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Zum Wohleder leid
ein gar angenehmes Stück in der Wirtschaft, weil derselbe ^
für alle Launen, mit denen die beiden Damen früher ihren i
alten Vater gequält hatten, die Zielscheibe war.
„Frag' ihn doch!" hatte Rosalie gesagt, und Georgine
hatte beschlossen, den Rath der Schwester zu befolgen.
„Ist Dir nicht wohl, Papachen?" fragte sie den alten
Herrn halb spöttisch.
„Wie so?" antwortete dieser.
„Du räusperst Dich so viel; hast Du Dich erkältet?"
„Ach gar! Es ging mir nur so was durch den Kopf."
„Ist Dir ein Schüler untren geworden?"
„Possen! Das wär' doch wohl das Letzte, weßhalb Ihr
Euch grämtet!"
„Oder will's mit dem Bildergeschäft nicht recht vor-
wärts? Ihr müßt Eure Perlen nicht so vor die" —
„Ach, was! Die werden immer seltener!"
„Die Perlen oder die —"
„Laß das Geschwätz, und kümmere Dich nicht um
Dinge, die Dich nicht angehen!"
„Aber," sagte Georginchen, indem sie zu ihm ging und
den Arm um seinen Nacken legte, „Du hast etwas, was
^ Dich beunruhigt."
Ter Alle hüstelte wieder.
„Du zerbrichst Dir wohl wieder den Kopf, wie Du
uns los werden könntest?"
Jetzt fuhr er auf: „Himmelelement! Denkt Ihr, mir
macht's Spaß, ewig Euer Gekeif anzuhören? Habt Jhr's
nicht mit dem Rudolph, habt Jhr's mit dem Dienstmädchen
oder mit mir, und wenn ich nicht da bin, liegt Ihr Euch
: einander in den Haaren. Das muß aufhören, eine muß
1 hinaus ans dem Hause!"
„Aber wohin denn, gutes Papachen? Willst Du eine
von uns auf's Leihhaus schicken?"
„Eine muß heirathen!" schrie der alte Herr fuchswild, i
Die beiden Damen lachten laut auf und Rosalie rief
piquirt: „Wohl eine von Deinen Propositionen?"
„Ja," schrie der alte Herr zurück, „ja, in's drei Teu-
fels Namen!"
„Aber wen denn?!" riefen beide wie aus einem Munde.
„Wen anders als den Rudolph!" brüllte der alte Herr
dazwischen.
Ein schallendes Gelächter folgte seinen Worten. Geor-
ginchen lag im Sopha und konnte kaum zu Athem kommen.
Rosalie faßte sich zuerst.
„Den Tagdieb?" rief sie, indem sie mit den Füßen
auf den Boden stampfte, „den Dummkopf! Womit soll der
eine Frau ernähren?"
„Nimm ihn doch, Schwester!" lachte Georgine spöttisch,
„er ist ja so sauber und nett, Du wirst mit ihm Staat
machen, ha, ha ha!! Und wie gut paßt Ihr den Jahren
nach für einander; köstlich, köstlich!"
Rosalie ivurde ganz grün vor Wuth; Rudolph war
fünfundzwanzig, und sie hatte drei Jahre früher das Licht
der Welt erblickt als er. Der Hieb ihrer boshaften Schwe-
enden M e n s ch heit.
ster, welche beiläufig auch schon zwei Dutzend hinter sich
hatte, war empfindlich; Rosalie wäre sicherlich über diese
hergefallen, wenn nicht der Aerger ihre Glieder gelähmt
hätte; sie begnügte sich daher damit, krampfhaft in ihr Ta-
schentuch hineinznschluchzen und mit den Füßen einen kleinen
Generalmarsch zu schlagen.
