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Rothe ‘
»Bitte, machen Sie doch zuerst die Probe!" Gustav's Arme
sanken am Leib herab, und der gute Junge wurde dunkelroth
vor Scham und todesblaß vor Zorn; zuletzt aber sagte erweich:
»Das hätt' ich ihr nicht zugetraut, das ist undelikat und un-
edel, mit Einem Wort unweiblich!" Und ' eine Helle Thräne
schimmerte in seinem Auge, als er hinzufügte: „Wenn ich nur
mein Goldstück wieder Hütte! — Ein einziges Hab' ich noch,
mit dem will ich dem Rathe des falschen Weibes dennoch folgen!"
Er steckte den Zeitungsausschnitt in die Tasche. „Ja, ich will
dem Di-. Lockvogel meine Nase anvertrauen und nach vollendeter
Kur meine vernachläßigten Studien mit neuer Kraft beginnen.
Wenn ich dann einstens Minister sein werde, könnte es wohl
Vorkommen, daß Emma als Bittstellerin zu mir käme — zu
Ministern kommen allerhand Leute. Ha! diese Genugthuung!
Ich denke mir die Audienz etwa so:
„Womit kann ich dienen, Madame?" frage ich höflich aber
kalt die sich tief verneigende Emma, die mich natürlich nicht erkennt.
„Ich habe Alles, was das Herz begehrt, Excellenz —
Diamanten und Perlen. Ich schlafe auf Seide und speise von
Silber. Es fehlt mir blos noch ein gesticktes adeliges Krönchen
auf meine.Taschentücher und wenn es nur so viele Zinken hätte,
wie eine Gabel. Verschaffen Sie mir das, Excellenz, und ich
lade Sie und Ihre ganze Freundschaft ein zu einem großartigen
Gartenfest mit Musik und Schinkenbroden."
„Ich werde mein Möglichstes thun, Madame, die Sache
Seiner Majestät plausibel zu machen und ich glaube. Ihnen schon
wr Voraus zum Personal-Adel gratuliren zu können, den Adel
der Seele aber, Madame," mache ich mit furchtbarem Ernste
weiter, „den kann Ihnen selbst Seine Majestät nicht verleihen
~~ — denken Sie auch noch hie und da an den vr. Lock-
vogel?" —
„Barmherziger Gott, es ist Gustav!" schreit Emma auf
und sinkt in Ohnmacht.
„He Kutscher, Hausknecht, Kammerdiener!"" rufe ich;
der Letztere kommt. „Sie werden diese Dame heimführen lassen
ln unserer frischlackirten Kutsche, zweispännig, mit dem Silber-
hlnttirten Geschirr und werden ihr alle Ehrerbietung erweisen,
über sehen will ich dieselbe nicht wieder, Herr Kammerdiener,
Werken Sie sich das, so lieb Ihnen Ihre Ohren sind — —"
Die Dohle hüpfte zornig im Zimmer auf und ab, sah
von Zeit zu Zeit ihren Herrn mit Einem Auge an und krächzte
Etwas, das verzweifelte Aehnlichkeit hatte mit dem Ausruf:
»Dummer Kerl!"
HI.
Trara, trara! — Bumm, bumm! ertönte cs in der Hoch-
straße von bcm Hause Nr. 1, in welchem der Dr. Lockvogel
wohnte. Genannter Herr stand auf dem Ballone, angethan
mit einem weißen, weiten, mit scheußlichen Figuren bemalten
Dakar und einer hohen, spitzigen Magicrnüitze, und stieß von
zu Zeit aus voller Kraft in eine lange Trompete. Neben
K)>n blickte eine stattliche Blondine in hohem Grade unerschrocken
uuf das liebe, immer zahlreicher werdende Publikum herab,
urigte in stolzem Lächeln den hübschen, mit schwarzem Cylindcr
und" grünem Schleier geschmückten Lockenkopf, und klopfte das
Nasen.
eine Mal mit der Gerte an ihr dunkles Rcitkleid, das andere
Mal mit einem Schlegel auf eine Pauke.
„Einem hohen Adel und verehelichen Publikum," fing jetzt
der Doktor an zu schreien, „habe ich die himmlische, den Knaben
tvic den Greis, die Matrone tvie die Jungfrau, freudig durch-
zuckende Botschaft zu bringen:
Es gibt keine rothen Nasen mehr!
