelegenheit zu sprechen, und weil ich Ihnen
meine Hülfe zugesagt hatte, — nehmen Sie statt thätlichen
Beistandes meinen wohlgemeinten Rath an. Sie haben, um
den gelindesten Ausdruck zu wählen, sehr leichtsinnig und ge-
wissenlos gehandelt, und als Mann von Ehre haben Sie etwas
anderes 'zu thun, als Ihre Braut und Ihr Kind zu verlas-
sen. Sie können Ihr großes Vergehen nur allein dadurch
wieder gut machen, daß Sie die unglückliche Mutter Ihres
Kindes heirathen, und Ihre Schuldigkeit ist es, Ihrem Sohne
das Erbtheil eines ehrlichen Namens zu sichern. Ihr Vater
wird gewiß nichts gegen diese Verbindung haben, da sein
Stand als „Lohnkutschcr" wenigstens nicht höher ist, als der
des Vaters und Großvaters Ihrer Braut, welche tüchtige, red-
liche „Schiffer" waren. Besinnen Sie sich nicht lange, das
zu thun, denn nur nach Ihrer Hochzeit
werden sich die Pforten Ihres Gefängnisses
öffnen; diese feste Versicherung kann ich
Ihnen nach Allem, was ich gehört habe,
mit voller Bestimmtheit geben. Leben Sic
wohl!"
Damit verließ ich den Engländer, der
sich ganz vernichtet aus das Sopha geworfen
hatte, ohne daß er nur im Stande gewesen
wäre, mir etwas zu erwidern.
Eine Stunde später war ich auf dem
Dampfschiffe.
fertig, nur eilen Sie, wenn ich bitten darf, ich möchte gerne
diese fatale Geschichte beendigt sehen —"
„Sie irren, mein Herr," erwiderte der Geistliche, „wenn
Sie glauben, ich würde meine amtliche Stellung mißbrauchen,
um ein gezwungenes Ehebündniß einzusegnen. Das werde ich
nun und nimmermehr thun."
„Sie müssen das nicht so nehmen," entgegneie der Eng-
länder, „die Verhältnisse zwingen mich, so zu handeln,
und da —"
„Nun," unterbrach ihn Jener, „wenn es das ist, so freut
es mich, daß Sie endlich zur bessern Einsicht gekommen sind,
nur begreife ich nicht, wie Sie auf einmal solche Elle haben
können, da es so lange währte, bis Sie zur Ueberzeugung kamen."
(Schluß folgt.)
Der steinerne Hundsstall.
Ein durchtriebener Schelm, Zachäüs Nadelhuber, von See-
burg, kam eines Tages, als ihm das Geld ausgegangen war,
zu einem wohlhabenden Bauer auf der Alp, welcher einen
schönen großen Fanghund besaß, und bot ihm im Gespräche
einen steinernen Hundsstall an. Sie wurden Handels eins auf
vier Kronenthaler, unter Vorbehalt der Besichtigung, und der
Bauer zahlte dem Zachäus einen Kronenthaler Handgeld. Der
Bauer spannte ein und sie fuhren die Steige ins Uracher Thal
hinunter. Hier ließ Nadelhuber halten, stieg ab, deutete auf
eine viereckige Oeffnung im neben der Straße sich erhebenden
Felsen und sagte: „Hier ist der Hundsstall, das Abbrechen will
ich Dir überlassen", und verschwand im Gebüsche.
Als ich im folgenden Jahre wieder
hieher kam, war natürlich meine erste Frage
nach Sir William, und da erfuhr ich Fol-
gendes: Rach ineiner Abreise hatte er vier
Wochen lang allen Umgang gemieden, dann
war er eines Tages zu dem Geistlichen ge-
gangen und hatte demselben erklärt:
„Man will mich zwingen, die Enkelin !
des Jan Feesen zu heirathen, ich muß der
Gewalt weichen, und erkläre mich deßhalb
dazu bereit. Treffen Sie Ihre Vorberei-
tungen, Herr Pfarrer, oder da es wohl
keiner Vorbereitungen bedarf, so lassen Sic
das Mädchen rufen, und machen die Sache
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der steinerne Hundsstall"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 25.1856, Nr. 587, S. 84
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg