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Kleine Dorfgeschichten.

183

Drauf ist's unten still blieb'n, und der Braumeister, ganz
froh, stoßt den Müller mit dem Ell'nio'gen und sagt: „Gvatter!
ich bin fertig, itzt ists an dir."

„Mein Ranzl wird bald auSg'leert seyn," fangt der Mül-
ler an und thut g'waltig kuraschirt. „WaS ich mich schuldig
weiß, das ist, daß ich manchmal um's Kennen zu stark g'netzt Hab'."

Pitsch patsch, geht's am Bach wieder loS.

„Und zu Zeiten," fahrt der Müller fort, „ist a Handl voll
Mehl über'S Ziel im Beutelkasten hängen blieb'n."

Pitsch patsch, pitsch patsch.

„Mit dem, stehst! kommst du nit durch," red't der Brau-
meister dazwischen. „G'steh' nur lieber gleich 'nen Metzen."

„Du bist nit g'scheidt!" belfert der Müller; „auf mehr
als a Haub'n voll laß' ich mich nit ein."

Pitsch patsch, pitsch patsch.

„So klopf du und der Geier, verdammt's G'spenst!" schreit
der Müller suchswild 'nunter: „weil du denn gar kein G'nü-
gen hast, so soll's beim Metzen bleib'n."

Kaum hat er das g'sagt, so laßt fich hinter'm Busch a
G'lächter und a Johlen hör'n, man hätt' glaub'n mög'n, der
Himmel müßt' einsall'n. Es find die jungen Burschen vom
Dorf g'wesen, die zu ihrem Spaß dort geistert hab'n und itzt
voller Jubel find, weil fie den Müller und den Braumeister
so schön übers EiS g'sührt. Die zwei Schächer ärgern sich
schwarz, daß fie aus 'ne so dumme Weif ihre Beicht fich haben
abnarren lassen, aber was hilft's? Wenn der Vogel aus'm
Häusl ist, sangt ihn der Deirl wieder ein.

II. Die Kxielwuth unheilbar.

Unser Herr Pfarrer ist a Mann nach dem Herzen Gottes;
wir könnten gar kein'n Besser'» nit hab'n. Er liest sein' Meß'

so auferbaulich, daß's a Freud' ist, und in der Seelsorg' laßt
er fich g'wiß kein'n Augenblick faul finden. Mitten in der
Nacht steht er auf, wenn ein's von seinen Psarrkindern den
geistlichen Trost begehrt, mag's itzt a rcich's oder a arm's
seyn. Auf der Kanzel erst, da hat er weil und breit kein'n
G'fährten. Er macht sein' Sach' so kräftig und eindringlich,—
es müßt' Einer a Rhinozeroshaur hab'n, wie's beim Landtag
sag'n, wenn's nit durchging'.

Ja, ja, a Rhinozeroshaut! Es gibt schon Leut', die a solche
Decken vor'm Herzen hab'n, daß kein Hieb und kein Stich nit
eingeh'n thut. Da Hilst freilich alle Lehr' und Predig nir, rein
nir. Das hat unser Herr Pfarrer erfahr'», nit etwa mit 'nem
Kornkipperer, oder mit 'nem Wilddieb, oder mit 'nem Räuber
und Mörder, — nein! — mit ner alten Loirerieschwester.

Der gute Herr, müßt ihr wissen, ist a abg'sagter Feind
von allen Glücksspiel'», und vornehmlich liegt ihm d' Lotterie
im Magen. Die hat er einmal bei 'ner schicklichen G'leg'n-
hcit in der Predig scharf herg'nommcn und Hai uns ausein-
ander g'setzt, was das für a hinterlistig's Spiel ist, und wie
Einer, der fich damit einlaßk, 's Hemd auf'm Leib riskirt.
Und damit's uns recht einlcucht', hat er auch a Gleichnuß vor-
bracht. »Da setzt/ sagte er, »der Kasper drei Nummern —
meinetweg'n 13, 39 und 57 — und bild't sich itzr ein, akkurat
so würden's in der Ziehung kommen, und es könnt' gar nit
fehl'n, daß er 'nen Terno machen thäk'. O du Narr! weißt
du denn nit, wie viel tausend- und tausendmal die neunzig
Nummern im Glücksrad varir'n? Schau einmal her! Da Hab'
ich mein Barett voll Korn und in selbes versteck' ich drei Körnel
Waizen. Nachher bind' ich vir d' Augen zu und sag': Itzt
probir' dein Glück! Wie lang wird'S wohl dauern, bis du
selbe drei Körnl mit einem Griff herauSfind'st? G'rad so ists
mit dem Terno in der Lotterie.'

So ung'fähr hat der Herr Pfarrer g'redt und ist itzt sicher
der Meinung g'wesen, er hält' uns Allen daS Lotteriespiel'n
für ewige Zeiten verleid'». Aber was g'schieht? Wie er nach m
Gottesdienst aus der Kirchen geht, zupft ihn Ein's hinten am
Talar, und wer ist's? Die alt' Lichtl-Zili, wie's mit dem
Spitznam' heißt, weil's unfern Weibern bei den Seelmessen
die Wachsstöck' anzünd't. Wenn man die Person so anschaut,
vom Kopf bis zu 'n Füß'n lauter Riß' und Fetzen, möchl'
man freilich nit glaub'», daß die einmal den besten Hof im
Dorf g'habt hat, — a schön'S, groß'S Haus und Felder und
Wiesen grad g'nug.

»No Zili!" sagt der Pfarrer halb im Spaß, halb im Ernst,
»du willst mir g'wiß deine Loiteriesünden beichten? Wenn du
itzt dein Laster noch nit einfiehst, so ist Chrisam und Tauf'
an dir verlor'»."

»O mein, Hochwürden." versetzt die Zili und schlagt fich
auf die Brust, »Feuer und Schwert ist Ihre Predig heut'
g'wesen. Aufg'merkt Hab' ich, kein Wörtl ist mir daneb'n
g'fall'n. Aber wies oft geht, g'rad die drei Nummern weiß
ich nimmer recht. Wenn Sie mir's doch noch einmal sag'n
thäten, damit ich'S setzen könnt'."

(Fortsetzung folgt.)
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Kleine Dorfgeschichten. II. Die Spielwuth unheilbar"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Pfarrer <Motiv>
Verkauf <Motiv>
Ältere Frau <Motiv>
Karikatur
Lotterielos
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 6.1847, Nr. 143, S. 183
 
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