Zimmer bei Miller, wie am Schlüsse des fünften Actes.
(Wenn der Vorhang in die Höhe geht, liegen Ferdinand
und Louise noch leblos am Boden. Fürchterliche Panse, die
auch der Herr Souffleur nicht durch allzufrühes Einfallen zu un-
terbrechen gebeten wird. Plötzlich bemerkt man an Louisen
einige schwache Bewegungen, diesen folgen einige kaum vernehm-
bare, tiefe Athemzüge.)
Louise
(sich in die Höhe richtend, mit schwacher Stimme.) Gott, wo bin
ich nun; wer nimmt diesen häßlichen Traum von meiner ge-
peinigten Seele! Nur höllische, finstere Mächte können mit
solchen Bildern arme Sterbliche quälen. (Sie erblickt plötzlich
j Ferdinand.) Gerechter Himmel! Also dennoch kein Trngbild!
Das Gräßliche war mehr als ein Traum. Ferdinand! Fcr-
■ dinand! Wehe inir, er ist todt! Nur mich trifft das furcht-
bare Loos — ich lebe noch! Ha, kann denn nicht allein
der Gedanke an das Fürchterliche, was hier geschehen ist, mich
schon tödten? Oh, fluchwürdige Natur, die Du mir Lebens-
kraft von größerer Dauer gabst, als Jenem dort. (Sic geht |
an den Tisch, wo noch das geleerte Glas steht.) Hier ist der Un-
glücksbccher. Die Hälfte seines Inhalts reichte hi», den
edelsten Mann der Schöpfung zu tödten; doch ein Weib, ein !
schwaches Weib zu vernichten, war die andere Hälfte nicht ^
genug. Aber noch gibt cs Mittel, die Bande zu zerreißen,
die mich an diese jammervolle Welt fesseln wolle». Was Gift
nicht vermochte, das soll der kalte Stahl vollbringen. (Sic
wankt ans dem Zimmer.)
Ferdinand
(der, nachdem Louise hinausgegangen ist, ebenfalls langsam wieder
zum Leben kommt.) War mir's doch, als hörte ich ihre lieb-
liche Stimme, die nach mir rief. Erwache ich denn schon
zur Ewigkeit? Will sie mir als Engel verklärt entgegentreten?
Doch nein, nein — wie ist mir denn? Rings um mich her
sehe ich die gräßlich stummen Zeugen meiner Frevelthat. Wehe,
drei mal Wehe mir! Das Gift hat nicht gewirkt. Um so un-
(Fcrdinand will sich durchbohren; in diesem Augenblicke öffnet sich
die Thüre und Louise, ein großes, spitziges Messer in der Hand,
tritt ein. Wie sie Ferdinand erblickt, stößt sic einen Schrei aus und
stürzt besinnungslos zu Boden.)
Ferdinand
(sie erblickend.) Ha, was seh' ich! Wollen mich trügerische
Geister necken, oder — (er stürzt ans Louisen zu und erfaßt ihre
Hand) Nein! Beim Himmel, ihre Hand ist lebenswarm. Dann
sei mir gegrüßt, du neuerrungenes Dasein! Die Welt wird
zum Paradiese, wo dieser Engel weilt.
Louise
(erwacht wieder ans ihrer Betäubung, mit schwacher Stimme.)
Mein Ferdinand!
Ferdinand
(jubelnd.) Sie lebt! Jetzt nimm mich wieder hin. Du neu-
errungenes Dasein! Meine Louise!
Louise.
Noch immer fürchte ich zu träumen und mir graut ent-
setzlich vor einem neuen Erwachen.
Ferdinand.
Nein, nein, meine verkannte, himmlische Louise, fühle
hier an dies vor Jubel stürmisch schlagende Herz und Du
wirst sehen, daß der Traum, der böse, häßliche Traum ein
Ende hat.
Louise.
Aber erkläre mir nur, Geliebter, was ist mit uns vor-
gcgangen?
Der sechste Act zu Schillers
Kabale und Liebe.
endlichen Jammer zu tödten, reichten freilich alle Gifte der Welt
nicht hin. Und wo ist sie? Wo ist der von mir gemordete Engel?
Klagt sie schon gegen mich in andern Welten oder will sie
über den Sternen meine Verzeihung erringen? Und ich sollte
leben? Leben hier, wo sie nicht mehr weilt? (Er ergreift sei-
nen Degen.) Komm her, Du spitziges Mordwerkzeng, Du wirst
hoffentlich ehrlicher als das trügerische Gift sein.
