Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
50

Schlechte Witze.

Der Steuerrath Schwarz war im Dienst übermäßig peinlich
und streng, zu Hause aber bei seiner jungen, hübschen Frau
nichts weniger als barsch und abstoßend; ja in geselligen Kreisen,
besonders wenn seine Lebensgeister durch einige Gläser richtig
verzollten Rothweins geweckt waren, konnte er sich oft einer fast
übcrmüthigen und ausgelassenen Laune hingebeu, zwar gutgemeinte
aber immerhin empfindliche Sottisen sagen, sticheln und hänseln,
alte Jungfern aufziehen, Neckereien anstiften und andern oft
nicht recht angebrachten Unsinn treiben, den seine junge Frau
immer mit der nicht sonderlich schmeichelhaften Bezeichnung
„schlechte Witze" beehrte. „Du wirst mit Deinen schlechten
Wißen noch einmal gehörig anlaufen, liebes Männchen," Pflegte
sie oft in einer darauf bezüglichen Gardinenpredigt zu sagen,
'worauf er aber jedesmal lachend erwiderte: „Der schlechteste
Witz, den ich jemals gemacht, ist der, Dich allerliebsten, kleinen
Strafprediger geheirathet zu haben und der hat mich noch keinen
Augenblick gereut."

Nun war eines Tages von mehreren befreundeten Familien
des Städtchens ein gemeinschaftlicher Ausflug nach dem benach-
barten Frankfurt, wo gerade Messe war, verabredet. Steuer-
raths nahmen natürlich Theil daran, da die Frau Steuerräthin
Anstifterin des Ganzen war. In vier Wagen fuhr man ab,
erreichte Frankfurt in wenigen Stunden, besuchte alle Sehens-
würdigkeiten der Messe, auch die Museen und Sammlungen,
amüsirte sich köstlich und schloß die Strapazen und anstrengenden
Wanderungen mit einem gemeinschaftlichen Mittagessen im
Hofe von Holland, wobei es gar lustig hergiug; denn Alle
waren in rosigster Laune, besonders der Steuerrath. Nach dem
lang ausgesponnenen Diner fuhr man befriedigt und in sehr
gehobener Stimmung nach Hause. Aber eine solche gehobene
Stimmung regte auch den Steuerrath jedesmal zu seinen schlechten
Wißen an. Auch jetzt entstand in seinem Haupte der Plan zu
einer kleinen Neckerei seiner Reisegesellschaft, mit der er den
genußreichen Tag würdig abschließen wollte. „Unterwegs werd'
ich Euch noch eine kleine Ueberraschung bereiten," raunte er
seinem neben ihm sitzenden Weibchen zu, sich schon im Voraus
vor Vergnügen über das improvisirte Späßchen, das er vorhatte,
die Hände reibend. „Was hast Du denn vor, Männchen?"
fragte sie einschmeichelnd.

„Wirst es schon zu seiner Zeit erfahren," erwiderte er
ausweichend.

„Nun, mach' es nur nicht zu stark! Du bist gerade in
der Laune dazu."

Die ehemals freie Stadt Frankfurt gehörte damals, wo
diese Geschichte spielt, dem Zollverein noch nicht an; es waren
daher an den Grenzen der ringsum liegenden Zollvereins-Staaten
und Stäätchen Zollämter etablirt. Es fiel natürlich Niemandem
von der Gesellschaft auch nur im Traume ein, daß auf dem
dem Steuerrathe untergeordneten Zollamtc, das sie zu passiren
hatten, eine Durchsuchung ihrer Wagen vorgenommen werden
würde, da der Chef in ihrer Begleitung war. Aber es kam
anders. Als die Gesellschaft bei dem Schlagbaume ankam,
sprang der Steuerrath, dessen Wagen voran war, heraus und
eilte den beiden aus dem Zollhause hervortretenden Visitatoren

mit den Worten entgegen: „Ich bitte um eine strenge Durch-
suchung der Wagen, meine Herren, da wir von der Frankfurter-
Messe kommen und den Damen nicht zu trauen ist." Lachend,
und seiner Sache vollkommen gewiß, daß Niemand von der
Gesellschaft, am allerwenigsten seine Frau, Zollpflichtiges bei
sich führe und einzupaschen versuchen würde, denn seine rück-
sichtslose Strenge in diesem Punkte war ja allbekannt, ging er
nach diesen Worten in das Zollhaus, um mit dem Inspektor
zu sprechen. Seine anmuthige, junge Frau verfärbte sich aber
vor Unwillen über diese, wie sie meinte, einmal wieder recht
übel angebrachte Neckerei und rief ihm halb ärgerlich nach:
„Ach geh' mir mit Deinen schlechten Witzen!"

Aber die Beamten folgten der Weisung ihres Chefs und
machten sich an die genaue Durchsuchung der Wagen, indem
sie mit denen der übrigen Gesellschaft begannen. Es wurde darin,
wie vorauszusehen war, nichts Steuerbares vorgefunden. Nun
kamen sie an den Wagen, in welchem die Frau Steuerräthin
mit ärgerlichem, aber decidirten Antlitze saß und keine Miene
machte, auszusteigen. „Dürfen wir bitten, gnädige Frau?"

„Da ist nichts Zollpflichtiges darin, meine Herren,"
erwiderte sie mit einem verlegenen Lächeln. „Sie können sich
die Mühe ersparen."

„Aber Sie werden doch so gefällig sein und auf einen
Augenblick den Wagen verlassen."

„Ich steige nicht aus, incommodiren Sie mich doch nicht!"
rief sie empört über diese Zumuthnng und die, wie es ihr
schien, nicht zu entschuldigende Rücksichtslosigkeit der Beamten.

„Wir haben bestimmten Befehl, gnädige Frau!"

„Mein Mann, der Steuerrath, hat nur. einen Scherz ge-
macht," replicirtc sic. „Er weiß am besten, daß nichts Zoll-
pflichtiges in seinem eigenen Wagen ist."

„Es geschieht ja auch nur der Beobachtung der Form
wegen," entschuldigten sich halb unschlüssig die Beamten.

„Das ist ganz überflüssig!" entschied die muthige, kleine

Frau.

In diesem Augenblicke trat der Steuerrath mit dem In-
spektor vor die Thür und hörte von weitem mit innerem Er-
Image description

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Schlechte Witze"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Durchsuchung
Zollbeamter
Pferd <Motiv>
Streich <Scherz>
Vorgesetzter <Motiv>
Zollstelle
Kutsche <Motiv>
Ehefrau <Motiv>
Karikatur
Grenze <Motiv>
Messe <Motiv>
Ausflug <Motiv>
Zoll <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Frankfurt am Main
Thema/Bildinhalt (normiert)
Schlagbaum <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 61.1874, Nr. 1517, S. 50

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen