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Dorfb

„Ja freilich!" lachte der Junge, und sein Lachen klang laut
und hell; das blonde Haar leuchtete ihm wie Gold um die
Stirn und seine frischen braunen Augen schauten so zuversichtlich
als ob sie fragten: Was kostet die Welt?

„Unser Herrgott und unsere liebe Frau mögen Dich
schützen und bewahren vor allem Unheil!" murmelte sein
Mutterl, mit Thräncn in den Augen und den Daumen zum
Kreuzmachen an der Stirn.

Ein großer Bauernhof wurde angekauft mit Grund und
Aeckern, — der wurde der Hergottshof genannt, und der Franzl
war der Herr d'rauf. Aber er ließ noch seine Alten schalten,
er war noch so jung. Aber weiß Gott, wie rasch er in die
Höhe schoß. Wenn er vom Regen erwischt wurde und durchnäßt
bis auf die Haut, hatte es bei ihm die einzige Wirkung, daß er
am nächsten Tage schon wieder um zwei Zoll größer gewachsen
war wie ein Spargelstängel, während andere junge Burschen
sich verkühlten und siechten. Er war kein Faullenzcr, und griff
gern zu auf dem Felde; dabei aber fand er noch immer Zeit,
einen Hasenschwanz an die Klingel des Baders zu binden, eine
Fledermaus in die Stube der Kaufmannsfrau zu bugsiren und
der Düllkräutelhof-Vroni eine Fuchsfalle grade an die Stelle
zu bringen, wo der beurlaubte Dragoner zu ihrem Fenstert
aufzuklettcrn Pflegte. Und wenn's darüber zum Streiten kam,
da war der Franzl immer der Unschuldige, und die Nachbarinnen
hatten immer andere Burschen in der Dämmerung schleichen
sehen, und nur nicht ihn. Aus dem Hochamt blieb er auch
gern aus, und wie ihm der Pfarrer einmal begegnete und ihn
darüber tadelte, sagte er: „Aber Hochwürden, ich bin ja der
Herrgottsfranzel, ich und der liebe Herrgott kennen ja einander
so gut, da gibt's ja nichts weiter zu reden zwischen uns!" Er
sagte das so lnstig, herzlich, und schaute dabei so voll frischen
Jngendübermuthes zum blauen Sommerhimmel auf, daß dem
guten Pfarrer seine ganze Strenge verging, und er nur leise
mit dem Finger drohend sagte: „Wer vom Himmel viel Segen
kriegt, soll dem Himmel viel danken, Franzel, sonst wendet sich
das Blattl."

„Könnt's recht haben, Hochwürden!" sagte der Franzel
höflich. „Will's auch einbringen von jetzt an." Und richtig
ging der Franzl von jetzt an regelmäßig in's Hochamt und
stellte sich ganz vorn an die erste Bank an, damit ihn unser
Herrgott ja nicht übersähe. Die Leute wunderten sich schier
darüber, und der Herr Pfarrer nickte ganz zufrieden mit
seinem Doppelkinn; aber merkwürdig war's doch, daß gerade
dazumal der Christbaum -Wirth eine hübsche, junge Linzerin
geheirathet hatte, die ihren gekauften Kirchen-Sitz just in der
ersten Bank erhielt. So oft sie aufschaute, mußte sie den Franzl
sehen, und so oft der nur den Kopf rührte, mußte er die
schöne junge Wirthin erblicken. Er ging jetzt täglich Abends
in's Christbaum-Wirthshaus. Er setzte sich nicht abseits,
sondern mitten unter die andern Burschen hinein; die junge
hübsche Wirthin in ihrem städtischen Anzuge, mit dem ledernen
Geldtäschchen an der Seite, dem Schlüsselbund am Gürtel und
der immer freundlichen Miene, machte so lieb die Honneurs der
Wirthsstube, daß dieselbe ein ganz anderes Gesicht bekam gegen

ilder.

früher; es war, als ob die Wände neu gemalt worden, oder
als ob die Bänke gepolstert, oder als ob das Bier noch besser
geworden sei, so wohl that's Allen da; aber eigentlich war's
doch nur die Wirthin, die alles das zu Wege brachte. Alle
redeten mit ihr, und sie redete mit Allen laut und lustig. Nur
der Franzel nicht, der sich just immer mitten unter seine
Kameraden setzte, als ob er fürchte, die Wirthin könne an ihn
anstreifen. Er war wilder und lauter als je. Aber der Dornseppl,
sein Spezi, kannte sich wohl aus. „Du, hörst!" sagte er ihm
einnial auf dem Heimweg im kalten Jünnermondschein, wie der
Schnee ganz hart unter ihren Füßen knirschte, „Du bist verliebt
in die Christbaum - Wirthin !"

„Ich?" lachte der Franzl und blieb stehen.

„Ja, Du! Armer Kerl!"

„Armer Kerl? Was meinst damit?" sagte der Franzl
bissig und probirte das Faustmachen. „Meinst etwa sie möcht'
mich nicht, wenn ich wollt'? Ich bin der Herrgottsfranzel, bei
mir gibt's kein Fehlgehen, merk' Dir's!"

„Hast sie schon g'fragt?"

„Das bmuch' ich nicht!"

„Na, dann schau Dich an. Sie soll ein brav's Weib sein!"

„Und soll's auch bleiben von mir aus !" rief der Franzl barsch.

„Hast freilich leicht reden!" lachte der Sepp.

„Du Sepp, hörst, jetzt hast g'rad Zeit, daß Du's Maul
halt'st! Um Dir übrigens zu zeigen, daß der Herrgottsfranzl
nie aufschneiden thut, bleib' ich morgen vom Gasthaus aus.
Was wett'st, Sie fragt nach mir?"

„Topp, 's gilt!"

„'s gilt!" wiederholte der Franzl aufgeregt und mit einer
Stimme, der man das Herzklopfen anmerkte. „Um eine Maaß
Achtziger!"

Am nächsten Abend, so ctiva um neun Uhr, wie der Mond
wieder anfing über die schneeigen Dächer zu steigen, da kam der
Sepp zum Franzl, der vor seiner Hausthür saß und seine Pfeife
schmauchte. „Geh', frier' nicht weiter, Franzl, und komm mit mir
zum Christbaum, ich zahl' die Maaß Wein. Die Wirthin selber
hat mir im Vorbeigehen g'sagt auf meinen Gruß: „„Dank' schön;
was ist's denn mit Eucrm Spezi, Dornseppl? Ist er krank?""

Schau, hat d' Frau gemerkt, daß er heut' nicht da ist!
sag' ich d'rauf.

Da wird sie recht roth und sagt: „„Na, ich Hab' nur ge-
meint, weil er sonst immer kommt!"" und dreht sich ganz
gallig um."

Der Herrgottsfranzl lacht. Aber es war kein glückliches Lachen.
„Hab's ja g'wußt!" ruft er. „Mir muß ja Alles ausgehen!"

„Na, kommst mit. Du Glückskerl, Du?"

„Nein, trink' Deinen Wein nur selber. Ich Hab' heut'
kein' Durst, nur Schlaf!" sagte der Franzl ernst.

Die Assentirnng kam. Der Franzl war einer der hüb-
schesten und gesündesten Burschen im Dorf.

„Den behalten sie!" sagten Alle. Und seine Mutter
weinte schon alle Tage so bitterlich in der Frühmesse, daß sie
regelmäßig ihren Wachsstock verlöschte mit den Thrünen. Aber
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