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Poesie u »

sein Antlitz. Und über die Häupter der drei rauschten die
drei martcrvollste», entsetzlichsten Sccunden ihres Lebens dahin.

Emmeline war die Erste, welche die Sprache wieder ge-
wann. „Was — soll das?" zitterte cs über ihre Lippen
und ihre Hand faßte nach einer Stuhllehne, denn sie fürchtete,
umzusinken. Clothilde vermochte nur einen unartikulirten Schrei
auszustoße» und klammerte sich, wie Hülfe suchend, an ihre
Freundin an. Der „Baron" aber schnappte, wie ein kranker
Vogel, nach Luft und große Schweißtropfen perlten auf seiner
Stirn.

„So hat mich denn mein Verhängniß ereilt und der
Hochmuthstcufel mir das tollste Schnippchen geschlagen!" würgte
er aus der widerstrebenden Kehle dumpf heraus und schlug
sich mit der geballten Faust vor die Stirn. Gleich darauf
richtete er sich aber empor und mit der Vernichtung der Ver-
zweiflung in den Mienen sah er die beide» Damen jtarr an
und sprach, nachdem er ein krampfartiges, heiseres Lachen be-
kämpft: „Ganz ergebenster, meine Damen. Nachdem der un-
glückseligste aller Zufälle Sic hierher geführt, bleibt mir nichts
übrig als Ihnen in wenigen Worten eine erbärmliche Geschichte
1 zu erzählen, wie man Baron wird. Obschon es eigentlich über-
flüffig ist, will ich Ihnen doch sagen, daß nicht der Freiherr von
! Müller, sondern der Schncidcrgescllc und Werkmeister Müller
j Ichlcchtwcg ohne „„von"" und „„Baron"" vor Ihnen steht."

„Abscheulicher!" brach jetzt Emmeline los, die nun erst
ihre volle Besinnung wieder erlangt hatte. Händeringend stürzte
sic einige Schritte in's Zimmer vor, um unter den Worten:
„nein, ich vcrmag's nicht zu ertragen!" auf einen Stuhl zu
sinke». Sie hielt das Tuch vor die Augen, um den Eutletzlichen
nicht zu sehen, der sie nicht nur jäh aus ihren schönen Träumen
nufgerüttelt und sic mit einem Ruck aus dem Reiche ihrer
! poetischen Gebilde in das Land der allerschalsten, der gemeiu-
i >ten Prosa versetzt, sondern sie auch der Schmach der Lächcr-
i iichkcit Preis gegeben hatte. Clothilde, die . gefaßter erschien,
stand »eben ihr und hielt ihr theilnehmcnd den Kopf, Müller
j aber nahm den unt^brochencn Faden seiner Rede also wieder
! nuf: „Vernehmen Sie denn in wenigen Worten meine Geschichte,

> Sie werden dann vielleicht mir etwas mildere Richter sein.

' 3ch bin ei» harmloser Schneidergesellc und beleidige kein Kind.
Ich habe mich bisher durch die Arbeit meiner Hände redlich
genährt und denke, mich aucb ferner in Ehren durch die Welt
i Su schlagen. Läugnen mag ich aber nicht — und es gereicht
mir dies wohl nicht zur Unehre—daß ich immer nach Höherem
ge>trebt habe und mich soweit möglich zu bilden beflistcn gc-
l west» bin. Daher nahm ich auch die just passende Gelegenheit
wahr und ging als eine Art Kammerdiener oder Sekretär mit
vinem adeligen Herrn aus Reisen. Ich darf sagen, daß ich mich
nicht ohne Nutzen in der Welt umgcsehen und mich mit einigem
Geschick in höheren Kreisen zu bewegen gelernt habe."

Der Redner hielt einen Augenblick innc und Emmeline
nickte zustimmend unwillkürlich leise mit dem Kopfe, während
diu kaum merkbares Lächeln Clothildens Mund umzuckte.

„Ich lebte still und harmlos," ließ sich der junge Mann
nicht ohne einen Anflug von Pathos weiter vernehmen. „Da

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wollte es mein Unstern, daß ich fünfhundert Thaler in der
Lotterie gewann. Augenblicklich fuhr mir der Hochmuthstcufel
in den Kopf und der Gedanke, auch einmal zu probire», wie
sich's in der vornehmen Welt lebt und man sich als großer
Herr ausnimmt, wurde so verlockend in mir, daß ich ihm bald
nachgab. Mit der Vornahme daö Glücksgeld d'rauf gehen zu
lassen, warf ich Nadel und Scheerc weg, mich selbst aber in
elegante Kleidung, nahm Extrapost und fuhr auf gutes Glück
ein Stück in die Welt hinein. Das Baronisiren wurde mir
sehr leicht gemacht, da ich überall vermöge meiner noblen Er-
scheinung mit offenen Armen ausgenommen wurde und eö mir
auf einen Griff mehr in den Geldbeutel nicht ankam."

Müller mußte wieder iunc halten, denn die Herrin des
Eulenhorst schluchzte in diesem Augenblicke überlaut, während
ihr Clothilde mitleidig mit dem Battisttuchc die Stirne rieb.
Da faßte sie sich aber gewaltsam, sie weinte nur still in das
Tuck hinein, der Schneider konnte fortfahren.

(Schluß folgt.)

Preisfrage für Aerzte.

Es ist allgemein bekannt und angenommen, daß man
sagt: „Mir ist etwas in die Unrechte Kehle gekommen", so-
balo man während des Essens oder Trinkens sich verschluckt,
und dadurch von der gerade im Munde befindliche» Speise
oder Trank eine Kleinigkeit in die Luftröhre bringt, wodurch
stets ein krampfhafter oft schmerzlicher Husten hervorgebracht
wird.

Wie ist es nun möglich, daß etwas in die Unrechte
Kehle kommen kann, wenn man gleich nicht das Blindeste iin
Mupdc hatte, weder unmittelbar vor, noch während des Hust- j
rcizes, welcher doch durch das llnrechtegurgelkommcn entstan-
den ist?

Auflösung durch ein Beispiel:

Der Herr Zollamtsassistent Fuchtelbein befindet sich mit
seiner Gattin, unter deren weisem Scepter er sich, um des
Hochgenusses ehelichen Hausfriedens im vollsten-Maße theil-
haftig zu werden, freiwillig und zwar mit aller Devotion
gestellt hat, auf einem Balle und hat so eben von dieser sei-
ner Gattin den Befehl erhalten, eine Schale EiS, zur Ab-
kühlung für sie, herbcizuschaffen oder schaffen zu lassen.

Fuchtelbein, welcher keinen schöneren Beruf kennt, als
sich seiner Ehehälfte dienstbar zu bezeigen, eilt zum Büffet, !
läßt unverzüglich eine Schale Punscheis Herrichten, bezahlt scl- 1
bcS und befiehlt einem Aufwärter, dieses seiner Frau zu i
bringen; da jedoch der Aufwärtcr die Madame Fuchtclbcin
nicht persönlich kannte, so ersucht er Herrn Fuchtelbein um
nähere Bezeichnung. Dieser, gerade von seinem Herrn Amts- !
verstände angcredct, kann sich natürlich nicht in nähere Er- >
örtcrungen hierüber einlasscn und zeigt daher blos mit der
Hand an einen Tisch, woran zwei Damen sitzen, indem er !
sagt: „Die rechts sitzt, ist meine Frau." — Nun wollte es '
aber das Schicksal, daß gerade in diesem Momente beide Da-

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