Deutsche Kleinstädter in Nöthen oder die ents
von ihm über die vorwürsige Frage gewonnene Ansicht Preis
zu geben, da mit Zuversicht anzunehmen ist, daß die sämmt-
lichen Anwesenden der aus gründlicher, tiefer und umsichtiger
Prüfung beruhenden Ansicht des Herrn Vorstands unbedingt
beizupflichten in der Lage sein werden. 8alvo meliore.
(Bravo, Bravo, sehr gut.)
Der Herr Vorstand: „Meine Herren! Mit tief-
gefühlter Rührung empfange ich die durch den beredten Mund
des sehr verehrlicheu Mitgliedes, des Herrn Stadtschreibers,
mir so eben gewordenen, mit Acclamation aufgenommenen
Beweise, Ihres mir so sehr schätzbaren Vertrauens. Nur
dieses Vertrauen ist es, meine Herren, sind Sie dessen versichert,
welches meine gewöhnliche Bescheidenheit zurückzndrängen und
mich zu veranlassen vermag, meine Ansicht über die heute
uns beschäftigende Frage Ihnen sofort darzulegen.
Hochzuverehrende Herren! Meine Meinung ist, daß wir,
um in der Sache vollständig sicher zu gehen, dem hohen
Staatsministerium, welches dem Lande schon so viele Beweise
seines Wohlwollens und seiner Sorgsamkeit gegeben, die vor-
liegende Frage vertrauensvoll zur gnädigen Beantwortung zu
unterbreiten, unterthänigst uns erlauben sollen.
Ich dächte deßhalb, daß es zu diesem Zwecke gerathen
wäre, auf Kosten der Gesellschaft eine Deputation zu Sr.
Exzellenz, dem Herrn Minister, in die Residenz abzuordnen.
Sollte mein Vorschlag genehm sein, und verchrliche Ge-
sellschaft mich mit Ihrem Vertrauen beehren, so wäre ich
gerne bereit, mich dieser Mission zu unterziehen und würde
als weitere Deputationsmitglieder den Herrn Apotheker und
den Herrn Stadtschreiber in Antrag bringen."
(Dem Anträge des Herrn Vorstandes wird zugestimml und beschlossen,
diesen, nebst dem Herrn Stadtschreibcr und dem Herrn Apotheker, als
Anfrage-Deputation zu Sr. Erzellenz, dem Herrn Minister, in die
Residenz abzuordnen.)
Die Deputation bei dem Herrn Minister.
(Der Herr Minister, nachdem die Deputation den Zweck ihrer Sen-
dung vorgebracht hat.)
„Meine Herren, auf Ihre Anfrage kann ich Ihnen er-
widern, daß der Landrichter und der Bezirksamtmann in
gleichem Range stehen."
Der Herr Vorstand: „Aber Ew. Exzellenz entschul-
digen gnädigst! Das ist — das ist — ja entsetzlich! In
gleichem Range?"
Der Herr Minister: „Allerdings, mein Lieber!
Beruhigen Sie sich übrigens, ich kann zu Ihrem Droste
noch beifügen, daß in einem wohlgeordneten Staate, wie dem
unsrigen, auch Vorsorge dafür getroffen ist, welchem von zwei
im Range gleichstehenden Beamten bei öffentlichen Feierlich-
keiten rc. der Vortritt zukömmt. (Man hört drei laute Alhemzüge.)
In solchen Fällen entscheidet das Dienstesalter.
(Die Deputation empfiehlt sich vergnügt und mit submisjestem Danke
für den gnädigst ertheilten Aufschluß.)
Nachdem die Deputation nach ihrer Rückkehr aus der
Residenz über die ihr daselbst von dem Herrn Minister ge-
etzlichen Folgen einer Gerichtsorganisation. 35
wordenen Aufschlüffe referirt hat, beschließt die Gesellschaft
neuerdings eine Deputation abzuordnen und zwar zu den
für das Städtchen neu ernannten beiden Beamten, dem Herrn
Landrichter und dem Herrn Bezirksamtmanne. Die Deputa-
tion soll den genannten Herren zu ihrer Ernennung die
Glückwünsche der Gesellschaft darbringen, diese Ihrem ge-
neigten Wohlwollen empfehlen und bei dieser Gelegenheit
auf eine feine Weise das Dienstesalter der beiden Herrn Be-
amten zu erfahren suchen.
Die Deputation bei dem Herrn Landrichter.
(Der Herr Gescllschaftsvorstand als Sprecher, nachdem er sich des
Glückwunsches entledigt.)
„Es sind wohl auch schon mehrere Jahre im Strome
der Zeit hinabgcflossen, seit Herr Landrichter in unserem
Baterlandc, zum Segen der Unterlhanen, im Garten der
Rechtspflege Ihre Thätigkeit zu entfalten pflegen?"
