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Die Preis-Komposition.

satter, dem Bürgermeister, dann in die Pfarrwohnung. Mit
befriedigter Miene kam er wieder. „Kinder," sprach er, „mein
Entschluß ist gefaßt. Ich lege mein Amt zu Gunsten Fran-
zen's nieder, und ihr gebt mir das Gnadenbrot. Mit dem
Bürgermeister habe ich die Sache schon in's Reine gebracht; er
ist einverstanden und glaubt auch an die Zustimmung des Raths.
Nur der Herr Pfarrer hat noch wegen der Jugend des Can-
didaten einige Bedenken. lieber seine Würdigkeit sind alle Stim-
men einig. Ich bin überzeugt, daß auch der Herr Pfarrer noch
auf unsere Seite treten wird, und so hoff' ich denn mit Gottes
Hilfe ein glückliches Gelingen. Wem sollte ich auch die Nach-
folge auf dieser meiner einträglichen Stelle lieber gönnen und
wünschen, als Dir, mein Sohn? Und lang würd' ich's doch
nimmer treiben."

Die jungen Leute standen in Verwunderung und Staunen;
ihre Vorstellungen so wie Franzen's Protestationen waren
vergeblich. „Es ist Alles reiflich überlegt und bereits ausge-
führt", erwiederte er. „Euer Abwehren kommt jedenfalls zu spat.
Und wie gesagt, ich denke, daß die Sache zum Besten Aller
ausschlägt. Meine Abdankung und die Wahl des neuen Lehrers
wird in der nächsten Sitzung vorgenommen und das Ergebniß
sodann der fürstlichen Regierung zur Bestätigung vorgelegt werden.
So will es die neue Verordnung. Wie Seine Hochehrwürden
erzählten, wäre der fürstliche Kirchen- und Schulrath eben auf
einer Inspektionsreise durch das Land begriffen und würde ver-
muthlich demnächst auch unfern Markt berühren. Franz solle
dann durch Proben seiner Geschicklichkeit in Schule und Kirche
die Zufriedenheit dieses Herrn zu gewinnen suchen, denn von
dessen Entscheid hänge zuletzt Alles ab. Und also, Franz, so
schloß der würdige Greis, liegt ein großer Theil Deines Glückes
in Deinen eigenen Händen. Gott aber gebe dazu seinen Segen."

Die Prüfungen.

Die Sache ging über Erwarten günstig. Die Gemeinde
erklärte sich mit dem Vorschläge des alten, verdienten Lehrers
einverstanden, auch der Ortsgeistliche war's zufrieden. Die Ent-
scheidung lag nun in der Hand des mit Spannung erwarteten
Kirchen- und Schulrathes. „Er ist da; er ist so eben angekom-
men!" — rief der Vater, von einem Besuche bei dem Bür-
germeister heimkehrend, „der Herr Schulrath nämlich", setzte
er sich selbst verbessernd sogleich hinzu. Ich habe ihn bei Seiner
Hochehrwürden absteigcn sehen!" —

Es gab eine strenge Schulprüfung. Der Herr Schulrath
faßte den jungen Candidaten scharf in's Auge. Er war von
der Absicht des alten Lehrers von dem Ortsgeistlichen unterrichtet
worden und hatte sogleich bedenklich das Haupt geschüttelt. „Eine
der besten Schulstellcn des Fürstenthumes einem so jungen
Menschen?" — rief er. „Hat man nicht gedientere, würdige
Männer, die lange auf solch' ein Brod warten? Aber wir
werden sehen."

