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Der Hei

Neugier begafft, wohl auch da und dort ein Stück unver-
schämter Weise in die Hand genommen hatte, hochmüthig dumm
; lächelnd den Sachen den Nucken zugedreht hatte und mit
höhnischer Miene an dem Sekretär vorbeigestrichen war, manche
mit den Geldstücken in der Tasche klimpernd, als wenn sie
sagen wollten: „Sicht er, guter Freund, da wäre wohl mehr
als nöthig ist um Mitglied eures Vereines zu werden. Aber
wir wiffen's besser anzuwenden, als um euren Kram zu ver-
mehren."

Plötzlich hörte man einen Wagen im schnellsten Trab
über das Pflaster rasseln: er hielt vor dem Hause. Da wurde
es mit einem Male Tag im Herzen des Sekretärs, die Falten
auf seiner Stirne verschwanden, seine kummervolle Miene nahm
einen heiteren Ausdruck an, er rückte sich aus dem Stuhle
j zurecht, nahm die rasch gespitzte Feder zur Hand und schaute
] erwartungsvoll in bolzgerader Haltung nach der Treppe hin.
Offenbar war eine hohe Persönlichkeit angelangt, vielleicht so-
gar ein Mitglied des regierenden Hauses. Ei» glänzender
Beitrag konnte nicht ausbleiben, das Vorbild des hohen Gönners
mußte Nachahmung finden, eine neue, schönere Zeit brach für
den Verein an, seine dürftige Sammlung erweiterte sich zu
einem Museum, und der Titel: „Erster Sekretär des National-
museums" war doch etwas, das sich hören lassen konnte. Jetzt
wurden unten mehrere Männerstimmen laut, und kräftige
Tritte kamen die Treppe herauf. Sickcrlich eine sehr hohe
Person, die vermöge ihrer Stellung derb aufzutreten gewohnt
' war, mit Gefolge! Der Sekretär machte sich bereit, mit einer
raschen Bewegung vom Stuhle aufzuspringen und eine gelungene
Reverenz zu machen, auch auf eine etwa hingeworfene Frage
unverweilt in der richtigen Form zu antworten.

Sie nähern sich, sie sind da, er sieht — Gerechter Gott,
was muß er sehen! Nein, es ist zu arg, es ist niederträchtig,
infam! Ein gewichtiger, wohlhäbiger Bauer im langen, blauen
Tuchrock und rother Weste mit den großen Scchsbätznerknöpfen, den
Dreispitz auf dem Kopfe, taucht aus, und ihm auf dem Fuße
folgen fünf andere eben solche Individuen. Sie nehmen die
Hüte ab und nähern sich langsamen, gemessenen Schrittes, in-
dem sie sich neugierig nach allen Seiten Hinsehen. ES wäre
schwer zu beschreiben, was im Inneren des Sekretärs vorging.

! Daß cs auch eine weniger hohe Person sein könne, nun ja,
das batte er sich selbst schon als möglich gedacht. Er hätte am
^ Ende auch mit einem Minister, einem Rath, einem Banquier
; vorlicb genommen, ja überhaupt mit einen: anständigen ge-
bildeten Menschen. Aber Bauern, ein halbes Dutzend Bauern!
nein, da hörte Alles auf. Also mit der Ankunft von sechs
Bauern sollte die Ausstellung enden, das war der Schlußakt
des Festes, zu dem man so große. Vorbereitungen getroffen,
von dem man sich so viel versprochen hatte! Es war zu toll,
es ging über das Acrgcrn hinaus, cs war zum Lachen!