Der Herr Landrichter: „Du lieber Gott, freilich!
Ja, ja, wenn man so auf seine Dieusteslaufbahn zurückblickt,
wird mau sich seines Alters erst bewußt. Gestern waren >cs
gerade zehn Jahre, daß ich meine erste Anstellung im Staats-
dienste erhalten habe."
Der Herr Vorstand: „Ah."
(Die Deputation empfiehlt sich hocherfreut über den erzielten Erfolg.)
Die Deputation bei dem Herrn B czirksamtma n ne.
(Der Herr Gesellschaftövorstand als Sprecher nach Beendigung der
Gratulationsphrasen.)
„Wenn ich nicht irre, waren Herr Bczirksamtmann
früher in Dingsheim angestellt und sind dorthin kurz vor
dem großen Brande ernannt worden, welcher vor mehreren
Jahren fast das ganze Städtchen Dingsheim verzehrt hat.
O, wir erinnern uns noch gut, wie der Ruf von der Um-
sicht und Unerschrockenheit, welche Herr Bczirksamtmann bei
diesem Unglücksfalle so herrlich entfaltet haben, bis in unser
Städtchen gedrungen ist. und aller Mund überfloß von Be-
wunderung für diese immensen Leistungen, um so mehr, als
wenn ich nicht irre, Herr Bezirksamtmann damals ganz neu
angestellter Beamter waren."
Der Herr Bczirksamtmann: „Bitte, bitte, da
machen Sie viel zu viel daraus. War nur meine Pflicht und
Schuldigkeit. Uebrigcns war ich damals schon längere Zeit
Beamter. Ich erhielt meine erste Anstellung ungefähr ein
Jahr vor dem fraglichen Brande als Affeffor in Jxhcim,
wenn ich nicht irre, im Monate September desselben Jahres.
Doch nein, ich glaube, es war im Oktober. — Oder war cs
nicht doch im September? — Nun was liegt daran, wenn
es Sic interessiren sollte, in welchem Monate es war, können
Sie es bei Ihrem neuen Herrn Landrichter erfahren. Wir
waren zusammen Regicrnngs-Acceffisten und sind an einem
und demselben Tage angestellt worden.
(Die Deputation wird leichenblaß ob dieser Eröffnung und empfiehlt
sich nach Herausstotterung einzelner abgebrochener Worte in unsäg-
licher Bestürzung.)
von ihm über die vorwürsige Frage gewonnene Ansicht Preis
zu geben, da mit Zuversicht anzunehmen ist, daß die sämmt-
lichen Anwesenden der aus gründlicher, tiefer und umsichtiger
Prüfung beruhenden Ansicht des Herrn Vorstands unbedingt
beizupflichten in der Lage sein werden. 8alvo meliore.
(Bravo, Bravo, sehr gut.)
Der Herr Vorstand: „Meine Herren! Mit tief-
gefühlter Rührung empfange ich die durch den beredten Mund
des sehr verehrlicheu Mitgliedes, des Herrn Stadtschreibers,
mir so eben gewordenen, mit Acclamation aufgenommenen
Beweise, Ihres mir so sehr schätzbaren Vertrauens. Nur
dieses Vertrauen ist es, meine Herren, sind Sie dessen versichert,
welches meine gewöhnliche Bescheidenheit zurückzndrängen und
mich zu veranlassen vermag, meine Ansicht über die heute
uns beschäftigende Frage Ihnen sofort darzulegen.
Hochzuverehrende Herren! Meine Meinung ist, daß wir,
um in der Sache vollständig sicher zu gehen, dem hohen
Staatsministerium, welches dem Lande schon so viele Beweise
seines Wohlwollens und seiner Sorgsamkeit gegeben, die vor-
liegende Frage vertrauensvoll zur gnädigen Beantwortung zu
unterbreiten, unterthänigst uns erlauben sollen.
Ich dächte deßhalb, daß es zu diesem Zwecke gerathen
wäre, auf Kosten der Gesellschaft eine Deputation zu Sr.
Exzellenz, dem Herrn Minister, in die Residenz abzuordnen.
Sollte mein Vorschlag genehm sein, und verchrliche Ge-
sellschaft mich mit Ihrem Vertrauen beehren, so wäre ich
gerne bereit, mich dieser Mission zu unterziehen und würde
als weitere Deputationsmitglieder den Herrn Apotheker und
den Herrn Stadtschreiber in Antrag bringen."
(Dem Anträge des Herrn Vorstandes wird zugestimml und beschlossen,
diesen, nebst dem Herrn Stadtschreibcr und dem Herrn Apotheker, als
Anfrage-Deputation zu Sr. Erzellenz, dem Herrn Minister, in die
Residenz abzuordnen.)
