34 Deutsche Kleinstädter in Nöthen oder die ent
bei der Beurtheilung aller und jeder Fragen, die das Wohl
und Wehe unsrer Gesellschaft berühren, wohl nicht näher zu
erörtern, wie die vorerwähnte Begnadigung mit zwei Behör-
den tut Gefolge haben wird, daß wir in Zukunft nicht nur
einen Titl. Herrn Landrichter, sondern auch einen Titl. Herrn
Bczirksamtmann in unserer Mitte zu beherbergen die Ehre
haben werden. Und damit, meine Herren, bin ich auf den
Punkt gekommen, dessen eingehende, gründliche und allseitige
Besprechung mir zunächst unumgänglich geboten erscheint, wenn
nicht die neue Ordnung der Dinge, statt der guten Folgen,
welche allseitig von ihr erwartet werden, für unsere gute
Stadt, insonderheit für die Titl. Honoratioren, in specie für
unsere schätzbare Gesellschaft, eine Quelle der unsäglichsten
Kalamitäten, ja ich möchte fast sagen der Anfang vom Ende,
das heißt die Ursache ihrer Destruktion oder, mit anderen
Worten, ihrer Auflösung werden soll.
Sie wissen, meine Herren, wenn die gesellschaftlichen
Verhältnisse in einem Orte nicht total aus den Fugen gehen
sollen, so muß dem Stande und der Stellung der einzelnen
Mitglieder derselben die gebührende Rechnung getragen wer-
den, so müssen, um mich deutlicher auszudrücken, die Rang-
unterschiede, wie sie entweder durch hohe, höchste und aller-
höchste Bestimmungen schon gesetzlich norniirt, oder doch durch
die sechste Großmacht, die öffentliche Meinung, festgestellt
sind, auch in den gesellschaftlichen Beziehungen auf das
Strengste beobachtet werden. Ich meinerseits halte dieses für
einen Beweis der Bildung, für ein untrügliches Kennzeichen
der Würdigkeit unter Honoratioren sich zu bewegen, denn
nur der ungebildete Mann wird nach meinem Dafürhalten
sich darüber hinwegsetzen, wird mit derselben rohen Gemüths-
ruhe schlafen, wenn auch kurz zuvor ihm oder seiner resp. Fa-
milie in irgend einer gesellschaftlichen Berührung nicht der
seiner Stellung nach gebührende Platz eingeräumt, wenn der-
selbe von einem im Range tiefer stehenden Jnviduum usur-
pirt worden ist. Es wird Ihnen, meine Herren, nunmehr
klar sein, worauf meine heutige Rede in ihrer engeren Be-
deutung eigentlich abzielt. (Mit gehobener Stimme.) Es ist,
meine Herren, die hochwichtige, in ihren Wirkungen ganz in-
commensurable Frage, wem nach Einführung der neuen Ge-
richtsorganisation, bei unseren gesellschaftlichen Zusammenkünf-
ten, Concerten, Bällen u. dgl. der Vortritt gebühre: dem
Herrn Landrichter oder dem Herrn Bezirksamts-
manne — es ist diese hochwichtige Frage, welche ich, da
ich einen bestimmten Aufschluß über die Rangverhältnisse der.
genannten Behörden in den Gesetzen bisher nicht finden konnte,
! Ihrer weisen Berathung hiemit unterstellt haben will. Ich
meinerseits will die Ansicht der sehr verehrlichen Herren über
die vorwürfigc Frage durch mein Votum nicht im Mindesten
präocenpiren und behalte mir deshalb vor, dasselbe erst dann
abzugeben, wenn die verehrten Herren, Ihre respektiven An-
sichten über die mehrgedachte Frage geäußert haben werden.
— Ich habe gesprochen. —
(Allgemeines Bravo, darauf eine Pause.)
setzlichen Folgen einer Gerichtsorganisation.
Der Herr Apotheker (leise zum Herrn Geometer)
„Sie, Herr Geometer, wer hat denn nach den neuen Gesetzen
die Visitation der Apotheken vorzunchmen?"
Der Herr Geometer: „So viel ich weiß der Be-
zirks ..."
Der Herr Apotheker: „Ich bitte um's Wort."
Der Herr Vorstand: „Der Herr Apotheker haben
das Wort."
Der Herr Apotheker: „Meine Herren! Meine un-
maßgeblichste Ansicht ginge dahin, daß bei dem weitgreifen-
den dienstlichen Wirkungskreise, welcher dem zukünftigen Be-
zirksamtsmanne zugewiesen ist ..."
Der Herr Geometer (leise zum Herrn Apotheker)
„Die Bestrafung der Contraventionen gegen die Apotheker-
ordnung hat übrigens, so viel ich weiß, der Landrichter."
Der Herr Apotheker (fährt fort): „Heißt das,
natürlich, soferne dem Herrn Landrichter nicht etwa gleiche
oder gar wichtigere Thätigkeit eingeräumt sein sollte, und
wenn ich mich nicht ganz täusche, auch eingeräumt ist, wonach
ich also der Ansicht bin, daß nicht so fast dem Herrn Bc-
zirksamtsmanne, sondern vielmehr aus den von mir zuletzt
erwähnten Motiven, dem Herrn Landrichter der Vorrang ge-
bühren dürfte."
Der Herr Vorstand: „Meine Herren, verlangt noch
Jemand das Wort?"
Der H err Stadtschre'ber : „Ich würde ergebenst
um das Wort gebeten haben."
Der Herr Vorstand: „Der Herr Stadtschreiber haben
das Wort."
Der Herr Stadtschreiber: „Meine Herren! Ich
glaube vor Allem sämmtlichen anwesenden Herren Mitgliedern
aus der Seele zu sprechen, wenn ich unserem allverehrten
Herrn Vorstande für die fast ungewöhnliche Umsicht, mit
welcher er wie immer, so auch in eonoreto, Sorge dafür ge-
tragen hat, daß wir von der neuen Ordnung der Dinge nicht
gänzlich unvorbereitet überrascht, so zu sagen, förmlich über-
fluthet werden, zuvörderst unfern tiefgefühltesten Dank aus-
spreche. Was nun die Sache selbst betrifft, meine Herren,
so läßt sich nicht läugnen, daß die Ansicht, welche der
geehrte Herr Vorredner, der Herr Apotheker, so eben ent-
wickelt haben, sehr vieles für sich hat. Gleichwohl möchte
mit Rücksicht darauf, daß die Angelegenheiten der uns doch
zunächst am Herzen liegenden Stadt, deren Vertretung in
unterster Instanz meine Wenigkeit zu haben sich schmeichelt,
nicht der Herr Landrichter, sondern der Herr Bezirksamts-
mann zu überwachen haben wird — so möchte, sage ich, mit
Rücksicht hierauf, auch die gcgentheiligc Ansicht, wonach der
Herr Bezirksamtsmann mehr in den Vordergrund zu treten
hätte, nicht gerade durchaus ohne alle Begründung sein.
Meine Wenigkeit will übrigens keineswegs maßgebend
sein, überhaupt zur Zeit ein bestimmtes Votum gar nicht
abgeben; sie erlaubt sich vielmehr der .sehr verehrlichen Ge-
sellschaft den präjudiciellen Antrag zu proponiren: es sei
unser allverehrter Herr Vorstand zu ersuchen, schon jetzt die
bei der Beurtheilung aller und jeder Fragen, die das Wohl
und Wehe unsrer Gesellschaft berühren, wohl nicht näher zu
erörtern, wie die vorerwähnte Begnadigung mit zwei Behör-
den tut Gefolge haben wird, daß wir in Zukunft nicht nur
einen Titl. Herrn Landrichter, sondern auch einen Titl. Herrn
Bczirksamtmann in unserer Mitte zu beherbergen die Ehre
haben werden. Und damit, meine Herren, bin ich auf den
Punkt gekommen, dessen eingehende, gründliche und allseitige
Besprechung mir zunächst unumgänglich geboten erscheint, wenn
nicht die neue Ordnung der Dinge, statt der guten Folgen,
welche allseitig von ihr erwartet werden, für unsere gute
Stadt, insonderheit für die Titl. Honoratioren, in specie für
unsere schätzbare Gesellschaft, eine Quelle der unsäglichsten
Kalamitäten, ja ich möchte fast sagen der Anfang vom Ende,
das heißt die Ursache ihrer Destruktion oder, mit anderen
Worten, ihrer Auflösung werden soll.
Sie wissen, meine Herren, wenn die gesellschaftlichen
Verhältnisse in einem Orte nicht total aus den Fugen gehen
sollen, so muß dem Stande und der Stellung der einzelnen
Mitglieder derselben die gebührende Rechnung getragen wer-
den, so müssen, um mich deutlicher auszudrücken, die Rang-
unterschiede, wie sie entweder durch hohe, höchste und aller-
höchste Bestimmungen schon gesetzlich norniirt, oder doch durch
die sechste Großmacht, die öffentliche Meinung, festgestellt
sind, auch in den gesellschaftlichen Beziehungen auf das
Strengste beobachtet werden. Ich meinerseits halte dieses für
einen Beweis der Bildung, für ein untrügliches Kennzeichen
der Würdigkeit unter Honoratioren sich zu bewegen, denn
nur der ungebildete Mann wird nach meinem Dafürhalten
sich darüber hinwegsetzen, wird mit derselben rohen Gemüths-
ruhe schlafen, wenn auch kurz zuvor ihm oder seiner resp. Fa-
milie in irgend einer gesellschaftlichen Berührung nicht der
seiner Stellung nach gebührende Platz eingeräumt, wenn der-
selbe von einem im Range tiefer stehenden Jnviduum usur-
pirt worden ist. Es wird Ihnen, meine Herren, nunmehr
klar sein, worauf meine heutige Rede in ihrer engeren Be-
deutung eigentlich abzielt. (Mit gehobener Stimme.) Es ist,
meine Herren, die hochwichtige, in ihren Wirkungen ganz in-
commensurable Frage, wem nach Einführung der neuen Ge-
richtsorganisation, bei unseren gesellschaftlichen Zusammenkünf-
ten, Concerten, Bällen u. dgl. der Vortritt gebühre: dem
Herrn Landrichter oder dem Herrn Bezirksamts-
manne — es ist diese hochwichtige Frage, welche ich, da
ich einen bestimmten Aufschluß über die Rangverhältnisse der.
genannten Behörden in den Gesetzen bisher nicht finden konnte,
! Ihrer weisen Berathung hiemit unterstellt haben will. Ich
meinerseits will die Ansicht der sehr verehrlichen Herren über
die vorwürfigc Frage durch mein Votum nicht im Mindesten
präocenpiren und behalte mir deshalb vor, dasselbe erst dann
abzugeben, wenn die verehrten Herren, Ihre respektiven An-
sichten über die mehrgedachte Frage geäußert haben werden.
— Ich habe gesprochen. —
(Allgemeines Bravo, darauf eine Pause.)
setzlichen Folgen einer Gerichtsorganisation.
Der Herr Apotheker (leise zum Herrn Geometer)
„Sie, Herr Geometer, wer hat denn nach den neuen Gesetzen
die Visitation der Apotheken vorzunchmen?"
Der Herr Geometer: „So viel ich weiß der Be-
zirks ..."
Der Herr Apotheker: „Ich bitte um's Wort."
Der Herr Vorstand: „Der Herr Apotheker haben
das Wort."
Der Herr Apotheker: „Meine Herren! Meine un-
maßgeblichste Ansicht ginge dahin, daß bei dem weitgreifen-
den dienstlichen Wirkungskreise, welcher dem zukünftigen Be-
zirksamtsmanne zugewiesen ist ..."
Der Herr Geometer (leise zum Herrn Apotheker)
„Die Bestrafung der Contraventionen gegen die Apotheker-
ordnung hat übrigens, so viel ich weiß, der Landrichter."
Der Herr Apotheker (fährt fort): „Heißt das,
natürlich, soferne dem Herrn Landrichter nicht etwa gleiche
oder gar wichtigere Thätigkeit eingeräumt sein sollte, und
wenn ich mich nicht ganz täusche, auch eingeräumt ist, wonach
ich also der Ansicht bin, daß nicht so fast dem Herrn Bc-
zirksamtsmanne, sondern vielmehr aus den von mir zuletzt
erwähnten Motiven, dem Herrn Landrichter der Vorrang ge-
bühren dürfte."
Der Herr Vorstand: „Meine Herren, verlangt noch
Jemand das Wort?"
Der H err Stadtschre'ber : „Ich würde ergebenst
um das Wort gebeten haben."
Der Herr Vorstand: „Der Herr Stadtschreiber haben
das Wort."
Der Herr Stadtschreiber: „Meine Herren! Ich
glaube vor Allem sämmtlichen anwesenden Herren Mitgliedern
aus der Seele zu sprechen, wenn ich unserem allverehrten
Herrn Vorstande für die fast ungewöhnliche Umsicht, mit
welcher er wie immer, so auch in eonoreto, Sorge dafür ge-
tragen hat, daß wir von der neuen Ordnung der Dinge nicht
gänzlich unvorbereitet überrascht, so zu sagen, förmlich über-
fluthet werden, zuvörderst unfern tiefgefühltesten Dank aus-
spreche. Was nun die Sache selbst betrifft, meine Herren,
so läßt sich nicht läugnen, daß die Ansicht, welche der
geehrte Herr Vorredner, der Herr Apotheker, so eben ent-
wickelt haben, sehr vieles für sich hat. Gleichwohl möchte
mit Rücksicht darauf, daß die Angelegenheiten der uns doch
zunächst am Herzen liegenden Stadt, deren Vertretung in
unterster Instanz meine Wenigkeit zu haben sich schmeichelt,
nicht der Herr Landrichter, sondern der Herr Bezirksamts-
mann zu überwachen haben wird — so möchte, sage ich, mit
Rücksicht hierauf, auch die gcgentheiligc Ansicht, wonach der
Herr Bezirksamtsmann mehr in den Vordergrund zu treten
hätte, nicht gerade durchaus ohne alle Begründung sein.
Meine Wenigkeit will übrigens keineswegs maßgebend
sein, überhaupt zur Zeit ein bestimmtes Votum gar nicht
abgeben; sie erlaubt sich vielmehr der .sehr verehrlichen Ge-
sellschaft den präjudiciellen Antrag zu proponiren: es sei
unser allverehrter Herr Vorstand zu ersuchen, schon jetzt die