Eine Geschichte von der Jeder glauben kann was er mag.
blos sagen, das will ich, so war's soviel als hält' er's be-
reits in seinem Bergsack, und deßwegen galt er auch alles
! bei der Durchlaucht und wo die zum Jagen kam, da durfte
; der Janosch nicht fehlen. Aber gerade diese Fertigkeit im
Schießen war es, was bei Manchen ein großes Nachdenken
hervorrief und worüber Viele die Köpfe schüttelten, um so
mehr als der Rehbock-Hanns und der Schußbartl, zwei Kame-
raden, steif und fest behaupteten, sie hätten cs gesehen, daß er
da oben am Katzenkogel einer Gemse gepfiffen habe, worauf die hcr-
abgekommen sei, wie ein Hühnerhund, der sich auf die Schläge freut.
Aber diese Herrlichkeit dauerte nicht ewig, denn Alles hat
ein Ende, mit Ausnahme einer Wurst, die zwei hat. Es war
an einem heißen Augusttage, da stiegen wir zwei zusammen
die Berg' hinauf, und sag ich zu ihm: „Was hast denn
Janosch, daß Du die Ohren so trübselig hängen läßt, wie ein
geprügelter Esel?" denn er war so stumm, wie ich ihn nie
zuvor gesehen hatte, da er doch sonst so voller Muthwillen steckte.
„Weiß nicht", sagt er d'rauf, „'s liegt mir so in den
Knochen, daß ich kauni steigen kann."
„Wird wohl vom Wetter sein," entgegnete ich; denn
es war merkwürdig schwül und ängstlich und auch die Luft
nicht rein und heiter, sondern eher dunstig und die Sonne
1 schien ordentlich wässerig.
„Kann auch sein," sagte er und dann stiegen wir wie-
der still weiter. Nach einer halben Stunde harten Stcigens
setzte er sich auf einmal auf einen Felsblock und vermeinte
schier, er könne nicht mehr weiter, so blieb ich denn bei ihm
stehen und da schaut er mich starr an und sagte: „Lenzl,
ich fürcht' meine Zeit ist um; 's ist mir g'rad als sollt' mir
heut noch was b'sondcrs passiren und da wir itzt rasten, so
will ich Dir was sagen, denn Du hast mir g'fallen von je-
her, Du bist kein Tropf, kein Verzagter wie die Andern, Du
bist vom rechten Zeug und wenn Du willst, so ist Dein
Glück gemacht."
Nun Hab ich gleich gemerkt, wo der Wind herpfeift,
denn cs war nicht das Erstemal, daß er mir sagte, er wolle
mir Allerlei lehren, wenn er auch nie so ernsthaft davon
sprach, wie damals, und da sag' ich ihm gleich ganz fest darauf:
„Ich will nichts wissen davon — und denke, es wär
am Beßten, Du ließest die Sachen auch bleiben, denn zu was
kann's am Ende noch führen."
Sagt er d'rauf: „Hätt's nicht geglaubt von Dir, aber
Du bist g'rad so 'n Lali, wie die andern allesammt. Nun
gut, wenn Du ein Esel bleiben willst, so bleib's."
„Ja, ja", erwiederte ich, „bleib lieber ein Esel mein
Lebenlang." Hier konnte der Bader ein malitiöses
5»
Lächeln nicht unterdrücken, aber zum Glück blieb's unbemerkt
und der Erzähler fuhr ruhig weiter:
„Halt, was ist da droben?" rief Janosch, indem er
mich unterbrechend rasch aufsprang und nach oben wies und
als ich hinaufblickte, sah ich da einen Gcmsbock stehen auf
einem Felsgrat, so schneidig wie ein Messerrücken und hinter
ihm war Alles blau Gewölk und das machte ihn noch größer,
als er so schon war. „Still", sagte er, sich hinter den Stein
drückend, auf dem er gesessen war, „daß er uns nicht äuget,
den müssen wir haben, das ist derselbige, verfluchte Bock."
„Ja", sagte ich, „aber wie ihn anpürschen, da hinauf
führt kein Steig soviel mir bekannt."
