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Der Cäcilicn-Ball.

Die zwoa Jakoberln.

Der boarischi dem andern Herr
Und g'winnt, und jagt'n glei'.

Der boarisch' is der feiner' halt,

A' schöner Rittersmo'

Mit Helm und Harnisch, wie si's g'hört,

Ma' schaugt'n g'rad gern a';

Der ander' aber hoaßt nit viel
Mit sammt sein' Muschlhuat
Und mit sein' braun'n Pilgcrg'wand,

Der g'fallt oan' nit so gunt.

D'rum sagen s', waarn d' Jakoberln gleich
Und daß koan Unterschied,

Na' kunnt an' koa's den andern a'.

Und wur' a' Rua und Fried'. Koliell.

Der Cäcilicn-Ball.
i.

Gottlieb Engel war ein armer Teufel. Sein Vater
war gestorben und er hatte eine Stiefmutter. Das ist Grund
genug, ein armer Teufel zu sein. Aber das war es nicht allein.

Schon in frühester Jugend war er ein still in sich ge-
kehrter Knabe, der nicht viel sprach oder lachte und von seinen
Kameraden, da er schwächlicher Natur war und ein gutes Herz
hatte, vielfach gehänselt und geplagt wurde. Er war unglück-
lich, doppelt unglücklich.

Sein erstes Unglück war: er hatte rothe Haare; und sein
zweites: er hieß Gottlieb. Die rothen Haare waren Ursache,
daß die Kinder hinter ihm herliesen und „Kikeriki!" oder
„Feurio!" schrien, und der Name „Gottlieb" brachte ihm viele
boshafte Neckereien und manch Herzeleid und Thränen: Im
Siechenhaus des Städtchens wohnte nämlich ein alter, blöd-
sinniger Mann, der keinem Menschen was zu Leide that und
das kindlichste Gemüth von der Welt hatte, wenn man ihn
nicht neckte. Er hieß Gottlicb, und die Jungen auf der Gasse
wußten, daß er sich ungemein vor dem Tod fürchte. Deßhalb

liefen sie ihm nach, >vo sie ihn erblickten, hielten die beiden
Arme über's Kreuz und riefen: „Der Tod, Gottlieb — der
Tod!" Da wurde er wüthend und lief der auseinander-
laufenden Bande auf seinen schwachen Füßen hinkend nach.

So spotteten die Gassenbuben auch unfern Gottlieb aus,
indem sie das Kreuz machten und ihm nachschrieen: „Rother
Gottlicb, der Tod, der Tod!" Dann wieder waren die rothen
Haare schuld an Vielem, denn wo irgend eine Scheibe eingeschlagen
wurde, oder beim Schneeballwerfen einem Vorübergehenden zu-
fällig ein Ball an den Kops flog — wenn Gottlicb vorbei
ging, oder in der Nähe stand, so war immer der „rothe Gott-
lieb" der Missethäter gewesen und wurde bestraft: vom Vater
und vom Schullehrer, doppelte Rechnung.

Das hatte ihn verschüchtert. Jeder trieb mit ihm, was
er wollte, und er duldete Alles. Das Maß seiner Leiden
sollte aber erst gefüllt werden, als sein Vater, ein kleiner Kauf-
mann, der draußen vor der Stadt in seinem eigenen Häuschen
einen Laden besaß, zum zweiten Mal geheirathet hatte, als
Gottlieb 10 Jahre alt war. Seine Stiefmutter, die nach-
einander, Jahr auf Jahr, 5 Kinder bekam, war ein herzlos
rohes Weib und behandelte den Stiefsohn mit boshafter Grau-
samkeit. Er mußte alle Dienste einer Hnusmagd verrichten:
Wasser holen, Holz hacken, Stiefel putzen; dann durfte er die
Kinder herumtragen, in den Schlaf wiegen, aus- und anziehen,
kurz alle Geschäfte im Haushalt besorgen. Trotzdem bekam er
bei jeder Gelegenheit zum Danke Ohrfeigen und Püffe, und
bei der geringsten Ungeschicklichkeit, oder durch die Bosheit der
Kinder wurde er grausam durchgeprügelt. Und dennoch liebte er
die Kinder seiner Peinigerin mit rührender Zärtlichkeit und
hütete sie mit beispielloser Treue.

So ward er 15 Jahre alt. Sein Vater wollte ihn zum
Kaufmann heranbilden, obgleich der stumme Träumer gar so
gern Büchcrgelehrter geworden wäre. Aber Kaufmann war in
des Alten Meinung das Höchste, mithin mußte er Zinsberech-
nungen, Buchhaltung, Procentrechnen lernen, was ihm nicht
in den Kopf wollte. Statt dessen zeichnete er lieber in das
Heft hinein Phantasieköpfe und wunderliche Landschaften, oder
er schrieb in Gedanken Verslein in die französische Grammatik,
und am Ende erklärte der Lehrer dem Vater, daß Gottlicb zum
Kaufmann nicht tauge und eher alles Andere werde.

Der Vater gab ihn einem Buchhändler in die Lehre, wo
es ihm gut gefiel, denn da konnte er Bücher lesen nach Herzens-
lust! Der Vater starb hieraus. Gottlieb meinte viel um ihn
und fühlte sich noch verlassener. Jetzt hatte er Niemand auf
der ganzen Welt, der ihn lieb hatte — das fühlte er.

Kam er Abends müd' nach Hause, so mußte er Alles
verrichten, wie früher, und hatte nur böse Worte zur Belohnung.
Die Stiefmutter war grob mit ihm, und ihre Kinder höhnten
ihn aus, wie sie es von Andern gesehen und von der Mutter
gelernt, und die Mutter hatte ihre große Freude daran. Spät
aber, wenn er in sein Dachstübchen trat, das hinten hinaus
gegen den kleinen Garten lag, athmctc er tief ans. Dann griff
er zu seiner geliebten Geige und erzählte ihr all sein Herzeleid,
und es klang seufzend und stöhnend von den Saiten wieder.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Cäcilien-Ball"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Adamo, Max
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 72.1880, Nr. 1811, S. 114
 
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