Bälle und ihre Folgen.
blatt erscheinen zu lassen, denn so etwas ungedruckt zu lassen
ist eine Sünde.
Wenn sich der Werth nach dem Erfolge bcmißt, so
war dieses Gedicht meisterhaft und sein Verfasser konnte sich
in dem stolzen Gefühle wiegen, wenn auch nicht zu Deutsch-
lands ersten Dichtern gezählt zu werden, so doch der Erste
des Bürgercasinos zu sein.
— Jetzt, nachdem Enthusiasmus und Rührung sich
allmälig gelegt, schlug der ehrsame Mctzgcrmeister an sein
j Glas. „Um Gotteswillen, Alter, Du wirst keine Rede
i halten wollen?" rief die Meisterin besorgt — aber schon
hatte der Meister begonnen.
„Hochachtbare Versammlung, — ingleichen werthge-
schätzte, ehrsame .Handwerksmeister, Zunftgenossen, Frauen,
Jungfrauen und Junggesellen — — — — — — Wann
gleich, nachdem der Herr Doctor uns, ich meine dem Comitv,
eine Danksagung gemacht hat, noch dazu in Reimen, wozu
auch ich gehöre, denn ich war schon im Jahr 36 im Vor-
stand, so sagen wir ihm auch unseren Dank nnd große
! Hochachtung.
Der Herr Doctor hat uns so schön gesagt, wie ich cs
! nicht sagen kann, aber ich weiß es, wie wir Alle, daß es
im Leben viel Tranrigeö giebt.
Daher, hochzuverehrendc Versammlung, schlage ich vor,
j gradaus weil ich nicht viel Worte machen kann, daß wir
jetzt, wo wir so fröhlich beisammen sind, auch an die Armen
! denken wollen, die in diesen harten Winterläuften schwer
mit Nahrung und Brand zu kämpfen haben. Wir haben
^ früher einen Spruchreim gehabt, wann es ein langes, ge-
: lehrtes Gedicht gewesen wär', hält' ich's nicht behalten
können, denn ich bin ein schlichter Mann, es hat geheißen:
j
Trink und iß
Der Armuth nicht vergiß.
Wir haben gegessen nnd wir haben gut gegessen, wir
! haben getrunken und wollen noch mehr trinken, also wollen
wir auch der Armuth nicht vergessen."
So schloß der Redliche und legt jetzt ein blinkendes
: Zweiguldenstück auf den Teller vor ihm, „Nachbar gebt's
weiter."
„Balthasar. Du hast das Herz auf dem rechten Fleck,"
; ruft der alte Küfer herüber, „so war's recht."
Und — „so ist'ö recht," tönt es weiter, und Gulden,
halbe Gulden und Sechser, je nach Stand und Vermögen,
klirren auf den Teller, ja ein alter Junggeselle legt ganz
schüchtern, damit es nicht zu auffallend sei, seinen Dukaten
unter einen prahlenden preußischen Thalcr, welchen sein ehe-
maliger Besitzer mit der bewußten Miene eines Mannes,
welcher es kann, auf den Teller geworfen hatte.
Das war auf dem Bürgercasinoball.
III.
Die Folgen der Bälle.
Als das Samstags-Wochenblatt erschien, da stand unter
den Inseraten:
„Freunden und Bekannten zeigen ihre heute geschehene
Verlobung an:
Clementine Hagen,
Friedrich Reiter, Fabrikant.
Mutzheim, 18. Febr. 18 . . ."
Dicht darunter stand:
„Bedürftige, insbesondere verschämte Hausarme mögen :
sich bei dem Bürgcrcasino-Vorstand, Metzgermeister Balthasar,
kleiner Muckenplatz, wenden, um dort Beiträge von den auf
dem letzten Balle gesammelten milden Spenden zu erhalten.
Mutzheim, 18. Febr. 18 . . .
Das Comitg des Bürgercasinoballes."
In der nächstfolgenden Spalte las man, in der Um-
rahmung fabelhafter Blumen und unter dem Schutze eines
Altarö, an welchem ein Genius, welcher nur etwas zu fett
in Druckerschwärze gehalten war, lehnte:
„Ballblumen, gepflückt auf den Friedensstätten der
Erinnerung. Toast, gesprochen bei dem am 16. Februar
stattgefundenen Festballe des hiesigen Bürgercasino, den theil-
nehmenden Theilnehmern und Thcilnchmerincn als Gcdenk-
blatt wonniger Stunden gewidmet von der bescheidenen Muse
eines ihrer Mitglieder."
blatt erscheinen zu lassen, denn so etwas ungedruckt zu lassen
ist eine Sünde.
