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Eine Geschichte von der Jeder glauben kann was er mag.

mit großer Mühe schien er sein „Grüß Gott" und „behüt'
Gott" herauszubringen. Das Einzige, was man von ihm
hörte, war ein Klaps mit dem Deckel, wenn sein zinnernes
Krügel leer war, was sich stets in regelmäßigen Zwischen-
räumen hören ließ und je nachdem der Schlag schwächer
oder stärker war, konnte man seine Theilnahme am Gespräch
bemessen. Heute Abend aber war er offenbar aus seiner
Ruhe herausgeschreckt, denn er hatte sogar wirklich am Ge-
spräche Theil genommen, vielleicht seit einem halben Jahre
wieder zum Erstenmale und zwar in einem ungewohnten
Grade. Und daran war Niemand schuld als der „Doktor",
den cs freute, auch einmal jemand andern scharf machen zu
können, als den gutmüthigcn lucli magister.

„Aber um's Himmelswillen, wer wird den heutigen Ta-
ges in unserer aufgeklärten Zeit noch an so etwas glauben,"
rief der Bader aus. „Am Ende glaubt Ihr noch selber den
Unsinn vom Fest- und Unsichtbarmachen, von Hexen und Tru-
den, Gespenstern und Teufel, Forstwart, heh?"

Der Deckel klappte und der andere sprach: „Doktor,

wenn Eure Rasiermesser nur halb so scharf wären als Euer
Maul, so blieben unsere Bauern ungcschunden. Aber die
Zunge reicht bei Euch weiter als das Wisien. Nichts für
ungut! aber was wißt Ihr zum Beispiel, wie's bei Nacht aus-
sieht draußen im Walde. Wenn Ihr ja einmal um diese Zeit
euer Bett verlaßt, um zu irgend einer Bäuerin zu gehen, die
nicht gebären kann, so muß der Lümmel, ihr Mann, Euch mit
der Laterne den Weg weisen, damit Ihr nicht am Ende gar
das Unglück habt, über Eure eigenen Füße zu fallen. Da
gehr einmal, wenn Ihr Lust habt, von der Straße ab und
in den tiefen Wald hinein und horcht, was die alten Bäume
einander in die Ohren flüstern, was die Alles gesehen haben,
Lust und Freude, Mord und Todtschlag. Geht einmal hin-
aus , ich will gar nicht sagen zur Zeit der Rauchnächle, wo
die bösen Geister entsesielt sind und Gewalt haben über die
Menschen, sondern nur zu einer gewöhnlichen nachtschwarzen
Zeit, da könnt Ihr sie herumtanzen sehen auf jeder nasien
Wiese, immer lockend, ob sie . Euch nicht hineinführen können
in den Sumpf bis an den Hals, am Liebsten bis über die
Ohren. Aber freilich, dahin kommt Ihr nicht, und so glaubt
Ihr nichts. Da fragt nur die Hochwürden, die wird's Euch
bestäligeu ob's Geister gibt oder keine; denn wenn ich auch
erzählte, was ich selbst erlebte, mir würdet Ihr es doch nicht
glauben, Ihr da mit eurer modischen Aufklärung, Ihr", und
heftiger als sonst klappte das Krügel.

„Kömmt mir nicht in den Sinn, dem zu widersprechen,"
sagte der Pfarrer trocken, indem er eine tüchtige Prise aus
der silberbeschlagenen Dose von Steinbockhorn nahm, „denn
die heilige Schrift selbst spricht nur zu oft von dem Wirken
böser Geister, wenn auch in vielen Fällen figürlich nur."

„Figürlich, freilich, was denn sonst," brummte der Forst-
wart , der jetzt ärgerlich war und mit Einemmale sein
Maulmerk gefunden hatte, „was ich sah, das war eben figür-
lich und darum lasse ich mir nichts abstreiten."

„Kein Zweifel," sagte der Förster, der den größten Ge-

fallen daran fand, daß der Alte recht tüchtig in's Zeug ge-
hetzt wurde, „kein Zweifel, daß es etwas gibt, aber Forst-
wart, von dem was Euch begegnete, davon habt Ihr mir nie
etwas erzählt, wie wär's denn, wenn Ihr die Geschichte los-
legtet."

„Ja und die Perlen vor die Säue würfe, doch," fügte
er schnell verbcsiernd hinzu, „wenn Jhr's hören wollt, so kann
ich's leicht erzählen; kurze Haare sind bald gebürstet."

„Ich war ein Bursche von ohngefähr vier und zwanzig
Jahren und dazumal da d'roben im Gcbirg. Wir hatten
Nicdcrjagd und Hochjagd und an ein paar Seen die Fischerei,
aber dieses war alles abgethcilt, wie billig, denn es konnte
nicht Einer Alles versehen. Selbstverständlich war da vielerlei
Personal, die Kecksten und Schneidigsten aber steckte man immer
in's Gebirg hinein, von wegen den Wilddieben, die da her-
über kanien ans dem Tyrolischcn, um Gemsen zu pürschen,
und da gab's oft blutige Händel, denn es waren dies gar
wilde Gesellen. Aber obwohl es ein beschwerlicher Dienst
war wegen der Oertlichkeit, als auch wegen der Gefährlich-
keit, so wollte doch keiner heraus, denn diese Posten waren,
wie wir wohl wußten, Ehrenposten und Vertrauensplätze, wo
man tüchtige Leute brauchte, und keine Schlafmützen und
Mädchenjäger und 'dergleichen Leute, und als eine große
Schande für nnsereinen wurde es gehalten, wann einer ver-
setzt wurde hinaus in's Flachland, was denn stets auch blos
zur Strafe geschah.

„Wir hatten dazumalen einen Jagdgehilfen, einen ab-
sonderlichen Gesellen, den hatte der Fürst mit aus Ungarn
heraufgebracht. Er sah einem Zigeuner auf's Haar gleich
und manche hielten ihn auch dafür, obgleich ich selbst nichts
Gewisies davon weiß; aber er war einmal so ein dürrer, gel-
ber Kerl mit pechschwarzen Haaren und Bart und unheimlich
stechenden Augen. Es mochte ihn anfangs keiner von uns
recht leiden und das hatte seinen guten Grund, denn er
konnte mehr als Brod essen. Er wußte mit der 8)mi,atlüa
und antixatbia umzuspringen, wie unser Schulmeister da mit
Lesen und Schreiben, und trieb allerlei Unfug damit. Er
konnte den Hunden die Nase verderben oder einem den Brand
aus dem Rohr nehmen, daß nichts mehr verendete und wenn
es auch noch so gut getroffen war, oder einem einen „Waid-
mann setzen", daß man den ganzen Tag hcrumsteigen und
schießen konnte und traf nichts, wie er es auch mir einmal
angethan hatte; aber ich Hab ihn bezahlt, Hab ihm den Grind
weidlich zerdroschen Abends im Wirthshaus, daß ihm die
Lichter drei Tage laug ganz verschwollen waren. Bon der-
selben Zeit an ließ er mich in Ruhe, ja er sing sogar an
mir besondere Freundschaft zu bezeigen, obgleich mir leicht
etwas lieber war als das; denn wenn ich ihn auch nicht
fürchtete, wie Biele von den Andern, so war mir doch sein
gräßliches Fluchen zuwider und absonderlich, daß er über
Alles spottete und höhnte, was andern Menschen heilig ist.
Kurz der Kerl war ein Galgenstrick, aber verwegen wie einer
und wo kein Anderer mehr hinsticg, da kam er hin und ein
Schütze war er, daß es keinen zweiten solchen gab. Er durfte
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