Die beiden Franzosen.
wieder und wieder von den Stühlen auf und rannten iin
Zimmer umher. Mau mußte sie mit Gewalt zum Sitzen
bringen, und ihnen die Löffel in die Hand drücken, und zwanzig
Mal warfen sic dieselben auf den Tisch und schwuren, keinen
Bissen weiter zu genießen. Es half alles nichts, die Beharr-
lichkeit der Bauern siegte. Als man sich aber dem fünften
Hause näherte, da warfen sich die Franzosen auf der Straße
nieder und heulten und lamentirten so jämmerlich und flehten
so rührend, man möge doch mit.Einem Mal ihre Qualen
enden und ihnen den Gnadenstoß geben, daß die Bauern
selbst von Mitleid bewegt wurden, und man den Franzosen
andeutete, sie könnten jetzt ruhig ihres Wegs gehen. Auch die
abgcnommencn Säbel und Flinten wurden ihnen wieder zu-
gestellt.
Es war aber ein gar klägliches Bild, das die zwei
Franzosen auf der Landstraße darboten, als sie das Dorf ver-
lassen hatten, und man wußte nicht, welcher von beiden elender
daran war, so daß keiner im Stande war, dem andern bei-
zustehcn. Sie hielten mit den Händen den Leib zusammenge-
preßt, als ob sic grimmige Schmerzen hätten, und alle Augen-
blicke machten sie halt und setzten sich auf die daliegenden
Haufen der Straßensteine nieder, um durch die geduckte Halt-
ung ihre Qual zu lindern. Im jammervollsten Zustande
kamen sie bei der Armee an, und als man sie fragte, was
ihnen widerfahren sei, lautete ihre Erzählung schrecklich und
wunderbar zugleich: wie daß dort hinten im Thale ein schänd-
Rcif durchdachte Impromptus. 119
liches Bauernvolk Hause, das heillose Speisen und einen höll-
ischen Trank bereite, um die armen Ankömmlinge zu martern,
und wie es keinem zu rathen sei, dieses Thal aufzusuchen.
Wenn aber einer unserer Leser in den jetzigen bedenklichen
Zeitläuften wissen inöchte, wie denn das Gericht bereitet werde,
durch das man ungebetene Gäste so schön abtreibcn kann auf
Nimmerwiederkommen, so schlage er in dem berühmten
„Augsburgischen" Kochbuch der Frau Sophia Juliana Weilerin
den Art. 421 nach, wo es unter der Ueberschrift „Gute
Milchspatzen zu bereiten" heißt:
Man macht Milch in einer Pfanne siedend, thut ein
Stücklein Butter hinein, salzet sie und legt Spatzen von
beliebiger Größe darein, läßt sie eine Viertelstunde kochen
und trägt sie dann auf.
Das befolge er nach dem Wort — nur müssen die
Spatzen recht fest gemacht sein — verschaffe sich dazu ein
Quantum vom recentesten Reutlingerwein und setze beides den
Gästen vor, so wird er sehen, daß sie davon laufen, so
weit sie können, Urobatum est!
Reif durchdachte Impromptus.
Wenn Vorsicht die Mutter der Weisheit ist, so ist der
Argwohn jedenfalls ihr Onkel.
Die Natur hat dem Arzt geholfen, wenn wir leben ge-
blieben; der Arzt hat der Natur geholfen, wenn wir gestorben
sind.
Es ist ein Hauptmerkmal der Ignoranz, nicht zu wissen,
was man nicht zu wissen braucht, ohne deßhalb ein Ignorant
Zu sein. ^_
Wenn wir vernehmen, daß Jemand einen großen Treffer
gemacht hat, empfinden wir außerordentliche Freude und
außerordentlichen Schmerz; außerordentliche Freude, daß Er
es ist, und außerordentlichen Schmerz, daß wir's nicht sind.
Behandle Deinen Nächsten so, wie Du, wenn Du ihn
nach dem Bahnhofe begleitest, ihn behandelt zu haben wünschest.
Sehr oft halten wir eine Rede, wo es unmöglich ge- !
worden, Wort zu halten.
Unterschreibe nie anonyme Briefe.
Die Frau ist ein Zeitwort; wir wollen es aber thätig
und nie leidenH.
Wenn ein Lügner sagt, daß irgend etwas nicht wahr sei,
so darf man's glauben.
Liebe Deinen Nächsten, wie Dich selbst, vorausgesetzt,
daß Du Dich nicht erschießen willst.
Man ißt nicht, um zu leben, man lebt, um zu essen.
wieder und wieder von den Stühlen auf und rannten iin
Zimmer umher. Mau mußte sie mit Gewalt zum Sitzen
bringen, und ihnen die Löffel in die Hand drücken, und zwanzig
Mal warfen sic dieselben auf den Tisch und schwuren, keinen
Bissen weiter zu genießen. Es half alles nichts, die Beharr-
lichkeit der Bauern siegte. Als man sich aber dem fünften
Hause näherte, da warfen sich die Franzosen auf der Straße
nieder und heulten und lamentirten so jämmerlich und flehten
so rührend, man möge doch mit.Einem Mal ihre Qualen
enden und ihnen den Gnadenstoß geben, daß die Bauern
selbst von Mitleid bewegt wurden, und man den Franzosen
andeutete, sie könnten jetzt ruhig ihres Wegs gehen. Auch die
abgcnommencn Säbel und Flinten wurden ihnen wieder zu-
gestellt.
Es war aber ein gar klägliches Bild, das die zwei
Franzosen auf der Landstraße darboten, als sie das Dorf ver-
lassen hatten, und man wußte nicht, welcher von beiden elender
daran war, so daß keiner im Stande war, dem andern bei-
zustehcn. Sie hielten mit den Händen den Leib zusammenge-
preßt, als ob sic grimmige Schmerzen hätten, und alle Augen-
blicke machten sie halt und setzten sich auf die daliegenden
Haufen der Straßensteine nieder, um durch die geduckte Halt-
ung ihre Qual zu lindern. Im jammervollsten Zustande
kamen sie bei der Armee an, und als man sie fragte, was
ihnen widerfahren sei, lautete ihre Erzählung schrecklich und
wunderbar zugleich: wie daß dort hinten im Thale ein schänd-
Rcif durchdachte Impromptus. 119
liches Bauernvolk Hause, das heillose Speisen und einen höll-
ischen Trank bereite, um die armen Ankömmlinge zu martern,
und wie es keinem zu rathen sei, dieses Thal aufzusuchen.
Wenn aber einer unserer Leser in den jetzigen bedenklichen
Zeitläuften wissen inöchte, wie denn das Gericht bereitet werde,
durch das man ungebetene Gäste so schön abtreibcn kann auf
Nimmerwiederkommen, so schlage er in dem berühmten
„Augsburgischen" Kochbuch der Frau Sophia Juliana Weilerin
den Art. 421 nach, wo es unter der Ueberschrift „Gute
Milchspatzen zu bereiten" heißt:
Man macht Milch in einer Pfanne siedend, thut ein
Stücklein Butter hinein, salzet sie und legt Spatzen von
beliebiger Größe darein, läßt sie eine Viertelstunde kochen
und trägt sie dann auf.
Das befolge er nach dem Wort — nur müssen die
Spatzen recht fest gemacht sein — verschaffe sich dazu ein
Quantum vom recentesten Reutlingerwein und setze beides den
Gästen vor, so wird er sehen, daß sie davon laufen, so
weit sie können, Urobatum est!
Reif durchdachte Impromptus.
Wenn Vorsicht die Mutter der Weisheit ist, so ist der
Argwohn jedenfalls ihr Onkel.
Die Natur hat dem Arzt geholfen, wenn wir leben ge-
blieben; der Arzt hat der Natur geholfen, wenn wir gestorben
sind.
Es ist ein Hauptmerkmal der Ignoranz, nicht zu wissen,
was man nicht zu wissen braucht, ohne deßhalb ein Ignorant
Zu sein. ^_
Wenn wir vernehmen, daß Jemand einen großen Treffer
gemacht hat, empfinden wir außerordentliche Freude und
außerordentlichen Schmerz; außerordentliche Freude, daß Er
es ist, und außerordentlichen Schmerz, daß wir's nicht sind.
Behandle Deinen Nächsten so, wie Du, wenn Du ihn
nach dem Bahnhofe begleitest, ihn behandelt zu haben wünschest.
Sehr oft halten wir eine Rede, wo es unmöglich ge- !
worden, Wort zu halten.
Unterschreibe nie anonyme Briefe.
Die Frau ist ein Zeitwort; wir wollen es aber thätig
und nie leidenH.
Wenn ein Lügner sagt, daß irgend etwas nicht wahr sei,
so darf man's glauben.
Liebe Deinen Nächsten, wie Dich selbst, vorausgesetzt,
daß Du Dich nicht erschießen willst.
Man ißt nicht, um zu leben, man lebt, um zu essen.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die beiden Franzosen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 37.1862, Nr. 901, S. 119
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg