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Zacharias Hasen»,
essen und harten Schiffszwicback kauen — so ein Leben —
der Böse hätt's holen können, wenn es ihm recht gewesen
wäre, aber es war ihm nicht recht.
Arbeiten — nun ja er hatte in seinem Leben schon
oft gearbeitet, und einen Hut zu walken und zu bügeln
thaten ihm vielleicht Wenige gleich, aber was half ihm das
hier? Statt des Bügeleisens bekam er einen alten schmutzigen
Sandstein in die Hände und mußte damit das Verdeck ab-
schleifen, und wenn das Deck nur wenigstens ruhig gelegen
hätte, aber Gott bewahre; auf und nieder gingS und im
Kreis herum mit ihm und dann kam auch noch der Steuer-
mann und hieb ihm mit einem Ende Tau ein's hinten über,
wenn er nicht rasch genug kratzte, daß er die dicken Striemen
fühlen konnte.
O wie sehnsüchtig sah er jetzt über Bord, ob er nicht
irgendwo Land erkennen und aussteigen könne, denn die
Vergnügungstour hatte er schon bis oben hin satt; aber
Nichts war zu entdecken als Himmel und Wasser und immer
weiter fuhren sie dabei in den großen Ocean hinein.
Wenn er dabei auch geglaubt hatte, er würde sich mit
der Zeit an die Seereise gewöhnen, so fand er doch bald,
daß er sich da schmählich geirrt. Je länger er fuhr, je
schlechter wurde es ihm zu Muthe, der Kopf brannte ihm,
als ob Feuer drinnen wäre, sein Magen revoltirte gänzlich
gegen den ekelhaften Speck und er hielt sich um so mehr
für schlecht und nichtswürdig behandelt, als es ausdrücklich
in seinem Paß stand, daß alle Civil- und Militärbehörden
unterwegs ersucht wurden, ihn frei und ungehindert passiren,
auch ihm nöthigenfalls Schutz angedeihen zu lassen — und
hier sollte er sich behandeln lassen wie einen Hund?
Er ging jetzt direkt zum Capitain und verlangte wieder
an's Land gesetzt zu werden, aber der sagte weiter nichts
als: „geh zum Teufel!" und drehte ihm den Rücken, und
die Matrosen verhöhnten ihn und lachten ihn aus.
Und jetzt begann der Sturm wieder zu toben; die Segel
mußten eingenommen werden, und das Schiff fing an zu
tanzen, daß Zacharias manchmal meinte, es müsse sich über-
schlagen , so hoch hob es sich vorn in die Höhe und fuhr
dann wieder in die Tiefe hinab, bis ihm ordentlich der
Athen, ausging und er Luft schnappen mußte.
Er wollte sich jetzt in sein Bett legen, denn auf den
Füßen konnte er sich doch nicht mehr halten, aber was half
es ihm? Kaum war er hineingekrochen und machte die
Augen zu, so schlenkerte das Schiff nach der andern Seite
hinüber, und warf ihn wie ein Bündel alte Kleider an die
andere Wand, daß ihn alle Rippen im Leibe schmerzten.
Wieder kletterte er hinein, hatte sich aber noch nicht einmal
ordentlich fest gelegt, als er noch unsanfter als.vorher hinaus
geschleudert wurde, und jetzt bekam er's satt.
„Nein," schrie er, „so ein Hundeleben soll ja der
Teufel holen — ich thu' nicht mehr mit," und zugleich fuhr
or in seine Kleider, zog sich fertig an und nahm dann auch
seinen Tornister vom Nagel, um ihn zu packen.
Die alten Matrosen, die ganz gemüthlich in ihrer
cier's Abenteuer.
Hängematte schaukelten, lachten, und frugen ihn, ob er an's
Land wolle und auch tüchtig lange Wasserstiefeln habe —
aber er antwortete ihnen gar nicht, schnallte seinen Tornister,
mit den noch unbenutzten hellglänzenden Stiefelsohlen oben,
fest, knöpfte sich seinen Rock bis oben hin zu, setzte seinen
Hut auf und zog ihn sich vorn tief in die Stirn, holte
seinen Knotenstock vor und hing ihn sich mit dem Leder-
riemen an's rechte Handgelenk, sagte „adjes miteinander"
und stieg an Deck.
Gegen Alles, was ihn nach Außen umgab, schien er
völlig blind geworden, nur an sich selber dachte er und die
ihn: hier gewordene nichtswürdige Behandlung und so schritt
er denn auch fest und entschlossen auf den Capitain zu, der
in seinen wasserdichten Kleidern auf dem Quarterdeck auf
und abging, und die Augen auf das kleine Segel gerichtet
hielt, das sie in dem Wetter noch führen konnten.
