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Nur ein Fehler.

Wie konnte man einem so muntern, liebenswürdige»
Geschöpfe, wie Amalie war, böse sein? Auch dem Gatten
war dies nicht möglich; er konnte nicht auf ihren Verstand ein-
wirken, weil sie sich nicht die Zeit nahm, ihm lange zuzuhören
und jedesmal, wenn er die Sache zur Sprache brachte, unter
irgend einem Vorwände entschlüpfte.

Alexander blieb noch lange sitzen, nachdem seine Frau das
Zimmer bereits verlassen hatte, um nach ihrem Kleinen zu
sehen; als er aufstand, blieben seine Augen am Piano ruhen.
Es war ein herrliches Instrument, das er erst vor einigen
Monaten gekauft hatte. Sinnend blieb er stehen und legte die
Finger an die Stirne; es kam ihm, kurz heraus gesagt, eine Idee,
die er, sm seltsam sie war, sogleich ausführte. Er nahm einen
Stimmer, öffnete sodann das Piano und nachdem er sich eine der !
kürzesten und zartesten Saiten mitten in der sechsten Oktave aus-
gesucht hatte, stimmte er diese um einen halben Ton herab. Er |
schloß dann wieder das Instrument und begab sich in's Bureau.

Abends kam Alexander zeitig nach Hause, und nach dem
Thee bat er seine Frau, ihm eines seiner Lieblingslieder zu
singen. Sie that es. Es war ein schmelzendes, klagendes Lied
voll Seele und Gefühl, das sie auf rührende Weise vortrug.

Aber plötzlich hielt sie iuue, wie von einem Schauer ergriffen,
der ihren ganzen Körper durchzuckte.

„Was hast Du," fragte Alexander voll Erstaunen.

Um's Himmelswillen," rief Amalie, abermals schauernd,
„was für ein gräßlicher Mißton! Hast Du ihn nicht gehört?"

„Woher sollte der kommen?"

„Woher? — Es muß Etwas mit dem Piano vorgegangen
sein; warte nur einen Augenblick."

Mit diesen Worten ließ sie ihre Finger über die Tasten
gleiten und augenblicklich fand sie auch den verstimmten Ton.

„Höre nur!" sprach sie.

„Sind noch mehr solcher Töne vorhanden?" fragte der
Gatte, indem er zugleich den Deckel des Instruments völlig aufhob.

Sie schlug sämmtliche Tasten an und erklärte, daß sie
alle in Ordnung seien.

„So wollen wir Nachsehen, wo es fehlt."

„Hier sitzt es," sagte Amalie, die Taste leicht berührend,
indem sie zugleich auf den vibrirenden Draht deutete.

„Aber," rief Alexander, „wegen eines so unbedeutenden
Umstandes mußt Du mit Deinem süßen Gesänge nicht innehalten!
Laß Dich deßhalb nicht stören und beendige das Lied."

„Wie kann ich denn bei einem so abscheulichen Mißton
singen und spielen?"

„Warum denn nicht?" bemerkte ihr Gatte gelassen und
ernst. „Du wirst doch nicht behaupten wollen, daß die Ver-
stimmung einer einzigen Saite so viele Störungen verursachen
kann; es ist ja der einzige Fehler. Sieh' nur, wie viel
andere Saiten noch da sind, alle viel größer, länger und dicker.
Es ist nicht möglich, daß so ein einziges, ärmliches Ding
so viel zu bedeuten haben kann."

„Aber Alexander! Ich habe geglaubt, Du verstündest
mehr von Musik," versetzte Amalie fast unwillig. „Durch einen
einzigen fehlerhaften Ton ist doch die ganze Harmonie zerstört."

„Das ist sehr wunderbar," sprach Alexander.

„Ich sehe hierin nichts Wunderbares. Ein Mißton
bleibt ein Mißton, sei er nun groß oder klein; sobald die
Harmonie einmal gestört ist, gibt es gar keine Harmonie mehr."

„Das ist sehr wunderbar," wiederholte Alexander.

„Aber ich hoffe, daß Du mich jetzt verstehst?"

„Ja, Amalie; aber ich hoffe, daß auch Du mich jetzt verstehst."

Amalie stutzte, und als ihre Auge» dem ernsten, fest auf
sie gerichteten Blicke ihres Gatten begegneten, errieth sie, spät
genug, die volle Bedeutung seiner Worte.

„Alexander/" sprach sie in leisem, zögernden Tone, „Du
hast diese Saite absichtlich herabgestimmt!"

„Ja, meine Liebe, das habe ich; ich wollte sehen, ob Du
dem Piano reine, süße Musik entlocken kannst, wenn selbst nur
die kleinste unter den vielen Saiten nicht ganz in Ordnung ist."

„Du wolltest mir beweisen, daß selbst ein kleiner Fehler
die häusliche Harmonie ebenso zerstören kann, wie dieses kleine
Ding die Harmonie meines Pianos zerstört hat."

„Ja, liebes Weibchen, — und ist's nicht so?"

Einige Augenblicke hielt die junge Frau ihr Gesicht an
der Brust Alexanders verborgen; dann sah sie zu ihm auf und
sprach: „Stimme die Saite wieder hinauf, und wir werden
dann keinen Mißton mehr im Hause haben."

Er that es augenblicklich und als Amalie das Instrument
wieder probirte, fand sie es in vollkommen richtiger Stimmung.
Sie sang ihr Lied zu Ende, setzte sich dann an ihres Gatten
Seite, und versprach ihni, diesen einen Fehler abzulegen.

S. Grirx

Der Hausschatz.

In Dingelding befindet sich ein schöner Pfarrhof, und in
selbigem Pfarrhof war die Ankunft des Herrn Erzbischofs angesagt.
Daß dadurch nicht allein der ganze Pfarrhof in Aufregung ver-
setzt, sondern auch die Köchin zu ganz außerordentlicher Thätigkeit
angespornt wurde, ist nicht zu verwundern. — Diese war eben
Bildbeschreibung

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"Nur ein Fehler"
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Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Harburger, Edmund
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Stuhl <Motiv>
Klavier <Motiv>
Harmonie <Motiv>
Ehepaar <Motiv>
Gespräch <Motiv>
Charakter
Karikatur
Klavierspiel
Ehekonflikt <Motiv>
Ton <Akustik, Motiv>
Handgeste
Gesang <Motiv>
Fehler <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Creditline
Fliegende Blätter, 61.1874, Nr. 1525, S. 114
 
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