Die Deputation bei dem Herrn Minister.
(Der Herr Minister, nachdem die Deputation den Zweck ihrer Sen-
dung vorgebracht hat.)
„Meine Herren, auf Ihre Anfrage kann ich Ihnen er-
widern, daß der Landrichter und der Bezirksamtmann in
gleichem Range stehen."
Der Herr Vorstand: „Aber Ew. Exzellenz entschul-
digen gnädigst! Das ist — das ist — ja entsetzlich! In
gleichem Range?"
Der Herr Minister: „Allerdings, mein Lieber!
Beruhigen Sie sich übrigens, ich kann zu Ihrem Droste
noch beifügen, daß in einem wohlgeordneten Staate, wie dem
unsrigen, auch Vorsorge dafür getroffen ist, welchem von zwei
im Range gleichstehenden Beamten bei öffentlichen Feierlich-
keiten rc. der Vortritt zukömmt. (Man hört drei laute Alhemzüge.)
In solchen Fällen entscheidet das Dienstesalter.
(Die Deputation empfiehlt sich vergnügt und mit submisjestem Danke
für den gnädigst ertheilten Aufschluß.)
Nachdem die Deputation nach ihrer Rückkehr aus der
Residenz über die ihr daselbst von dem Herrn Minister ge-
etzlichen Folgen einer Gerichtsorganisation. 35
wordenen Aufschlüffe referirt hat, beschließt die Gesellschaft
neuerdings eine Deputation abzuordnen und zwar zu den
für das Städtchen neu ernannten beiden Beamten, dem Herrn
Landrichter und dem Herrn Bezirksamtmanne. Die Deputa-
tion soll den genannten Herren zu ihrer Ernennung die
Glückwünsche der Gesellschaft darbringen, diese Ihrem ge-
neigten Wohlwollen empfehlen und bei dieser Gelegenheit
auf eine feine Weise das Dienstesalter der beiden Herrn Be-
amten zu erfahren suchen.
Die Deputation bei dem Herrn Landrichter.
(Der Herr Gescllschaftsvorstand als Sprecher, nachdem er sich des
Glückwunsches entledigt.)
„Es sind wohl auch schon mehrere Jahre im Strome
der Zeit hinabgcflossen, seit Herr Landrichter in unserem
Baterlandc, zum Segen der Unterlhanen, im Garten der
Rechtspflege Ihre Thätigkeit zu entfalten pflegen?"
Der Herr Landrichter: „Du lieber Gott, freilich!
Ja, ja, wenn man so auf seine Dieusteslaufbahn zurückblickt,
wird mau sich seines Alters erst bewußt. Gestern waren >cs
gerade zehn Jahre, daß ich meine erste Anstellung im Staats-
dienste erhalten habe."
Der Herr Vorstand: „Ah."
(Die Deputation empfiehlt sich hocherfreut über den erzielten Erfolg.)
Die Deputation bei dem Herrn B czirksamtma n ne.
(Der Herr Gesellschaftövorstand als Sprecher nach Beendigung der
Gratulationsphrasen.)
„Wenn ich nicht irre, waren Herr Bczirksamtmann
früher in Dingsheim angestellt und sind dorthin kurz vor
dem großen Brande ernannt worden, welcher vor mehreren
Jahren fast das ganze Städtchen Dingsheim verzehrt hat.
O, wir erinnern uns noch gut, wie der Ruf von der Um-
sicht und Unerschrockenheit, welche Herr Bczirksamtmann bei
diesem Unglücksfalle so herrlich entfaltet haben, bis in unser
Städtchen gedrungen ist. und aller Mund überfloß von Be-
wunderung für diese immensen Leistungen, um so mehr, als
wenn ich nicht irre, Herr Bezirksamtmann damals ganz neu
angestellter Beamter waren."
Der Herr Bczirksamtmann: „Bitte, bitte, da
machen Sie viel zu viel daraus. War nur meine Pflicht und
Schuldigkeit. Uebrigcns war ich damals schon längere Zeit
Beamter. Ich erhielt meine erste Anstellung ungefähr ein
Jahr vor dem fraglichen Brande als Affeffor in Jxhcim,
wenn ich nicht irre, im Monate September desselben Jahres.
Doch nein, ich glaube, es war im Oktober. — Oder war cs
nicht doch im September? — Nun was liegt daran, wenn
es Sic interessiren sollte, in welchem Monate es war, können
Sie es bei Ihrem neuen Herrn Landrichter erfahren. Wir
waren zusammen Regicrnngs-Acceffisten und sind an einem
und demselben Tage angestellt worden.
(Die Deputation wird leichenblaß ob dieser Eröffnung und empfiehlt
sich nach Herausstotterung einzelner abgebrochener Worte in unsäg-
licher Bestürzung.)