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auf unser letztes Stindlein vor und fielen einander gerührt
I um die Hälse.

„Kohle," sagte ich, „wenn ich Dir jemals etwas gcthan
habe, so nimm's mir nicht ibel."

„Nein, Du hast mir nichts nicht zu Leide beigefigt," sagte
Kohle, „aber wenn Du auf mich böse bist, Graf, dann laß cs
auch jetzt gut sein."

Wir wollten noch mehr reden, konnten aber vor Rihrung
nicht und traten wieder an den Rand von das Schiff, wo wir
i in fortgesetzter Jbelkcit verblieben.

Wie lange dieses dauerte, das kann Keiner nicht sagen,

; aber endlich schrieen Alle aus das Schiff wie Kohlumpus:

! Land! Land! Und wirklich lag auch ein Stücke Land mitten
vor uns in der See. Bei diesen Anblicke wurde es uns auf
einmal viel besser. Es dauerte auch nicht lange, so hatten wir
j unsere geistlichen Kräfte und das Reisegebäck zusammengcsucht,
denn es wurde gehalten und man verließ das Schiff, was wir
mit Vcrgnigen thun thaten und in ein Boot stiegen, das uns
vollends auf das Land brachte, wo wir aber immer noch sehr
zerrittelt auftraten.

Der Empfang von die neuen Ankömmlinge ist in Helgo-
land nicht etwa crfrcilich, weil sich die dortigen Badgäste am
mehrstcn mit Sbott und Schadenfreide in ihre Langeweile be-
schäftigen. Wenn also nun einer von das Schiff, kommt, muß
er zwischen alle diese neigicrigen Gäffcr hindurch und Jeder
macht über Jeden einen schlechten Witz oder einen maliziösen
Blick. Dieses Vcrgnigen nennt man die sogenannte Lastcrallec,
weil sich hier das gansc Laster von Helgoland versammelt.

Wenn sich nun die Badegäste an die neicn Baffcschiercr
satt gelästert und gelacht haben, dann sucht man sich durch ein
gutes Essen für die Schlechtigkeit der Mitmenschen zu cnt-
schädlichcn, wozu man hier auch einen sehr guten Wein kriegt
j und auf diese Weise die Beschwerten dieses Lebens wieder
l vergißt.

Die Insel Helgoland ist eine sehr cigenthiemliche Einrich-
tung von die Natur, welche bei die Fabrikazion von Eiropa
hier scheint ein kleines Kleckschen Land verloren gehabt zu ha-
ben, das nun als Seebad dient.

Die Helgoländler aus die alte Zeit sind blos ganz schofle
Seereibcr gewesen und viele von die Schiffer aus die heilige
Zeit scheinen dieses Geschäftchen mit unveränderte Mittel fort-
zusetzcn, denn Wehe den Fremdling, der sich in eins von ihre
Bote setzt und hat nicht vorher mit ihnen abgehandelt, dann
kann er wirklich denken, daß er mit Störzenbcchers Nachfolger
! zu thun hat. Die andern Helgoländer nennt man Lotsen,
i weil sic den gansen Tag können aus einer Stelle lehnen und
i blos das Meer angucken, wozu eine sehr langjährliche Jbung
gehören soll. Kommt nun durch wicdcrlichcs Wetter einmal
Einer mit einem Schiffsbruch hierher, so retten sie ihn erst
und dann ziehen sie ihn aus, welches man Strandrecht nennt
und welches bei uns auf das flache Land die Herrn Advokaten
besorgen, weshalb man die Helgoländler lauter Wasseradvokatc»
nennen kann. — Die Helgoländlerinnen unterscheiden sich von

die Männer blos durch ihr Geschlecht und die Bekleidung,
sonst aber sind sie sehr zu bedauern, w'eil^ihre Gemähter aus
lauter Faullenzern bestehn und sie deßhalb alle männlichen Ge-
schäfte selber besorgen müssen. Dieses darf man aber aus das
flache Land nicht versuchen, denn da wirdc cs Einen Eine ein-
mal gehörig anstrcichen.

Helgoland gehört eigentlich den Engländern, aber es ist
seit mehrere Jahre schon von die Berliner ganz allein in Besitz
genommen worden, weil diese hierher kommen um sich von
ihre Gegend zu kuhriren, oder an was sie sonst für gefähr-
lichen Krankheiten leiden, für die das Seebad eine Erholung
bietet.

Das Erste, welches einen Jeden bassirt, wenn er nach
dieser Insel kommt, dieses ist, daß ihn der scharfe Wind den
Hut entfiehrt und in die See bläst, was zwar recht artig und
cheflich aussieht, aber doch eine rechte Grobheit ist.

Auch wir sind aus diese Weise emfangen geworden, indem
daß uns der Wind die Kobfbedcckung gleich abnahm. Um aus
diesem Jbelstande herauszukommcu, kaufte» wir unö bei einem
Eingcbornen zwei wachslcinwänderne Nazionalhüte, die man
wegen die schiefe Richtung, die sie auf jedes Gesicht Herstellen
blos Siedwestcr nennt.

Oben auf die Insel ist jedoch auch in andere Hinsicht
der interessanteste Theil und heißt das Oberland, weil man
blos auf eine Treppe hinaufgelangcn kann. Hier oben ist cs
aber freilich ganz kahl und Beimc sucht man mit Vergeblich-
keit. Dahingegen benennen die Helgoländer gerade alle ihre
Wege und Spaziergänge mit den Namen Alleen, damit daß
sie doch den Namen haben, wenn ihnen auch die Beime fehlen
und hat man außer die Lastcrallec noch die Kartoffclallee, die
Gesundhcitsallee, die Bindfadenallce u. s. w.

Die ganze Fegetazion besteht nur in Kartoffeln und ein
dirftiges Gras, weßhalb sich die irgend vcrninftigcn Hausthiere
gar nicht hier aufhaltcn. Außer einige Schaafc, welche Fisch-
gräten fressen, findet man daher gar nichts Rehsbecktablcs auf
der Insel, Pferde auch gar nicht und mit Mihe und Noth
hat der Herr Guwernör für seine Familienverheltnissc eine alte
gutmicthigc Kuh zum Dablciben zu bewegen gewußt.

Auch befindet sich hier oben der Leichthurm, welcher dazu
dient, die fehlende Straßcnbelcichtung aus das offene Meer zu
ersetzen und eine sehr mcnschcnfrcindlichc Erfindung ist, damit
sich die nächtlichen Seefahrer nicht die Köbse an die verschie-
denen Felsen der Umgegend cinstoßcn.

Die gansc Insel ist jedoch von oben gesehen sehr an
münichadur und kann man sie mit ein Auge ganz bequem
übersehen. Die schönsten Bunkte sind aber die Felsen an der
Kiste, welche durch den Zahn der Zeit auSgchölt werden und
auch sonst noch ganz abcndcierlichtc Formen annehmcn. Von
einigen Bunkten nach der Siedspitze zu hat man eine recht
hibschc aber leider verbotene Ansicht auf das Seedamenbad,
warum sich auch hier immer die besten Fernrohre oder soge-
nannte Spcrspecktiefe zu versammeln Pflegen, allein auch immer
wieder verjage werden.

Herrn Graf's Reisetagebuch über Helgoland.
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