„Herr Capitain, ich wollte Ihnen man blos Adjes
sagen," bemerkte hier Zacharias, indem er seinen Hut ab-
nahm und eine Verbeugung machte.
„Junge," rief der Capitain, „wie siehst Du denn aus?
Bist Du verrückt geworden?"
„Bitte," sagte Zacharias, „wollte nur fragen, ob Sie
sonst noch etwas zu bestellen hätten."
„Aber wo willst Du denn hin? — gehst Du etwa so
schlafen?" lachte der Seemann.
„Auf die Wanderschaft will ich," erwiederte aber
Zacharias Hasenmeier, indem er seinen Hut jetzt wieder keck
auf ein Ohr stülpte, „also Adjes Capitain, leben Sie recht
wohl, denn die Wirthschaft hier hält' ich satt," und damit
drehte er sich um, der See zu, wo gerade eine riesige Woge
heraufgestiegen kam, daß sie mit dem hohen Hinterdeck voll-
kommen gleich lief. Dort trat er auch ganz ruhig, als ob
er ein festes Stück Grund und Boden unter sich gehabt
hätte, auf das Wasser hinaus, und sank natürlich in dem-
selben Augenblick, wo er die Welle nur berührte, mit ihr in
die Tiefe.
Er wollte jetzt schreien, aber das ging nicht mehr —
oben hörte er nur noch den wildverstörten Ruf: Mann über
Bord, und wußte jetzt, daß der Steuermann nun in seine
Coje gehen und in sein Tagebuch schreiben werde: Mittwoch
den 13. August Nachmittags halb vier — soviel Grad
Länge, soviel Grad Breite, Mann über Bord gegangen —
Zacharias Hasenmeier — das war seine Grabschrift und
damit fuhr er ab — tiefer und immer tiefer.
Cap. III.
Wie Hasenmeier den ersten Seegreis trifft.
Eigentlich war er selber sehr überrascht worden, als
er hinaus aus de», Schiff trat, dort erst merkte, daß er
auf gar nichts mehr stand und zu gleicher Zeit fühlte, wie
ihm das Wasser nicht allein in die Stiefeln, nein auch schon
in die Halsbinde lief, und gleich darauf über seinem Kopf
zusammenschlug.
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Zacharias Hasen»,
essen und harten Schiffszwicback kauen — so ein Leben —
der Böse hätt's holen können, wenn es ihm recht gewesen
wäre, aber es war ihm nicht recht.
Arbeiten — nun ja er hatte in seinem Leben schon
oft gearbeitet, und einen Hut zu walken und zu bügeln
thaten ihm vielleicht Wenige gleich, aber was half ihm das
hier? Statt des Bügeleisens bekam er einen alten schmutzigen
Sandstein in die Hände und mußte damit das Verdeck ab-
schleifen, und wenn das Deck nur wenigstens ruhig gelegen
hätte, aber Gott bewahre; auf und nieder gingS und im
Kreis herum mit ihm und dann kam auch noch der Steuer-
mann und hieb ihm mit einem Ende Tau ein's hinten über,
wenn er nicht rasch genug kratzte, daß er die dicken Striemen
fühlen konnte.
O wie sehnsüchtig sah er jetzt über Bord, ob er nicht
irgendwo Land erkennen und aussteigen könne, denn die
Vergnügungstour hatte er schon bis oben hin satt; aber
Nichts war zu entdecken als Himmel und Wasser und immer
weiter fuhren sie dabei in den großen Ocean hinein.
Wenn er dabei auch geglaubt hatte, er würde sich mit
der Zeit an die Seereise gewöhnen, so fand er doch bald,
daß er sich da schmählich geirrt. Je länger er fuhr, je
schlechter wurde es ihm zu Muthe, der Kopf brannte ihm,
als ob Feuer drinnen wäre, sein Magen revoltirte gänzlich
gegen den ekelhaften Speck und er hielt sich um so mehr
für schlecht und nichtswürdig behandelt, als es ausdrücklich
in seinem Paß stand, daß alle Civil- und Militärbehörden
unterwegs ersucht wurden, ihn frei und ungehindert passiren,
auch ihm nöthigenfalls Schutz angedeihen zu lassen — und
hier sollte er sich behandeln lassen wie einen Hund?
Er ging jetzt direkt zum Capitain und verlangte wieder
an's Land gesetzt zu werden, aber der sagte weiter nichts
als: „geh zum Teufel!" und drehte ihm den Rücken, und
die Matrosen verhöhnten ihn und lachten ihn aus.