Er hatte über diesen Betrachtungen nicht bemerkt, daß
die Bauern nicht auf die Saalthüre, sondern auf seinen Tisch
zusteuerten, und erst die Frage des Vordersten: „Kann man
hier den Beitrag bezahlen, daß man in den Altcrthumsvercin
ausgenommen wird?" brachte ihn wieder zu sich. Noch nicht

d e n g o t t.

ganz klar geworden, antwortete er: „Za, ich bin der Sekretär.
Was wünschen Sie?" „Hier ist mein Kroncnthaler," sagte
der Bauer, indem er den harten Thaler auf den Tisch legte.
„Jetzt seien Sie so gut und notiren Sie mich!" Er nannte !
seinen Namen, und der Sekretär trug ihn in das Verzcichniß
ei». „Und da ist der meinige," sagte der zweite, ebenso der :
dritte, und so fort bis zum sechsten. Der Sekretär hatte die
Namen notirt und das Geld in Empfang genommen, alles
ganz mechanisch, er glaubte zu träumen. Erst als die Bauern
von ihm weg in den Saal eingctreten waren, schien er zu ;
erwachen. Es war kein Traum, cs war wirklich so: da standen i
die sechs Namen, und da lagen die sechs vollwichtigen Thaler! !
Er fuhr mit der Hand über die Stirne, als wenn er, was ^
noch Verworrenes in seinem Kopfe war, vollends wcgwischen ;
und sich ganz klar werden wollte. Dann athmcte er tief auf: '
„Also so sollte cs sein! Während dio feinen, gebildeten Städter
mit ihren vollen Beuteln sich scheu an den Wänden vorbei- I
drücken und uns nichts zurücklasscn als ein höhnisches Lächeln,
treten die schlichten,, einfältigen Landlcute fröhlich zum Tische ;
heran und spenden uns ihr sauer erworbenes Scherflein. Un- [
begreiflich zwar, wie diese Leute dazu kommen, die von unserm
Verein wohl kaum den Namen gehört haben mögen, und für
die unsere Schätze keinerlei Interesse haben können. Doch sei
dem, wie ihm wolle. ^.Leipio omen! Mögen sie alle kommen
die wacker» Bauern, und die Städter beschämen, die ja in der
Mehrzahl, was wahre Liebe zur Sache und wirkliches Ver-
ständniß anbetrifft, auch nicht hoch über dem Bauernvolkc stehen!"

So sprach bei sich, auf dem Stuhle znrückgelchnt, der biedere
Sekretär. Mittlerweile waren die Bauern in den Saal eingc-
treten und hatten sich dem dienstthuendcn Gelehrten als neue
Mitglieder präsentirt. Hochverwundert schaute der sie an, doch
faßte er sich bald und wies ihnen mit um so größerer Freundlich-
keit seine Raritäten. Und aufmerksame Zuhörer hatte er, das
mußte er bekennen; man sah wohl, daß ihnen kein Wort von
allem entging, was er ihnen sagte. Besonders scharf schienen
sie hinzuschauen, wenn eines der alten, rohen Steinbilder aus
der Römerzeit vorkam, ja aus den seltsamen Blicken, die
sie einander zuwarfen, aus halblauten Aeußerungcn, die der
Gelehrte vernahm: „Schau, das ist auch so einer! Der

unsrige ist doch noch gräulicher! Er könnt's sein um ein Haar!"
glaubte er schließen zu müssen, daß die Bauern selbst auch im
Besitze von Antiquitäten seien, und nahm sich vor, wenn er
mit seiner Erklärung zu Ende sei, etwas auf den Busch zu
klopfen. Wer wußte, vielleicht hatten sic eine» großen Fund
gemacht, dieser hatte ihr Interesse geweckt und gewiß beabsich-
tigten sie, ihn auf den Altar des Vaterlandes niederzulegen.

Man trat in das letzte Cabinct. Hastig drängten sich die
sechsc herein. „Dort steht er! Er ist's!" murmelten sie leise,
für den Gelehrten selbst unhörbar, einige rasche Blicke wurden
gewechselt, Blicke tiefen Einverständnisses, die Gesichter nah-
men den Ausdruck größter Spannung an, aber zugleich auch
den hoher Entschlossenheit. Eben erklärte der Gelehrte seinen
Zuhörern ein altes Gemälde rechts an der Seitcnwano, die Bauern
hatten sich dicht um ihn hcrgedrängt: da hörte er hinter sich
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