Meinen bei Tag und Nacht uncrmüdct fortgesetzten Forsch-
Rothe ‘
»Bitte, machen Sie doch zuerst die Probe!" Gustav's Arme
sanken am Leib herab, und der gute Junge wurde dunkelroth
vor Scham und todesblaß vor Zorn; zuletzt aber sagte erweich:
»Das hätt' ich ihr nicht zugetraut, das ist undelikat und un-
edel, mit Einem Wort unweiblich!" Und ' eine Helle Thräne
schimmerte in seinem Auge, als er hinzufügte: „Wenn ich nur
mein Goldstück wieder Hütte! — Ein einziges Hab' ich noch,
mit dem will ich dem Rathe des falschen Weibes dennoch folgen!"
Er steckte den Zeitungsausschnitt in die Tasche. „Ja, ich will
dem Di-. Lockvogel meine Nase anvertrauen und nach vollendeter
Kur meine vernachläßigten Studien mit neuer Kraft beginnen.
Wenn ich dann einstens Minister sein werde, könnte es wohl
Vorkommen, daß Emma als Bittstellerin zu mir käme — zu
Ministern kommen allerhand Leute. Ha! diese Genugthuung!
Ich denke mir die Audienz etwa so:
„Womit kann ich dienen, Madame?" frage ich höflich aber
kalt die sich tief verneigende Emma, die mich natürlich nicht erkennt.
„Ich habe Alles, was das Herz begehrt, Excellenz —
Diamanten und Perlen. Ich schlafe auf Seide und speise von
Silber. Es fehlt mir blos noch ein gesticktes adeliges Krönchen
auf meine.Taschentücher und wenn es nur so viele Zinken hätte,
wie eine Gabel. Verschaffen Sie mir das, Excellenz, und ich
lade Sie und Ihre ganze Freundschaft ein zu einem großartigen
Gartenfest mit Musik und Schinkenbroden."
„Ich werde mein Möglichstes thun, Madame, die Sache
Seiner Majestät plausibel zu machen und ich glaube. Ihnen schon
wr Voraus zum Personal-Adel gratuliren zu können, den Adel
der Seele aber, Madame," mache ich mit furchtbarem Ernste
weiter, „den kann Ihnen selbst Seine Majestät nicht verleihen
~~ — denken Sie auch noch hie und da an den vr. Lock-
vogel?" —
„Barmherziger Gott, es ist Gustav!" schreit Emma auf
und sinkt in Ohnmacht.
„He Kutscher, Hausknecht, Kammerdiener!"" rufe ich;
der Letztere kommt. „Sie werden diese Dame heimführen lassen
ln unserer frischlackirten Kutsche, zweispännig, mit dem Silber-
hlnttirten Geschirr und werden ihr alle Ehrerbietung erweisen,
über sehen will ich dieselbe nicht wieder, Herr Kammerdiener,
Werken Sie sich das, so lieb Ihnen Ihre Ohren sind — —"
Die Dohle hüpfte zornig im Zimmer auf und ab, sah
von Zeit zu Zeit ihren Herrn mit Einem Auge an und krächzte
Etwas, das verzweifelte Aehnlichkeit hatte mit dem Ausruf:
»Dummer Kerl!"
HI.
Trara, trara! — Bumm, bumm! ertönte cs in der Hoch-
straße von bcm Hause Nr. 1, in welchem der Dr. Lockvogel
wohnte. Genannter Herr stand auf dem Ballone, angethan
mit einem weißen, weiten, mit scheußlichen Figuren bemalten
Dakar und einer hohen, spitzigen Magicrnüitze, und stieß von
zu Zeit aus voller Kraft in eine lange Trompete. Neben
K)>n blickte eine stattliche Blondine in hohem Grade unerschrocken
uuf das liebe, immer zahlreicher werdende Publikum herab,
urigte in stolzem Lächeln den hübschen, mit schwarzem Cylindcr
und" grünem Schleier geschmückten Lockenkopf, und klopfte das
Nasen.
eine Mal mit der Gerte an ihr dunkles Rcitkleid, das andere
Mal mit einem Schlegel auf eine Pauke.
„Einem hohen Adel und verehelichen Publikum," fing jetzt
der Doktor an zu schreien, „habe ich die himmlische, den Knaben
tvic den Greis, die Matrone tvie die Jungfrau, freudig durch-
zuckende Botschaft zu bringen:
Es gibt keine rothen Nasen mehr!
Meinen bei Tag und Nacht uncrmüdct fortgesetzten Forsch-
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Rothe Nasen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 72.1880, Nr. 1798, S. 11
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg