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Zacharias Hasenm

Zacharias war wirklich ein wenig stutzig geworden,
aber das Lachen und Erzählen der Anderen trieb bald jeden
solchen Gedanken aus seinem Hirn. Das war eine Land-
ratte, die überhaupt nicht mehr auf's Wasser hinaus mochte,
und von dem lustigen Leben draußen wenig wußte. Nur
ein Bedenken kam ihm noch — er konnte nicht schwimmen,
und wenn er nun einmal aus dem Schiff herausfiel! Er
thcilte es dem neben ihm Sitzenden, der sich überhaupt am
Meisten seiner angenommen hatte, mit, der aber lachte
gerade hinaus: „Schwimmen?" rief er, „glaubst Du, Kame-
rad, daß Einer von uns Allen, die wir zur See gehen,
schwimmen kann? fällt uns gar nicht ein. Daß wir uns
etwa lange quälen müßten, wenn die Geschichte einmal schief
geht, nicht wahr? — denken gar nicht dran. Fällt Einer
über Bord, dann geht der Steuermann in seine Cajüte und
schrcibt's in's Logbuch, und damit ist's zu Ende — lustig
gelebt und fröhlich gestorben, das hat dem Teufel die Rech-
nung verdorben," und jubelnd stießen die wilden Burschen
wieder mit ihren Gläsern an, und immer neuen Stoff mußte
der Wirth herbeischaffen.

Endlich fangen sie an zu singen — ganz schrecklich
lange Balladen, die mit ihren zahllosen Versen gar kein
Ende nehmen wollten, und Zacharias wurde schläfrig und
wäre richtig eingenickt, wenn sich nicht eines der Schenk-
mädchen, die bis dahin mit den Matrosen gelacht und ge-
trunken, zu ihm gesetzt und mit ihm geplaudert hätte. Die
erzählte ihm jetzt aber auch, daß der eine Wallfischfänger,
der im Hafen läge — und es war in der That der einzige
— nur auf Tageslicht und die Ebbe warte, um die Elbe
hinunter und hinaus in See zu fahren, und wenn er die
Zeit vergesse, könne er nicht mit und müsse hier bleiben.

Das machte ihn geschwind wieder munter, denn die
Gelegenheit durfte er nicht ungenutzt vorüber lassen; sie bot
sich vielleicht so bald nicht wieder. Das Mädchen wollte ihm
noch einmal zu trinken geben, aber er fühlte, daß er genug
hatte, denn da draußen dämmerte schon wieder der Tag —
so lange geschwärmt zu haben, erinnerte er sich gar nicht,
verlangte aber jetzt noch eine Tasse Kaffee, nahm sich dann
ein reines Hemd aus dem Tornister, um anständig vor dem
Capitain zu erscheinen, und ging dann, als es vollständig
hell geworden war, mit einem der Matrosen, der ihn be-
gleitete, zu dem bezcichneten Schiff hinab.

Cap. II.

Zacharias Hasenmeier hält es nicht an Bord aus.

Hatte er aber früher Angst gehabt, daß es ihm hier
wie auf den anderen Fahrzeugen gehen und der Capitain ihn
,abweisen würde, so fand er sich angenehm getäuscht, denn
der brauchte allerdings Leute, und wenn er zuerst auch genau
so ein Gesicht machte, wie die Uebrigen, als er den Hand-
werksburschen mit seinem Tornister und Knotenstock sah, so
schien er es doch wenigstens für möglich zu halten, einen
Matrosen aus ihm zu machen. Er sagte, er wolle es jeden-

eier's Abenteuer.

falls versuchen. Zacharias wurde sein Platz angewiesen, wo
er schlafen konnte, und mit dem Bewußtsein, jetzt endlich
sein Ziel erreicht zu haben, und einem neuen Leben entgegen
zu gehen, hing er dort seinen Rock an einen Nagel, hängte
den Tornister darüber und — war eingegangen.

Aber es schien auch die höchste Zeit für ihn gewesen
zu sein, an Bord zu kommen, denn in demselben Augenblick
schon fast wurden die Segel ausgespannt, und das Schiff
fuhr den Strom hinunter und in die See hinaus — und
wie das tanzte und schwankte und der arme Hutmacherge- j
sell, der schon so viel von der Seekrankheit gehört, sich aber
noch nie eine richtige Idee davon gemacht hatte, sollte jetzt
erfahren, wie das thue.

Die ganze Welt schien sich mit ihm zu drehen; Alles
wirbelte im Kreis herum — er wußte nicht mehr was oben
oder unten war, ob er auf dem Kopf oder auf den Füßen
stand. — Er warf sich auf Deck nieder und breitete Arme
und Beine aus, um nicht noch tiefer zu fallen, kurz er be-
fand sich in einem Zustand, der sich wohl bedauern, aber
nie im Leben beschreiben läßt.

Wie lange er so gelegen, wußte er gar nicht, und nur
das einzige Bewußtsein war ihm dabei geblieben: der Wunsch
zu sterben, um dieser Höllenpein, diesem qualvollen und
unerträglichen Zustand ein Ende zu machen. — — Aber
auch das ging zuletzt vorüber, das Schiff lag ruhiger, oder
er fühlte vielleicht auch die Bewegung nicht mehr so stark,
und als er eigentlich erst wieder ordentlich zu sich kam,
befanden sie sich schon so weit draußen in See, daß er, wo-
hin er auch blickte, kein Land mehr erkennen konnte. Er
hatte seine Reise angetreten und ein Rückschritt war nicht
mehr möglich.

Aber ob er sich eine Seefahrt anders gedacht haben
mochte; er fühlte sich keineswegs behaglich und sehnte sich
fortwährend danach, das ewig schwankende Schiff nur erst
einmal wieder unter den Füßen los zu werden, und festen,
sicheren Boden zu betreten. Reisen — war das Reisen,
wo man in einemfort, wie ein Sack, hin- und hergeworfen
wurde, und den einen Fuß nie vom Boden heben konnte,
ohne der Gefahr ausgesetzt zu sein, auf die Nase zu fallen?
Da marschirte sich's anders in seinen festen soliden Pappel-
allecn und er bekam wieder das alte Heimweh nach seinem
früheren Leben.

Und wenn sie ihn jetzt noch wenigstens zufrieden ge-
lassen hätten, daß er sich ordentlich ausruhen und das häß-
liche schwindliche Gefühl überwinden konnte — aber Gott
bewahre; kaum machte er die Augen wieder auf, so kam
auch schon der Steuermann und stellte ihn an die Arbeit,
und keine Entschuldigung half, daß er noch hundeelend sei.

Jetzt erfuhr er, daß der alte Segelmacher Recht gehabt,
der ihm ganz genau prophezeiht hatte, was ihn hier er-
wartete. Wo er schon außerdem schwindlich war, mußte er
noch eine große Schicmannsgarn - Winde oder gar einen
schweren Schleifstein drehen, daß ihm der Kopf immer
mit dabei herum ging — und dazu sollte er fetten Speck
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