Wenn sich der Werth nach dem Erfolge bcmißt, so
war dieses Gedicht meisterhaft und sein Verfasser konnte sich
in dem stolzen Gefühle wiegen, wenn auch nicht zu Deutsch-
lands ersten Dichtern gezählt zu werden, so doch der Erste
des Bürgercasinos zu sein.
— Jetzt, nachdem Enthusiasmus und Rührung sich
allmälig gelegt, schlug der ehrsame Mctzgcrmeister an sein
j Glas. „Um Gotteswillen, Alter, Du wirst keine Rede
i halten wollen?" rief die Meisterin besorgt — aber schon
hatte der Meister begonnen.
„Hochachtbare Versammlung, — ingleichen werthge-
schätzte, ehrsame .Handwerksmeister, Zunftgenossen, Frauen,
Jungfrauen und Junggesellen — — — — — — Wann
gleich, nachdem der Herr Doctor uns, ich meine dem Comitv,
eine Danksagung gemacht hat, noch dazu in Reimen, wozu
auch ich gehöre, denn ich war schon im Jahr 36 im Vor-
stand, so sagen wir ihm auch unseren Dank nnd große
! Hochachtung.
Der Herr Doctor hat uns so schön gesagt, wie ich cs
! nicht sagen kann, aber ich weiß es, wie wir Alle, daß es
im Leben viel Tranrigeö giebt.
Daher, hochzuverehrendc Versammlung, schlage ich vor,
j gradaus weil ich nicht viel Worte machen kann, daß wir
jetzt, wo wir so fröhlich beisammen sind, auch an die Armen
! denken wollen, die in diesen harten Winterläuften schwer
mit Nahrung und Brand zu kämpfen haben. Wir haben
^ früher einen Spruchreim gehabt, wann es ein langes, ge-
: lehrtes Gedicht gewesen wär', hält' ich's nicht behalten
können, denn ich bin ein schlichter Mann, es hat geheißen:
j
Trink und iß
Der Armuth nicht vergiß.
Wir haben gegessen nnd wir haben gut gegessen, wir
! haben getrunken und wollen noch mehr trinken, also wollen
wir auch der Armuth nicht vergessen."
So schloß der Redliche und legt jetzt ein blinkendes
: Zweiguldenstück auf den Teller vor ihm, „Nachbar gebt's
weiter."
„Balthasar. Du hast das Herz auf dem rechten Fleck,"
; ruft der alte Küfer herüber, „so war's recht."
Und — „so ist'ö recht," tönt es weiter, und Gulden,
halbe Gulden und Sechser, je nach Stand und Vermögen,
klirren auf den Teller, ja ein alter Junggeselle legt ganz
schüchtern, damit es nicht zu auffallend sei, seinen Dukaten
unter einen prahlenden preußischen Thalcr, welchen sein ehe-
maliger Besitzer mit der bewußten Miene eines Mannes,
welcher es kann, auf den Teller geworfen hatte.
Das war auf dem Bürgercasinoball.
III.
Die Folgen der Bälle.
Als das Samstags-Wochenblatt erschien, da stand unter
den Inseraten:
„Freunden und Bekannten zeigen ihre heute geschehene
Verlobung an:
Clementine Hagen,
Friedrich Reiter, Fabrikant.
Mutzheim, 18. Febr. 18 . . ."
Dicht darunter stand:
„Bedürftige, insbesondere verschämte Hausarme mögen :
sich bei dem Bürgcrcasino-Vorstand, Metzgermeister Balthasar,
kleiner Muckenplatz, wenden, um dort Beiträge von den auf
dem letzten Balle gesammelten milden Spenden zu erhalten.
Mutzheim, 18. Febr. 18 . . .
Das Comitg des Bürgercasinoballes."
In der nächstfolgenden Spalte las man, in der Um-
rahmung fabelhafter Blumen und unter dem Schutze eines
Altarö, an welchem ein Genius, welcher nur etwas zu fett
in Druckerschwärze gehalten war, lehnte:
„Ballblumen, gepflückt auf den Friedensstätten der
Erinnerung. Toast, gesprochen bei dem am 16. Februar
stattgefundenen Festballe des hiesigen Bürgercasino, den theil-
nehmenden Theilnehmern und Thcilnchmerincn als Gcdenk-
blatt wonniger Stunden gewidmet von der bescheidenen Muse
eines ihrer Mitglieder."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Bälle und ihre Folgen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 45.1866, Nr. 1103, S. 66
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg