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Der Bauerndoktor.

den Wastl so g'rad und frisch einher steigen sehen, haben sie
ihre Augen weil ausgeriffen, und find vor ihm stehen geblie-
ben. „Aha!" hat der gesagt, der ihm die Salben verschrieben
hat, „gelt, meine Salben hat dir halt doch geholfen!" Der
Zweite hat gemeint: „Da steht man doch, daß bei den Quet-
schungen nichts über die kalten Ueberschläge geht." „Was
Salben und kalte Ueberschläg'!" hat der Dritte geeifert, „die
heißen Müßer haben ihn kurirt." Der Wastl hat ihnen aber
ganz trocken gesagt: „Meine liebe Herren, mir hat der Ger-
hartler mit seine Kräuter geholfen, ich wollt', ich war gleich
zu ihm gangen!" Da haben die Herren die Köpf zusammen
gesteckt, und viel lateinisches Zeug geplaudert, daß dem Wastl
ganz schwindlich geworden ist, und endlich haben sie gesagt:
„Den Quacksalber muß man einsperren lassen," und richtig,
in ein paar Tagen d'raus ist der Gerhartler im Loch geseßen;
das war die erste G'schichl.

Kaum war er wieder ledig, so ging schon die zweite Gc-
schicht los.

Die Grattenseld - Moidl hat gar so viel mit ihrem Magen
zu leiden gehabt, und es war in ganz Sprugg (Innsbruck)
kein Doktor mehr, der ihr nicht schon Etwas verschrieben hat,
es hat ihr aber Alles nichts geholfen. Da ist auch Einer, ein
kleiner dicker Herr, der schon viele Seideln bei mir abgestochen
hat, der hat der Moidl sogar schon den Tag angesagt, an
dem sie sterben wird, und da ist fie halt in ihrer Verzweiflung
noch zum Gerhartler gangen, und hat ihm ihren Zustand
geklagt. —

Der Gerhartler ist aber ganz unwillig gewesen, und hat
gesagt: „Mach dich nur durch, Madl! ich darf nichts mehr
eingeben, nichts pflastern und nichts überlegen, sonst lassen
fie mich wieder aus ein paar Monat in s Loch sperren, wenn
ich schon nur solche in die Kur krieg', an denen gewöhnlich
nimmer viel zu verderben ist."

„So rathet's mir doch Etwas!" seufzte die Moidl, „soll
ich denn zu Grund geh'n, weil man Euch das Handwerk ge-
legt hat?"

„Rathen!" sagte der Gerhartler, „das haben mir die Herren
freilich nicht verboten: ja, ja, Moidl! rathen will dir schon
etwas. Schau die gelbe Blume da an, die wachst jetzt auf der
Alm, klaub dir ein paar Händvoll davon, und mach' dir
einen Thee d'raus, den trinkst du alle Tage vor'm Frühstück,
und nachm Nachtessens wenn dir das nicht hilft, so Hilst dir
nichts mehr!" und richtig, die Moidl hat einen Monat lang
den Thee getrunken, und ist d'raus gesund worden, gesünder,
als fie vorher war. — Da ist ihr Einmal der kleine, dicke
> Doktor begegnet, der ihr den Sterbtag prophezeit hak, und der
hat fich nicht g'nug verwundern können, wie er fie so gesund
! und frisch vor ihm gesehen hat : „Ja, Moidl, haben dich die
Geier noch nicht geholt!" hat er gerufen, fie hat aber gelacht
und hat gesagt: „Das hat noch Zeit, Herr Doktor, der

Gerhartler hat mir einen Rath geben, und der hat mir
geholfen!"

Da hat aber der Kleine ein wildes Geficht gemacht, und
hat vor sich hin brummt: „Das war sauber, für was war
man denn Doktor, wenn jeder ungstudirte Lapp rathen dürft;
den Kerl muß man gleich wieder einsperren lassen!" — Kurz
d'raus ist der Gerhartler wieder gesessen: das war die zweite
Geschicht, jetzt kommt die Dritte:

„Es wird Euch bekannt sei», Manndcr! daß ich Heuer im
Frühjahr bald die Abzehrung kriegt hält', und die Doktoren
haben mich schon alle ausgeben gehabt; ich war kaum mehr
im Stand, aus den Blasigenberg hinauf zu gehen, so matt
und elend war ich, da bin ich in meiner Seelenangst halt
auch zum Gerhartler gangen, und hab'n um seinen Rath ge-
fragt. Ihr hättet aber hören sollen, wie er mich angeschnarrt
hat: „Was denkst du dir denn; meinst du, ich will wieder
auf ein paar Monat in die Keuchen sitzen!" hat er gesagt.
„Wenn man ralheit will, muß man g'studirt haben, und
Doktor sein; ein Anderer kommt für 'n guten Willen in's
Loch!" Ich Hab' ihm aber keine Ruh geben, und hab'n ge-
fragt: „Gerhartler, darfst du dir auch nichts mehr denken?"

Da hat er mich angeschaut und hat gemeint, das Denken
hätten fie ihm freilich nicht verboten.

„So denk' dir halt," sagt' ich, „was du thätest, wenn dir
fehlte, was mir fehlt!"

Das hat dem Gerhartler gefallen, und er hat gleich gesagt:
„Ich denk' mir halt, ich thär nichts, als Hundsfleisch essen,
und Hundssuppen trinken!"

Ich war nicht faul, und Hab' redlich gethan, was der
Gerhartler denkt hat, und obwohl mir die Kost nicht g'schmeckt
hat, so hat sie mir doch geholfen, und ich bin jetzt, Gottlob!
wieder gesund unv stark."

Die vorige Woche ist nun der kleine dicke Doktor heraus
kommen, und hat wieder wie gewöhnlich seine drei Seidel bei
mir abgestochen, denn der Herr ist Liebhaber von einem guten
Tropfe». —

„Ja, Hans!" hat er gesagt, „du schaust ja prächtig aus;
haben dir meine Latwergen so gut angeschlagen?"

Ich war aber nicht faul, und hab'n erzählt, was sich der
Gerhartler denkt hat, und was mir geholfen hat; da hättet
Ihr aber das Geficht sehen sollen, was der Herr Doktor
geschnitten hat.

„Daß doch's Donnerwetter den Quacksalber!" hat er
g'schrien, „gleich will ich machen, vaß er wieder in s Loch
kommt," und richtig, jetzt sitzt er wieder! —

Das ist die dritte G'schichl! —

Seht's, Mannder, jetzt dar; der Gerhartler auch nicht
mehr denken, damit er den gestudirten Herren nicht zu g'scheit
wird! —

M. Meyer.
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