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Der Hofgärtner des alten Dessaner,

welchem so mancher Unschuldige durch die Unbändigkeit dieses
Fürsten bedroht wurde.

Die Gemahlin des Fürsten Leopold war, wie bekannt,
die eben so schöne als streng sittliche Tochter des Apothekers
Fröhse zu Dessau, mit welcher Leopold schon als Knabe gern
gespielt, und für die er später in heftiger Liebe erglühte, und
trotz aller Drohungen und Bitten seiner Mutter und seiner
hohen Verwandten, welche durch diese Neigung des wilden
halsstarrigen Erbprinzen von Dessau im höchsten Grade be-
unruhigt wurden, offen erklärte, daß Apothekers Anna seine
Frau werden müsse, es möge kommen, wie es wolle.

Um ihn daher von dieser Jugendthorheit, wie man es
nannte, zu heilen, ward Leopold mit seinem Hofmeister
Chalisac einige Jahre auf Reisen geschickt; sein erster Gang
aber, als er aus Frankreich und Italien zurückkehrte, war
nicht zu seiner Mutter, sondern zu seiner Anna Liese, wie
er die Geliebte nannte, welche die Namen Anna Louise führte,
und als man ihn auf diese eifersüchtig zu machen suchte,
erstach er im Jähzorn den Unschuldigen, welchen man ver-
dächtigte, daß er sich der besonderen Gunst der schönen Apo-
thekers-Tochter erfreue und flüchtete nach dieser Unthat als
Freiwilliger in die Churfürstlich-brandenburgische Armee, da
der Churfürst als Oesterreichs Verbündeter an dem Kriege
gegen Frankreich Theil genommen hatte, erstürmte Namur,
und kam im 20, Jahre zum Generalmajor avancirt, nach
Dessau zurück, wo er im Jahre 1698 mündig geworden, die
Regierung seines Landes übernahm, und seine Anna hcirathete,
für welche er vom Kaiser Leopold die reichsfürstliche Würde
> erlangt hatte, die auch auf seine Kinder forterbte.

Wenn dieser Fürst nicht im Felde, am Hofe zu Berlin,
oder bei seinem Regiment in Halle war, so verweilte er auf
kurze Zeit in Dessau, weniger um des Verwaltungswesens
seines Landes, als der Jagd wegen, die er leidenschaftlich
liebte, und durch den übermäßigen Wildstand, welcher auf
seinen Befehl gehegt wurde, seine Unterthanen auf das
Härteste drückte, da Niemand es wagen durfte, das die Gär-
ten und Felder verheerende Wild mit Knütteln oder andern
Abwehrungsmitteln zu verjagen, und diejenigen, welche Feuer-
waffen dagegen brauchten, jahrelange Zuchthausstrafe zu ver-
büßen hatten. Gegen seine Gemahlin hegte der Fürst stets
hohe Achtung und herzliche Zuneigung, und lebte in seinen
häuslichen Verhältnissen sehr glücklich; allgemein aber wurde
die Klugheit bewundert, mit welcher die Fürstin diesen wilden
trotzigen Feuerkopf beherrschte, ohne daß diesem es je fühlbar
wurde,

„Aber lieber WilhelmI" rief der alte Hofgärtner, als
der erste und mächtige Eindruck des Wiedersehens vorüber,
und der Sohn lächelnd ans Vater und Mutter schau'te, deren
Blicke voll Freude und Stolz auf ihm hafteten — „Du bist
erschrecklich gewachsen und" — dabei zeigte sich eine Falte
stiller Sorge auf der heiter geglätteten Stirn des glücklichen
Vaters, denn der Fürst Leopold wurde an dem Tage, an
welcheni der Sohn zurückgekehrt, von Halle aus erwartet und
wollte dem Vernehmen nach längere Zeit in Dessau ver-

weilen — „fast möchte ich wünschen, daß, ehe Dich Sere-
nissimus zu Gesicht bekommt, wir uns des Schutzes unserer
edlen Fürstin versichern, damit Se, Durchlaucht Dich nicht
für sein Regiment verlangt, welches aus den längsten Grena-
dieren der preußischen Armee besteht, da derselbe, wie der neue
Preußenkönig, an großen Leuten einen absonderlichen Wohl-
gefallen findet,"

„Davon habe ich in Holland auch gehört," entgegnete
lachend der Sohn, „Aber ich denke doch, daß er den Sohn
seines Hofgärtners nicht gleich unter die Soldaten stecken
wird, >vas weder den batavischen noch englischen Werbern ge-
glückt ist,"

„Ach Wilhelm," fügte die Mutter ebenfalls besorgt hin-
zu, „der schont Niemand, und Ivas er sich in den Kopf
gesetzt, das muß geschehen, daher >vird es wohl besser sein,
wir stellen Dich heut' noch, ehe der Durchlauchtigste eintrifft,
unserer Fürstin vor, denn nur die kann Dich schützen,"
„Aber wenn wirklich Gefahr vorhanden," sprach ernster
der Sohn, „dann wäre es wohl besser, ich packte meine kleinen
Habseligkeiten zusammen, und sputete mich, so bald wie
möglich wieder zum Lande hinanszukommen, denn mich unter
das rohe Kriegsvolk stecken zu lassen und dem Korporalstock
mich zu beugen, habe ich auch nicht die mindeste Neigung,"
„Das sollst Du auch nicht, Du sollst hier Hofgärtner
werden, und darum wollen wir uns bei Zeiten vorsehen,
denn besser verwahrt, wie beklagt," entgegnete der Vater,
„Das werde ich besorgen," rief die Mutter entschlossen,
„Die Durchlauchtigste kommt jeden Vormittag an unserer
Wohnung vorüber und spricht freundlich mit uns; sie wird
auch heute an solch' einem schönen Morgen bald im Garten
erscheinen und da stelle ich Dich ihr vor, und bitte sie, Dich
in ihren Schutz zn nehmen,"

„Dort kommt sie schon!" sprach der Hofgärtner, welcher
an das Fenster der kleinen freundlichen Wohnung getreten
war, die arn Eingänge des fürstlichen Lustgartens lag, und
welche durch das üppige Laubwerk eines Weingeländers wie
von einem grünen Teppich überzogen war.

„Das ist ein Fingerzeig des Himmels!" entgegnete die
Mutter, nahm, ihre Haube in Ordnung bringend, den Sohn
bei der Hand, und eilte mit diesem zur Thüre hinaus der
näher kommenden Fürstin entgegen, während der Hofgärtner
eilig seinen Sonntagsrock anzog und Beiden folgte.

Die Gemahlin des Fürsten Leopold zählte zu jener Zeit,
in welcher diese kleine Erzählung spielt, fünfunddreißig
Lebensjahre und >var eine hohe stattliche Frau, in deren
mildem, freundlichen Antlitz die frühere jugendliche Schönheit
unvertilgbar sich zeigte, während die Sorgen und Mühen,
ivelche ihr oblagen, der Verwaltung des kleinen Ländchens
und dessen oft hart gedrückten Unterthanen sich warm und
hilfreich anzunehmen, ihren Zügen einen ernsten Ausdruck
beigemischt hatte, und es sprach die Charakterstärke, die sie
schon als Kind an den Tag gelegt und mittelst welcher sie
später den oft tollen Launen ihres Gemahls entschieden ent-
gegen getreten war, auch ans den Blicken ihrer dunklen
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