Darum also der scharfe Ton, mit dem der hohe geistliche
Hirte den Candidaten befragte und anwies, und darum das
Kreuzfeuer der Fragen und Aufgaben, die er ihm vorlegte.
Franz aber stand kugcl- und hiebfest, und seine Schuljugend war

hergerichtet, daß Eltern und Examinatoren sich über den Ver-
stand und die Antworten der Kinder schier selber verwunderten,
und nicht geglaubt Hütten, was für Weisheit und Gelehrsamkeit
in ihren Jungen steckte. Das Erste also war glücklich überstan-
den. Alle Bekannte und Freunde begrüßten und beglückwünschten
Franz; selbst der Herr Inspektor beschenkte ihn mit einem
freundlichem Worte, und Lorchen, die von ihrem Vater Kunde
über den Verlauf der Prüfung und die allgemeine Zufriedenheit !
erhalten hatte, nun ja, Lorchen siel ihrem Verlobtem mit einem !
unaussprechlichen Gefühl des Stolzes und der Liebe um den
Hals. — „Morgen einen gleich glücklichen Erfolg auf Deiner
Orgel, lieber Sohn," sprach der Vater mit innerer Genugthuung,
„und Du hast gewonnen. Der Kirchen- und Schulrath hat dann
keinen Grund, die Wahl der Gemeinde zurückzuweisen." Er
begegnete einem sorglosen Lächeln auf Franzen's Gesichte.
Die Musik war sein Element, die Orgel gleichsam seine zweite
Heimath; er fühlte sich im Reiche der Töne einen Selbstherrscher
und willig gehorchten ihm die Geister dieser singende», klingen-
den Welt. Wie wollte er alle Schwingen seiner Phantasie ent-
falten, all' die Adern seiner Hoffnung und Sehnsucht öffnen,
jede Ahnung des Höchsten und Herrlichsten, jedes Gefühl der
Andacht und Liebe strömen lassen! Der kommende Tag, ein
Sonntag, war zugleich ein Festtag seiner Seele, es war der
Geburtstag seiner Lore; — und er wollte ihn feiern im Chor
der Töne, im Jubel der Hymnen, — und Niemand außer ihm
und ihr sollte ahnen, wem alle die Pracht der Harmonien und
Melodien gälte.

Die Glocken läuteten zum Kirchgänge. Franz saß auf
! seiner Orgelbank. Ein kleiner über seinem Haupte angebrachter
Spiegel ließ ihn das Schiff der Kirche, Altar und Kanzel über-
sehen. Ihm zur Seite stand der greise Lehrer als Kantor am-
tircnd, unten in einem Seitenstande saß sein Alles, seine Ver-
lobte, Lore, das Gesangbuch vor sich haltend, züchtig und schön,
wie eine der Jungfrauen auf dem Altar-Bilde, die dem Herrn
dienten. Wenn sie das Antlitz erhob und einen flüchtigen Blick
nach der Orgel hinauf sandte, und wenn zu gleicher Zeit Franz
in den Spiegel zu seinem Häupten schaute, so konnte er wohl
in das liebe, selige Auge wie in den aufgedeckten Himmel'sel-
ber sehen; und schon manch' ein stummes Gespräch hatte da
oben sein Herz mit ihrem Bilde gepflogen und Andacht gehal-
ten vor dem Mariengesichtchen voll Reinheit und Liebe. Heute
sollte sie, die Heilige seines Herzens auch der Schutzengel des
Tages und seiner Zukunft werden, und er weihte ihr, aus der
Tiefe seiner Seele einen Hymnus, wie er herrlicher und voller
an dieser Stätte noch nie erklungen sein sollte.

In dem vergitterten Stande zunächst der Kanzel hatte der
fürstliche Kirchenvisitator Platz genommen in der doppelten Ab-
sicht, nicht allein den Ortspfarrer predigen, sondern auch den
neu anzustellcnden Organisten spielen zu hören.

Dieser begann. Ein schlichter harmonischer Satz, als sän-
gen vier Engel, zog durch die Hallen. Man mochte in seinen
sanften Bindungen und Lösungen gleichsam die milde Dämmerung
finden, aus welcher der herannahende Morgenstern aufleuchten
sollte. Und er kam, dieser Stern, die prächtige Bach'sche Fuge

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