Der alte Häßlich ließ die Damen sich etwas erholen,
und als das Gelächter der Jüngeren und das Schluchzen
der Aelteren in's Abnehmen kam, sagte er: „Nun hört mich
an! Zwingen kann ich zur Heirath keine von Euch beiden;
ich will Euch daher nur mittheilen, was geschehen soll. Ru-
dolph wird von mir mit meinem Gelde etablirt; er soll ein
Geschäft mit Maler-Utensilien anfangen; für Kundschaft
werde ich schon sorgen; wer nicht von ihm kauft, wird keine
Bilder durch mich los, und gerade die Maler, welche für
meinen Verein liefern, malen schnell, brauchen also viele
Pinsel, Farben und Leinwand. Das Geschäft wird sich schon
machen, besonders wenn wir gute Maare halten. Merkt jetzt
auf! Rudolph tvird von mir nur unter der Bedingung
etablirt, daß er eine von Euch heirathet, wen er nimmt, ist
mir gleich. Am besten wär's, Du, Rosalie, heirathest ihn;
Du bist genau, rechnest ganz gut, kannst ihm also bei der
Buchführung zur Seite stehen. Das Geld, welches in das
Geschäft gesteckt wird, tvird derjenigen von Euch, welche ihn
nimmt, nicht bei ihrem Erbtheil angerechnet, sondern nur
die Ausstattung" —
„Himmel!" kreischte Rosalie, „ist das Gerechtigkeit, ist
das Reellität? Unser gutes Geld verschleudern an den Tan-
genichts? Nein, und abermals nein, nie werde ich" —
„Rühe!" donnerte der Alte dazwischen. „Wer hat das
Geld verdient, he? Ich habe mir weiß Gott! mein Lebtag
genug von Euch gefallen lassen; dies Mal, hol mich der
Geier! nicht. Kömmt die Sache nicht zu Stande, gebe ich
das Geld, was von mir dazu bestimmt ist, an die Armen;
das merkt Euch! Einer von Euch will ich los sein, und
damit: Basta!!"
So hatten die Mädchen den Alten nie gesehen; sie
saßen beide ganz versteinert, als er hinaus und krachend
die Thüre hinter ihm zngeflogen Ivar. Jetzt kani die Reihe
des Schluchzens an Georgine, Rosalie aber saß am Fenster,
kerzengerade wie eine Salzsäule, und schaute stieren Blickes
hinaus lvie in unendliche Fernen. Diese Jungfrau, deren
hervorragendste Eigenschaften Geiz und Habsucht waren, be-
wegten des Vaters Worte in ihrem Herzen. Die vom Vater
in Aussicht gestellten Vortheile verfehlten ihre Wirkung nicht.
„Hör' endlich auf mit Deinem Geheul!" sprach sie energisch
zur Schwester. „Wer zwingt Dich, ihn zu nehmen? Ich
werde die Angelegenheit in Ordnung bringen."
„Also wirklich?" rief da die Andere. „Dacht' ich's
doch! Du nimmst ihn. O! es wird eine interessante Partie
werden. Du wirst Dich auf Kosten Deiner Schwester
bereichern, aber Du wirst an dem armen Rudolph als
Mutter".
„Schweig, den Augenblick! impertinente Person, oder" . ..
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Zum Wohleder leid
ein gar angenehmes Stück in der Wirtschaft, weil derselbe ^
für alle Launen, mit denen die beiden Damen früher ihren i
alten Vater gequält hatten, die Zielscheibe war.
„Frag' ihn doch!" hatte Rosalie gesagt, und Georgine
hatte beschlossen, den Rath der Schwester zu befolgen.
„Ist Dir nicht wohl, Papachen?" fragte sie den alten
Herrn halb spöttisch.
„Wie so?" antwortete dieser.
„Du räusperst Dich so viel; hast Du Dich erkältet?"
„Ach gar! Es ging mir nur so was durch den Kopf."
„Ist Dir ein Schüler untren geworden?"
„Possen! Das wär' doch wohl das Letzte, weßhalb Ihr
Euch grämtet!"
„Oder will's mit dem Bildergeschäft nicht recht vor-
wärts? Ihr müßt Eure Perlen nicht so vor die" —
„Ach, was! Die werden immer seltener!"
„Die Perlen oder die —"
„Laß das Geschwätz, und kümmere Dich nicht um
Dinge, die Dich nicht angehen!"
„Aber," sagte Georginchen, indem sie zu ihm ging und
den Arm um seinen Nacken legte, „Du hast etwas, was
^ Dich beunruhigt."
Ter Alle hüstelte wieder.
„Du zerbrichst Dir wohl wieder den Kopf, wie Du
uns los werden könntest?"
Jetzt fuhr er auf: „Himmelelement! Denkt Ihr, mir
macht's Spaß, ewig Euer Gekeif anzuhören? Habt Jhr's
nicht mit dem Rudolph, habt Jhr's mit dem Dienstmädchen
oder mit mir, und wenn ich nicht da bin, liegt Ihr Euch
: einander in den Haaren. Das muß aufhören, eine muß
1 hinaus ans dem Hause!"
„Aber wohin denn, gutes Papachen? Willst Du eine
von uns auf's Leihhaus schicken?"
„Eine muß heirathen!" schrie der alte Herr fuchswild, i
Die beiden Damen lachten laut auf und Rosalie rief
piquirt: „Wohl eine von Deinen Propositionen?"
„Ja," schrie der alte Herr zurück, „ja, in's drei Teu-
fels Namen!"
„Aber wen denn?!" riefen beide wie aus einem Munde.