Und jetzt begann der Sturm wieder zu toben; die Segel
mußten eingenommen werden, und das Schiff fing an zu
tanzen, daß Zacharias manchmal meinte, es müsse sich über-
schlagen , so hoch hob es sich vorn in die Höhe und fuhr
dann wieder in die Tiefe hinab, bis ihm ordentlich der
Athen, ausging und er Luft schnappen mußte.
Er wollte sich jetzt in sein Bett legen, denn auf den
Füßen konnte er sich doch nicht mehr halten, aber was half
es ihm? Kaum war er hineingekrochen und machte die
Augen zu, so schlenkerte das Schiff nach der andern Seite
hinüber, und warf ihn wie ein Bündel alte Kleider an die
andere Wand, daß ihn alle Rippen im Leibe schmerzten.
Wieder kletterte er hinein, hatte sich aber noch nicht einmal
ordentlich fest gelegt, als er noch unsanfter als.vorher hinaus
geschleudert wurde, und jetzt bekam er's satt.
„Nein," schrie er, „so ein Hundeleben soll ja der
Teufel holen — ich thu' nicht mehr mit," und zugleich fuhr
or in seine Kleider, zog sich fertig an und nahm dann auch
seinen Tornister vom Nagel, um ihn zu packen.
Die alten Matrosen, die ganz gemüthlich in ihrer
cier's Abenteuer.
Hängematte schaukelten, lachten, und frugen ihn, ob er an's
Land wolle und auch tüchtig lange Wasserstiefeln habe —
aber er antwortete ihnen gar nicht, schnallte seinen Tornister,
mit den noch unbenutzten hellglänzenden Stiefelsohlen oben,
fest, knöpfte sich seinen Rock bis oben hin zu, setzte seinen
Hut auf und zog ihn sich vorn tief in die Stirn, holte
seinen Knotenstock vor und hing ihn sich mit dem Leder-
riemen an's rechte Handgelenk, sagte „adjes miteinander"
und stieg an Deck.
Gegen Alles, was ihn nach Außen umgab, schien er
völlig blind geworden, nur an sich selber dachte er und die
ihn: hier gewordene nichtswürdige Behandlung und so schritt
er denn auch fest und entschlossen auf den Capitain zu, der
in seinen wasserdichten Kleidern auf dem Quarterdeck auf
und abging, und die Augen auf das kleine Segel gerichtet
hielt, das sie in dem Wetter noch führen konnten.
„Herr Capitain, ich wollte Ihnen man blos Adjes
sagen," bemerkte hier Zacharias, indem er seinen Hut ab-
nahm und eine Verbeugung machte.
„Junge," rief der Capitain, „wie siehst Du denn aus?
Bist Du verrückt geworden?"
„Bitte," sagte Zacharias, „wollte nur fragen, ob Sie
sonst noch etwas zu bestellen hätten."
„Aber wo willst Du denn hin? — gehst Du etwa so
schlafen?" lachte der Seemann.
„Auf die Wanderschaft will ich," erwiederte aber
Zacharias Hasenmeier, indem er seinen Hut jetzt wieder keck
auf ein Ohr stülpte, „also Adjes Capitain, leben Sie recht
wohl, denn die Wirthschaft hier hält' ich satt," und damit
drehte er sich um, der See zu, wo gerade eine riesige Woge
heraufgestiegen kam, daß sie mit dem hohen Hinterdeck voll-
kommen gleich lief. Dort trat er auch ganz ruhig, als ob
er ein festes Stück Grund und Boden unter sich gehabt
hätte, auf das Wasser hinaus, und sank natürlich in dem-
selben Augenblick, wo er die Welle nur berührte, mit ihr in
die Tiefe.
Er wollte jetzt schreien, aber das ging nicht mehr —
oben hörte er nur noch den wildverstörten Ruf: Mann über
Bord, und wußte jetzt, daß der Steuermann nun in seine
Coje gehen und in sein Tagebuch schreiben werde: Mittwoch
den 13. August Nachmittags halb vier — soviel Grad
Länge, soviel Grad Breite, Mann über Bord gegangen —
Zacharias Hasenmeier — das war seine Grabschrift und
damit fuhr er ab — tiefer und immer tiefer.
Cap. III.
Wie Hasenmeier den ersten Seegreis trifft.
Eigentlich war er selber sehr überrascht worden, als
er hinaus aus de», Schiff trat, dort erst merkte, daß er
auf gar nichts mehr stand und zu gleicher Zeit fühlte, wie
ihm das Wasser nicht allein in die Stiefeln, nein auch schon
in die Halsbinde lief, und gleich darauf über seinem Kopf
zusammenschlug.
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