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106

Unverhofft

Die Folgen dieser Gutherzigkeit zeigten sich bald in der
auffallenden Verminderung seines Vermögens und es gab häufig
Zeiten, wo es dem guten Domeniko trotz seines spekulativen
Kopfes au Mitteln fehlte, seinen Handel sortsetzen zu können.

Eines Abends saß er ganz trübe vor seinem Hause und
das nicht ohne Grund, denn in zwei Tagen hatte er mehrere
bedeutende Wechsel zu zahlen und wußte bis jetzt noch nicht,
wo er das Geld dazu hernehmen sollte. Die Wechsel zu ver-
längern war ihm nicht möglich, denn er vermochte nicht, gleich
seinen Schuldnern, geschickte rührende Ausreden hervorzubringen,
auch hätte er dadurch ebenfalls Nichts erreicht, denn seiner
i Gläubiger Herzen waren aus einem ganz anderen Stoffe —

1 cö blieb ihm daher nichts Anderes übrig, als auf Mittel zu
i denken, um sich das Geld zu verschaffen.

Sein Onkel, der Cardinal, war in Folge des durch Pius
VIII. Tod erledigten päbstlichen Stuhles zum Conclave nach
Rom gereist und bereits in den Pallast eingcmauert, um in
: Einsamkeit über den würdigsten Hirten der christlichen Heerde
nachzudenken; von dem also konnte er kein Geld bekommen.
Bei seinen Freunden in und um Belluno war er bereits ge-
wesen, doch diese hatten auch Nichts oder gaben wenigstens vor,
Nichts zu haben, und mit den Versicherungen der Freundschaft
und des Bedauerns konnte er seine Wechsel nicht bezahlen.
Was also sollte er machen? Schon fing er an dem wirklichen
Vorhandensein seines Spekulations-Genies zu zweifeln an, da
siel ihm ein, daß er in Feltre, einem Städtchen, welches einige
Stunden von Belluno entfernt ist, mehrere Freunde und Be-
kannte habe, welche wohl im Stande sein könnten, ihm die
erforderlichen Summen zu leihen. „Dort eile hin, dort blüht
Dir das Glück," rief er freudig aus, und dieser Plan schien
ihm so gut, des Gelingens war er so sicher, daß die düsteren
, Wolken des Unmuthes, welche auf seiner Stirne lagen, augcn-
blicklick sich verzogen und sein wieder vollkommen heiteres Antlitz
dem goldenen Schimmer der sinkenden Sonne cntgegenlächelte.

Am folgenden Morgen sehen wir unfern Freund in seinem
S kleinen Wagen fröhlich nach Feltre fahren. Es war ein herr-
licher Morgen — kein Wölkchen trübte das dunkle Azur des
Himmels, und die Strahlen der ausgehenden Sonne brachen
sich im tausendfachen Dcmantglanze in den Thauperlen, die an
allen Pflanzen hingen. Die Luft, so rein, so. milde, war er-
füllt von den Düften, welche dem herrlichen Garten Europa's
entströmten.

„Ein gutes Zeichen für den glücklichen Ausgang meines
j Vorhabens" dachte sich Domeniko, als er dies prachtvolle
! Naturschauspiel sah; und ein munteres Lächeln umspielte seinen
Mund, wahrend große Ideen wieder in seinem Gehirne keimten.

Aber der Mensch denkt, Gott lenkt, und die freudigsten
! Hoffnungen werden oft zu Wasser. So geschah es auch unserm
° Freunde; denn das Resultat seiner Bemühungen in Feltre war
j um kein Haar von jenem in Belluno verschieden.

Niedergeschlagen vom gänzlichen Mißlingen aller seiner
| Pläne machte er sich auf den Heimweg, und gar manches
I Corpo .... entwischte seinen Lippen, manchen unverdienten
Peitschenhieb empfing sein Pferd, und der finstere Blick, die

kommt oft.

zusammengezogenen Augenbrauen gaben ein deutliches Zeugniß
von der trüben Stimmung ihres Besitzers.

„Cani!“ murmelte er zwischen den Zähnen, und dabei
preßten sich die Lippen wild zusammen, „wie oft habe ich ihnen
geholfen, wie viele Versicherungen der Freundschaft habe ich von
ihnen erhalten, und nun, da ich in Nöthen bin, da ich sie um
Hilfe bitte, jetzt würden sie, glaube ich, froh sein, wenn ich
dort wäre, wo der Pfeffer wächst", und zornig gab er bei
diesen Worten dem Pferde wieder einige Hiebe, als gehörte
dasselbe ebenfalls zu denjenigen, die er mit dem schönen Titel:
„Cani“ benannt hatte. Ja sein Unmuth war so groß, daß :
ihm die feierlichen Glockenklänge, welche plötzlich von allen
Kirchthürmen nah und ferne durch die Lüfte schallten, gar nicht
auffielen, daß er das beständige Knallen der Gewehre und
Böller in allen Dörfern gar nicht hörte, und der ganze festliche
Jubel, welcher aus einmal die Bevölkerung rings umher ergriff,
vor seinem eigenen Mißgeschicke in Nichts zerrann.

Daher bemerkte er auch den Wagen, welcher in rasender
Eile ihm entgegenrollte, nicht früher, als bis das Stutzigwerden
seines Roffes und das freudige Zurufen einer wohlbekannten
Stimme ihn aus seiner Betäubung erweckte. Nun gewahrte
er, wie der andere Wagen rasch an ihm vorbcifuhr, umkehrte :
und augenblicklich wieder an seiner Seite war. In demselben j
saß einer von seinen Freunden, d. h. einer aus der Zahl jener !
Wackeren, an welche er sich zuerst um Hülfe gewandt, jedoch
statt Geld nur leere Worte und zweideutiges Achselzucken er-
halten hatte. Aber wie verändert waren jetzt die Züge, in
welchen damals nur kalte Höflichkeit und mühsam erzwungenes ;
Bedauern lagen. Dieses Antlitz, welchem man noch kurz zuvor
jeden Ausdruck von Gefühl mit größtem Rechte absprechen
konnte, cs strahlte jetzt vor Freude, gleichsam als wäre dem
braven Manne durch das Ausfinden unseres Domeniko das
größte Glück widerfahren.

„Gott sei Dank, da bist Du! Wie konntest Du nach
Feltre fahren? Freund, ich habe gerechten Grund, Dir zu
zürnen, da Du an mir gezweifclt hast — ich sollte Dich
eigentlich gar nicht mehr Freund nennen. Doch ich verzeihe,
ich vergesse die Beleidigung, welche Du mir angethan. Du
kamst in Deiner Verlegenheit zu mir. Dies Vertrauen freute
mich unendlich, und um so mehr thut es mir wehe, daß ich
gerade in selbem Augenblicke kein Geld hatte, um Dir zu
helfen. Du verließest mich, doch Dein Unglück ging mir so
zu Herzen, daß helle Thränen meinen Augen entströmten. —
„Ich muß ihm helfen, koste es, was es wolle," rief ich aus,
und augenblicklich mich auf den Weg machend, kassierte ich
einige rückständige Gelder ein, eilte in Deine Wohnung, um
Alles, was ich besaß, Dir zu übergeben. Da mußte ich mit
Schmerzen erfahren, daß Du nach Feltre gegangen seiest. Ha
Schändlicher, ich crrieth, was Du dort wolltest, Du hattest kein
Vertrauen zu mir. Doch es sei vergessen. Ich ■ eile Dir nach,
finde Dich jetzt und lasse Dich nicht früher los, bis ich nicht
geholfen habe. Meine Kaffe steht Dir zu Diensten, disponirc
nach Belieben, thue mit dem Gelde, was Du willst, nur nehme
es an, ich bitte Dich, ich beschwöre Dich, zeige, daß Du mein..
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