„Wen anders als den Rudolph!" brüllte der alte Herr
dazwischen.
Ein schallendes Gelächter folgte seinen Worten. Geor-
ginchen lag im Sopha und konnte kaum zu Athem kommen.
Rosalie faßte sich zuerst.
„Den Tagdieb?" rief sie, indem sie mit den Füßen
auf den Boden stampfte, „den Dummkopf! Womit soll der
eine Frau ernähren?"
„Nimm ihn doch, Schwester!" lachte Georgine spöttisch,
„er ist ja so sauber und nett, Du wirst mit ihm Staat
machen, ha, ha ha!! Und wie gut paßt Ihr den Jahren
nach für einander; köstlich, köstlich!"
Rosalie ivurde ganz grün vor Wuth; Rudolph war
fünfundzwanzig, und sie hatte drei Jahre früher das Licht
der Welt erblickt als er. Der Hieb ihrer boshaften Schwe-
enden M e n s ch heit.
ster, welche beiläufig auch schon zwei Dutzend hinter sich
hatte, war empfindlich; Rosalie wäre sicherlich über diese
hergefallen, wenn nicht der Aerger ihre Glieder gelähmt
hätte; sie begnügte sich daher damit, krampfhaft in ihr Ta-
schentuch hineinznschluchzen und mit den Füßen einen kleinen
Generalmarsch zu schlagen.
Der alte Häßlich ließ die Damen sich etwas erholen,
und als das Gelächter der Jüngeren und das Schluchzen
der Aelteren in's Abnehmen kam, sagte er: „Nun hört mich
an! Zwingen kann ich zur Heirath keine von Euch beiden;
ich will Euch daher nur mittheilen, was geschehen soll. Ru-
dolph wird von mir mit meinem Gelde etablirt; er soll ein
Geschäft mit Maler-Utensilien anfangen; für Kundschaft
werde ich schon sorgen; wer nicht von ihm kauft, wird keine
Bilder durch mich los, und gerade die Maler, welche für
meinen Verein liefern, malen schnell, brauchen also viele
Pinsel, Farben und Leinwand. Das Geschäft wird sich schon
machen, besonders wenn wir gute Maare halten. Merkt jetzt
auf! Rudolph tvird von mir nur unter der Bedingung
etablirt, daß er eine von Euch heirathet, wen er nimmt, ist
mir gleich. Am besten wär's, Du, Rosalie, heirathest ihn;
Du bist genau, rechnest ganz gut, kannst ihm also bei der
Buchführung zur Seite stehen. Das Geld, welches in das
Geschäft gesteckt wird, tvird derjenigen von Euch, welche ihn
nimmt, nicht bei ihrem Erbtheil angerechnet, sondern nur
die Ausstattung" —
„Himmel!" kreischte Rosalie, „ist das Gerechtigkeit, ist
das Reellität? Unser gutes Geld verschleudern an den Tan-
genichts? Nein, und abermals nein, nie werde ich" —
„Rühe!" donnerte der Alte dazwischen. „Wer hat das
Geld verdient, he? Ich habe mir weiß Gott! mein Lebtag
genug von Euch gefallen lassen; dies Mal, hol mich der
Geier! nicht. Kömmt die Sache nicht zu Stande, gebe ich
das Geld, was von mir dazu bestimmt ist, an die Armen;
das merkt Euch! Einer von Euch will ich los sein, und
damit: Basta!!"
So hatten die Mädchen den Alten nie gesehen; sie
saßen beide ganz versteinert, als er hinaus und krachend
die Thüre hinter ihm zngeflogen Ivar. Jetzt kani die Reihe
des Schluchzens an Georgine, Rosalie aber saß am Fenster,
kerzengerade wie eine Salzsäule, und schaute stieren Blickes
hinaus lvie in unendliche Fernen. Diese Jungfrau, deren
hervorragendste Eigenschaften Geiz und Habsucht waren, be-
wegten des Vaters Worte in ihrem Herzen. Die vom Vater
in Aussicht gestellten Vortheile verfehlten ihre Wirkung nicht.
„Hör' endlich auf mit Deinem Geheul!" sprach sie energisch
zur Schwester. „Wer zwingt Dich, ihn zu nehmen? Ich
werde die Angelegenheit in Ordnung bringen."
„Also wirklich?" rief da die Andere. „Dacht' ich's
doch! Du nimmst ihn. O! es wird eine interessante Partie
werden. Du wirst Dich auf Kosten Deiner Schwester
bereichern, aber Du wirst an dem armen Rudolph als
Mutter".
„Schweig, den Augenblick! impertinente Person, oder" . ..
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