(Wenn der Vorhang in die Höhe geht, liegen Ferdinand
und Louise noch leblos am Boden. Fürchterliche Panse, die
auch der Herr Souffleur nicht durch allzufrühes Einfallen zu un-
terbrechen gebeten wird. Plötzlich bemerkt man an Louisen
einige schwache Bewegungen, diesen folgen einige kaum vernehm-
bare, tiefe Athemzüge.)
Louise
(sich in die Höhe richtend, mit schwacher Stimme.) Gott, wo bin
ich nun; wer nimmt diesen häßlichen Traum von meiner ge-
peinigten Seele! Nur höllische, finstere Mächte können mit
solchen Bildern arme Sterbliche quälen. (Sie erblickt plötzlich
j Ferdinand.) Gerechter Himmel! Also dennoch kein Trngbild!
Das Gräßliche war mehr als ein Traum. Ferdinand! Fcr-
■ dinand! Wehe inir, er ist todt! Nur mich trifft das furcht-
bare Loos — ich lebe noch! Ha, kann denn nicht allein
der Gedanke an das Fürchterliche, was hier geschehen ist, mich
schon tödten? Oh, fluchwürdige Natur, die Du mir Lebens-
kraft von größerer Dauer gabst, als Jenem dort. (Sic geht |
an den Tisch, wo noch das geleerte Glas steht.) Hier ist der Un-
glücksbccher. Die Hälfte seines Inhalts reichte hi», den
edelsten Mann der Schöpfung zu tödten; doch ein Weib, ein !
schwaches Weib zu vernichten, war die andere Hälfte nicht ^
genug. Aber noch gibt cs Mittel, die Bande zu zerreißen,
die mich an diese jammervolle Welt fesseln wolle». Was Gift
nicht vermochte, das soll der kalte Stahl vollbringen. (Sic
wankt ans dem Zimmer.)
Ferdinand
(der, nachdem Louise hinausgegangen ist, ebenfalls langsam wieder
zum Leben kommt.) War mir's doch, als hörte ich ihre lieb-
liche Stimme, die nach mir rief. Erwache ich denn schon
zur Ewigkeit? Will sie mir als Engel verklärt entgegentreten?
Doch nein, nein — wie ist mir denn? Rings um mich her
sehe ich die gräßlich stummen Zeugen meiner Frevelthat. Wehe,
drei mal Wehe mir! Das Gift hat nicht gewirkt. Um so un-
(Fcrdinand will sich durchbohren; in diesem Augenblicke öffnet sich
die Thüre und Louise, ein großes, spitziges Messer in der Hand,
tritt ein. Wie sie Ferdinand erblickt, stößt sic einen Schrei aus und
stürzt besinnungslos zu Boden.)
Ferdinand
(sie erblickend.) Ha, was seh' ich! Wollen mich trügerische
Geister necken, oder — (er stürzt ans Louisen zu und erfaßt ihre
Hand) Nein! Beim Himmel, ihre Hand ist lebenswarm. Dann
sei mir gegrüßt, du neuerrungenes Dasein! Die Welt wird
zum Paradiese, wo dieser Engel weilt.
Louise
(erwacht wieder ans ihrer Betäubung, mit schwacher Stimme.)
Mein Ferdinand!
Ferdinand
(jubelnd.) Sie lebt! Jetzt nimm mich wieder hin. Du neu-
errungenes Dasein! Meine Louise!
Louise.
Noch immer fürchte ich zu träumen und mir graut ent-
setzlich vor einem neuen Erwachen.
Ferdinand.
Nein, nein, meine verkannte, himmlische Louise, fühle
hier an dies vor Jubel stürmisch schlagende Herz und Du
wirst sehen, daß der Traum, der böse, häßliche Traum ein
Ende hat.
Louise.
Aber erkläre mir nur, Geliebter, was ist mit uns vor-
gcgangen?
Der sechste Act zu Schillers
Kabale und Liebe.
endlichen Jammer zu tödten, reichten freilich alle Gifte der Welt
nicht hin. Und wo ist sie? Wo ist der von mir gemordete Engel?
Klagt sie schon gegen mich in andern Welten oder will sie
über den Sternen meine Verzeihung erringen? Und ich sollte
leben? Leben hier, wo sie nicht mehr weilt? (Er ergreift sei-
nen Degen.) Komm her, Du spitziges Mordwerkzeng, Du wirst
hoffentlich ehrlicher als das trügerische Gift sein.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Sechster Act zu Schillers Kabale und Liebe"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 37.1862, Nr. 904, S. 138
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg