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66

Der Fortschri

und Hut, die er im Laufe verlor, ließ er ihnen zurück. Das
Fenster war erbrochen und an dem Kreuze desselben hing ein
sogenannter Strick ohne Ende mit jenen merkwürdigen Knoten,
wie sie nur ein gewandter Spiritist zu knüpfen vermag; an
ihm hatte der Mann mit dem schwarzen Mantel und dem
schwarzen Herzen das steile Hochparterre erklettert. Keiner der
Diener hatte sein Gesicht erkannt. Keiner wußte, wer der Ein-
brecher gewesen. Böhmer aber sah die Züge des Fremden, als
dieser seinen Hut verlor. Es war Octavio Capri!

IV.

Der stärkere Geruch überwindet den schwächeren, so daß
nur der elftere die Geruchsnerven berührt, der letztere aber
keinerlei Wirkung auf dieselben auszuüben scheint. Das ist ein
anerkannter Satz, den wir zum Verständnisse des folgenden
Capitels vorausschicken müssen. Nun aber fahren wir ohne
weitere Reflexionen ungehindert in unserer Erzählung fort. —
Böhmer war, nachdem Capri entflohen, ruhig und unerschrocken
seinen Berufspflichten nachgegangen. Erst als die Sonne sich
gegen Abend neigte und die Tagesarbeit beendet war, schloß er
sein Möbellager und machte sich — von dem treuen Lauer be-
gleitet — aus den Weg zu Lconien. Während sie fürbaß
schritten, machte Böhmer seinem Begleiter allerlei Mittheilungen,
die diesen in das ganze Geheimnis; der Liebesafsaire einweihten;
auch van dem nächtlichen Mordversuche Cnpri's sprach er zu
ihm; er wußte ja, daß er einen besseren Vertrauten nicht finden
konnte und vielleicht bald seiner Hilfe bedurfte. In lebhaftem
Geplauder langten sie bei dem Hause der Frau Felsing an.
Diese war eine junge, anmuthige Wittwe von etwa zwanzig
Jahren. In ihrem achtzehnten Lebensjahre hatte sic sich mit
einem älteren Manne verbunden, dieser war aber nach Verlauf
eines Jahres in das Land heimgegangen, aus dem Keiner
wiederkehrt — cs wäre denn an ganz außerordentlichen Gedenk-
tagen, um Kinder oder Enkel in der bekannten Gestalt der
Ahnfrau oder eines anderen Hausgeistes vor dummen Streichen
zu warnen oder aus große Ereignisse vorzubereiten. Auch der
Verstorbene war seiner tugendsamcn Wittib nur ein einzig Mal
erschienen; es war dies kurze Zeit, nachdem sic Böhmern kennen
gelernt und an ihm Gefallen gefunden hatte. Dazumal guckte
eines Nachts der Heimgegangene Ehegatte zum Fenster herein
und sagte mit milder Stimme in der im Gcisterrcichc landes-
üblichen gereimten Form:

„Höre mich! mein Wort ist Segen!

Nimm den Böhmer — meinetwegen!"

Wie im Leben, so war er auch noch im Tode liebens-
würdig und aufmerksam gegen Leonie. Dieser aber war der
Spruch des Todtcn heilig, und so war sie Böhmern allmählich
näher getreten und heute hatte sie ihn zu sich beschicden, um
mit ihm Tag und Stunde ihrer Verbindung zu verabreden.
Das Haus Leonien's, das ihr erster Gatte ihr als Morgengabe
geschenkt, lag in dem elegantesten Stadtthcilc. Hier flanirte
jetzt zur Abendstunde die seine Welt von N. Auch Octavio
Capri befand sich unter den Spaziergängern und machte seine
Promenade vor dem Fenster seiner Angebeteten. Er bemerkte
gar wohl, wie Böhmer in das Haus der holden Wittwe cin-

itt der Nase.

trat und Lauer sich im Eingänge desselben aufpflanzte. Wie
lästig war ihm dieser Magazineur als Wächter der Liebe. So
oft er sich dem Hause näherte, verhinderte ihn derselbe am Ein-
tritte. Und doch wollte er die Liebenden belauschen!

Da mußte er denn auf ein anderes Mittel sinnen, seinen
Zweck zu erreichen. Er überlegte, und bald hatte er es ge-
funden. Unbemerkt verschwand er plötzlich den Blicken Lauer's
und trat in ein schönes Gebäude, das durch eine schmale
Seitengasse von dem Felsing'schen Hause getrennt war. Es
war das eleganteste Hotel der Stadt. Geld und gute Worte
öffneten ihm hier ein Zimmer, von dessen Fenster man in das
Boudoir seiner schönen Feindin sehen konnte; von hier aus
wollte Capri diese und seinen Nebenbuhler beobachten; nochmals
wollte er sich von seiner Niederlage mit eigenen Augen über-
zeugen und seine Eifersucht zu wilder That entflammen. Er
trat an's Fenster, aber auch hier spielte ihm der Zufall
einen bösen Streich; die schweren und dichten Vorhänge an
Leonien's Fenster wehrten ihm jeden Einblick. Aber ein tüchtiger
Spiritist weiß sich zu helfen. Capri ersetzte das Auge durch
die Nase. Auf alle Eventualitäten vorbereitet, zog er seinen
vortrefflichen englischen Nasen-Dollond aus der Rocktasche und
bewaffnete damit sein Riechorgan, um ihm eine stärkere Spur-
kraft zu verleihen und alle Eindrücke um so intensiver nufnehmen
zu können. Wie aber war Capri überrascht, als ihm durch seinen

Dollond plötzlich ein penetranter Wildpretgeruch in die Nase stieg.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Fortschritt der Nase"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Oberländer, Adolf
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 72.1880, Nr. 1805, S. 66
 
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