„Es gibt einen, ich habe ihn einmal begangen, dacht
aber damals bei mir, ich wollt' ihn ein zweitesmal nicht mehr-
betreten, so schiech ist er, aber der da droben ist's werth, daß
man was riskirt. Uebrigens wenn Du herunten bleiben
willst, so bleib, dann geh ich allein. Dacht ich damals, wo
Du hinkommst, komme ich wohl auch noch hin. Fliegen
kannst Du so wenig als ich und da krochen wir dann auf-
wärts auf Händen und Füßen, uns soviel als möglich immcr
vorstchtig deckend, der Bock aber stand oben unbeweglich, als
wär er ein Stück von dem Stein, worauf er war, und schien
sich nicht um das zu kümmern, was unter ihm vorging, als
wär er überzeugt, daß ihm Niemand nahen könne.
„Nun muß ich aber hier einschalten, warnm Janosch so
vcrseffen auf den Bock war; das war nemlich so: Derselbe
war den Jägern allen gar wohl bekannt, aber keiner mochte
ihm mehr nachstcigen, die drei, die es versucht hatten, hatten
es mit dem. Leben gebüßt; denn er war nicht wie ein an-
deres Wild, das flüchtig vor dem Jäger geht, sondern er-
zog nur immer so weit, daß es denselben reizte nachzusteigcn,
höher und immer höher, und wenn dann der Schütze an
einem Platze war, wo er Hände und Füße brauchte, so ward
aus dem Verfolgten ein Angreifer, dann kam er plötzlich wie
der Wind angcsanst und stieß den Armen in die Tiefe. Er
hatte Sehnen wie von Stahl und 'konnte sich vom Boden
weg an die fünfzehn Fuß in die Höhe schnellen und über
Klüfte setzen, die keine andere Gemse übersprungen hätte.
Viele glaubten dcßhalb auch, daß es wohl gar kein wirk-
licher Gcmsbock sei, sondern ganz Jemand anderer und woll-
ten deßhalb nichts von ihm wissen. Janosch aber hatte sich
oft hoch und theuer verschworen, wenn er ihn zu Gesicht be-
käme, so müsse er sein werden oder die Raben sollten sein
Fleisch freffen und die Bergfüchse ihm die Knochen abnagcn.
Und nun stand er da droben, wie er beschrieben wurde,
schwarz wie der Teufel und der Gemsbart wehte vom Rücken,
herausfordernd im Winde."
(Schluß folgt).
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blos sagen, das will ich, so war's soviel als hält' er's be-
reits in seinem Bergsack, und deßwegen galt er auch alles
! bei der Durchlaucht und wo die zum Jagen kam, da durfte
; der Janosch nicht fehlen. Aber gerade diese Fertigkeit im
Schießen war es, was bei Manchen ein großes Nachdenken
hervorrief und worüber Viele die Köpfe schüttelten, um so
mehr als der Rehbock-Hanns und der Schußbartl, zwei Kame-
raden, steif und fest behaupteten, sie hätten cs gesehen, daß er
da oben am Katzenkogel einer Gemse gepfiffen habe, worauf die hcr-
abgekommen sei, wie ein Hühnerhund, der sich auf die Schläge freut.
Aber diese Herrlichkeit dauerte nicht ewig, denn Alles hat
ein Ende, mit Ausnahme einer Wurst, die zwei hat. Es war
an einem heißen Augusttage, da stiegen wir zwei zusammen
die Berg' hinauf, und sag ich zu ihm: „Was hast denn
Janosch, daß Du die Ohren so trübselig hängen läßt, wie ein
geprügelter Esel?" denn er war so stumm, wie ich ihn nie
zuvor gesehen hatte, da er doch sonst so voller Muthwillen steckte.
„Weiß nicht", sagt er d'rauf, „'s liegt mir so in den
Knochen, daß ich kauni steigen kann."
„Wird wohl vom Wetter sein," entgegnete ich; denn
es war merkwürdig schwül und ängstlich und auch die Luft
nicht rein und heiter, sondern eher dunstig und die Sonne
1 schien ordentlich wässerig.
„Kann auch sein," sagte er und dann stiegen wir wie-
der still weiter. Nach einer halben Stunde harten Stcigens
setzte er sich auf einmal auf einen Felsblock und vermeinte
schier, er könne nicht mehr weiter, so blieb ich denn bei ihm
stehen und da schaut er mich starr an und sagte: „Lenzl,
ich fürcht' meine Zeit ist um; 's ist mir g'rad als sollt' mir
heut noch was b'sondcrs passiren und da wir itzt rasten, so
will ich Dir was sagen, denn Du hast mir g'fallen von je-
her, Du bist kein Tropf, kein Verzagter wie die Andern, Du
bist vom rechten Zeug und wenn Du willst, so ist Dein
Glück gemacht."
Nun Hab ich gleich gemerkt, wo der Wind herpfeift,
denn cs war nicht das Erstemal, daß er mir sagte, er wolle
mir Allerlei lehren, wenn er auch nie so ernsthaft davon
sprach, wie damals, und da sag' ich ihm gleich ganz fest darauf:
„Ich will nichts wissen davon — und denke, es wär
am Beßten, Du ließest die Sachen auch bleiben, denn zu was
kann's am Ende noch führen."
Sagt er d'rauf: „Hätt's nicht geglaubt von Dir, aber
Du bist g'rad so 'n Lali, wie die andern allesammt. Nun
gut, wenn Du ein Esel bleiben willst, so bleib's."
„Ja, ja", erwiederte ich, „bleib lieber ein Esel mein
Lebenlang." Hier konnte der Bader ein malitiöses
5»
Lächeln nicht unterdrücken, aber zum Glück blieb's unbemerkt
und der Erzähler fuhr ruhig weiter:
„Halt, was ist da droben?" rief Janosch, indem er
mich unterbrechend rasch aufsprang und nach oben wies und
als ich hinaufblickte, sah ich da einen Gcmsbock stehen auf
einem Felsgrat, so schneidig wie ein Messerrücken und hinter
ihm war Alles blau Gewölk und das machte ihn noch größer,
als er so schon war. „Still", sagte er, sich hinter den Stein
drückend, auf dem er gesessen war, „daß er uns nicht äuget,
den müssen wir haben, das ist derselbige, verfluchte Bock."
„Ja", sagte ich, „aber wie ihn anpürschen, da hinauf
führt kein Steig soviel mir bekannt."
„Es gibt einen, ich habe ihn einmal begangen, dacht
aber damals bei mir, ich wollt' ihn ein zweitesmal nicht mehr-
betreten, so schiech ist er, aber der da droben ist's werth, daß
man was riskirt. Uebrigens wenn Du herunten bleiben
willst, so bleib, dann geh ich allein. Dacht ich damals, wo
Du hinkommst, komme ich wohl auch noch hin. Fliegen
kannst Du so wenig als ich und da krochen wir dann auf-
wärts auf Händen und Füßen, uns soviel als möglich immcr
vorstchtig deckend, der Bock aber stand oben unbeweglich, als
wär er ein Stück von dem Stein, worauf er war, und schien
sich nicht um das zu kümmern, was unter ihm vorging, als
wär er überzeugt, daß ihm Niemand nahen könne.
„Nun muß ich aber hier einschalten, warnm Janosch so
vcrseffen auf den Bock war; das war nemlich so: Derselbe
war den Jägern allen gar wohl bekannt, aber keiner mochte
ihm mehr nachstcigen, die drei, die es versucht hatten, hatten
es mit dem. Leben gebüßt; denn er war nicht wie ein an-
deres Wild, das flüchtig vor dem Jäger geht, sondern er-
zog nur immer so weit, daß es denselben reizte nachzusteigcn,
höher und immer höher, und wenn dann der Schütze an
einem Platze war, wo er Hände und Füße brauchte, so ward
aus dem Verfolgten ein Angreifer, dann kam er plötzlich wie
der Wind angcsanst und stieß den Armen in die Tiefe. Er
hatte Sehnen wie von Stahl und 'konnte sich vom Boden
weg an die fünfzehn Fuß in die Höhe schnellen und über
Klüfte setzen, die keine andere Gemse übersprungen hätte.
Viele glaubten dcßhalb auch, daß es wohl gar kein wirk-
licher Gcmsbock sei, sondern ganz Jemand anderer und woll-
ten deßhalb nichts von ihm wissen. Janosch aber hatte sich
oft hoch und theuer verschworen, wenn er ihn zu Gesicht be-
käme, so müsse er sein werden oder die Raben sollten sein
Fleisch freffen und die Bergfüchse ihm die Knochen abnagcn.
Und nun stand er da droben, wie er beschrieben wurde,
schwarz wie der Teufel und der Gemsbart wehte vom Rücken,
herausfordernd im Winde."
(Schluß folgt).
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