Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Sechster Act zu Schill
Ferdinand.

Verlange keine Erklärung. Nichts soll uns von jetzt
l an mehr trennen. Juble, juble mit mir über das neu er-
langte Leben. (Sic sinken sich voll seligen Entzückens in die Arme.)
(Ein Polizei-Commissär mit Trägern und zwei Tragbahren erscheint
in der Thüre.)

Der Polizei-Commissär

! (sich umsehend.) Ja, ja, 's ist schon recht, dies hier ist die
Wohnung des alten groben Musikanten. Hier müssen die
beiden Todten liegen. Seht Euch mal danach um, Ihr
! Leute; ich für meine Person habe nicht gern mit Leichen etwas
zu thun. Die Polizei liebt es, nur lebendig mit den Le-
I bendigen umzugehen.

Ein Träger.

Ja, gestrenger Herr Commissarius, aber hier liegt nir-
j gends ein Todter. Die Beiden dort scheinen mir wenigstens
recht lebendig zu sein.

Der Polizei-Commissär

(bei Seite.) Wenn das der Fall ist, so kehrt auch meine
Courage gleich wieder zurück. Ich werde die Beiden gleich
j einmal in's Verhör nehmen. (Er tritt näher, laut:) He da!

' Hollah! Wer sind Sie? Wie heißen Sie? Was treiben Sie?
Wo wohnen Sie? Haben Sie Pässe, Paßkarten, Wander-
bücher oder sonstige Legitimationspapiere bei sich, dann her
i damit!

Ferdinand.

Sieht Er nicht, daß ich die Uniform eines Offiziers
trage, Er Esel!

Der Polizei-Commissär

(bei Seite.) Er scheint mich zu kennen, der Grobian. (Laut:)
Herr, das ist eine Beleidigung einer Amtsperson im Dienst
und noch dazu vor Zeugen; das soll Ihnen schlecht bekom-
' men. (Zu den Trägern:) Habt Ihr nicht gehört, Ihr Leute,

1 daß er laut gesagt hat, ich wäre ein Esel?

Die Träger.

Ganz richtig; wir Alle können bezeugen, daß dies wahr ist.
Der Polizei-Commissär

(zu Ferdinand.) Da haben Sie's. Wir werden vor Gericht
später weiter von dem Esel sprechen. Jetzt frage ich Sie
aber nochmals nach Ihrer Legitimation.

Ferdinand.

Und ich sage Ihm noch einmal, ich bin Offizier, wie
die Uniform Ihm schon hätte lehren können.

Der Polizei-Commissär.

Warum soll ein Schneider nicht auch für Landstreicher
Uniformen auf Bestellung machen, oder der Jude solche ver-
; leihen? Ihren Namen bitte ich mir aus.

Ferdinand.

Wenn Er's denn durchaus wissen will — ich heiße
Ferdinand von Walter, Major im ersten Linieninfanterieregi-
ment, zweites Bataillon; Wohnung: Kaserne Flügel I! im
I ersten Stock. Ist das nun hinreichend?

Der Polizei-Commissär

! (zurückfahrend.) Das ist also doch die eine von den Leichen,

ers Kabale und Liebe. (stg

die wir abholen sollten. Und das Francnzimmer da — wer
ist Sie?

Louise.

Louise Miller, ledig, sechszehn Jahre alt gewesen.

Der Polizei-Commissär.

Ha! auch die andere Leiche hat sich gefunden. Herbei,
Ihr Träger! Packt sie an, tragt sie fort! Das sind die bei-
den gesuchten Todten!

(Die Träger wollen sich der Beiden bemächtigen, Ferdinand ergreift
jedoch den Degen und jagt sie in die Flucht.)

Ferdinand.

Ich will Euch beweisen, daß diese Arme und dieses
Schwert einem Lebenden angehören.

Der Polizei-Commissär.

Womit wollen Sie aber beweisen, daß Sie wirklich leben,
wenn die hochwohlweise Polizei Sie einmal für tobt hält?

Ferdinand

(mit dem Degen auf den Polizeicommisfär cindringcnd.) Schwach-
kopf! Genügen Dir auch diese Beweise noch nicht?

Der Polizei-Commissär

(sich zurückziehend.) Herr, nehmen Sie sich in Acht, daß Sie
mir nicht in meinen neuen Uniformsrock ein Loch stoßen, es
könnte Ihnen das schlecht genug bekommen. Sie haben über-
haupt schon vorhin in meiner Person die ganze Polizei einen
Esel genannt und dann mit dem Säbel nach demselben ge-
stoßen, das geht gegen Paragraph Zwanzigtausend vierhundert
und siebenzehn unseres knrzgefaßten Strafgesetzbuches zum
Handgebrauch, unter die Verbrechen des Hochverraths.

Ferdinand.

Fasse Dich kürzer als Dein Gesetzbuch, oder Du bist ein
Kind des Todes. (Er treibt mit seinem Degen den Potizeicom-
missär zum Zimmer hinaus.)

Louise.

Halt ein, Ferdinand. Zeichne nicht die ersten Augen-
blicke unseres neugewonnenen Lebens mit Blut.

Ferdinand.

Noch ist mir Alles wie ein Traum. Habe ich denn wirk-
lich hier mit dem Tode gerungen und war das Gift denn in
der That von meiner unglückseligen Hand in den Becher ge-
schüttet?

Louise.

Furchtbarer Mensch, Du konntest Deiner Louise so wenig
trauen, daß ein grob angelegtes Bubenstück Deine Liebe bis
hinab in ihre Grundfesten erschütterte?

Ferdinand.

O schweige, ich beschwöre Dich. Deine Vorwürfe könn-
ten mich zum Selbstmorde treiben, denn tief genug fühle ich
das Schauderhafte meiner That. Doch still — ist das nicht
die Stimme Deines Vaters, der sich naht?

(Schluß folgt.)

18*
Bildbeschreibung
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen